Die Wurzeln des Reformismus in der SPD

Vor 1914 war die SPD ihrem Anspruch nach eine marxistische Partei, die den Sturz des Kapitalismus durch eine Arbeiterrevolution anstrebte. Die weitere Entwicklung zeigte jedoch, daß zwischen Anspruch und Wirklichkeit schon vor 1914 eine große Kluft bestanden haben muß, denn als die großen politischen und wirtschaftlichen Krisen des Kapitalismus eintraten, ohne die es nach Auffassung der Marxisten keine solche Revolution geben konnte, machte die SPD ihren Frieden mit der herrschenden Klasse. Sie machte innerhalb weniger Jahre einen Transforma-tionsprozeß in eine Reformpartei durch. Wie konnte es zu einer solchen Kapitulation des Marxismus vor dem Kapitalismus kommen?
Die Frage nach den Wurzeln des Reformismus in der Sozialdemokratie ist von Sozialisten und bürgerlichen Theoretikern seitdem sehr unterschiedlich beantwortet worden.1911 erschien ein Buch von Robert Michels mit dem anspruchsvollen Titel "Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie", das, wie Michels später schrieb, "weithin freundliche Aufnahme und Anerkennung" gefunden habe.Michels beschreibt darin verschiedene Mechanismen und Formen der Elitebildung in den Organisationen der europäischen Arbeiterbewegung und glaubt, ein "ehernes Gesetz der Oligarchie" gefunden zu haben.
Früher oder später müsse sich in jeder Massenorganisation eine Eliteherrschaft (Oligarchie) herausbilden. Wer ja zur Organisation sage, sage damit auch ja zur Herrschaft einer Machtelite.

"Ein direktes Eingreifen der Masse wird stets", so Michels, "gegen den Willen der Führer stattfinden." Früher oder später werde sich selbst in den sozialrevolutionärsten Parteien der Konservativismus der Führer durchsetzen.
Indem er Organisationen und ihre Entwicklung von den gesellschaftlichen Verhältnissen, aus denen sie entstehen, herauslöst, kann Michels auch nicht die konkreten Ursachen von Bürokra-tisierung und Elitebildung finden.
Er kann mit seiner "Soziologie" von SPD und Gewerkschaften vor allem nicht die wahren Hintergründe für das Entstehen einer mächtigen Arbeiterbürokratie seit der Jahrhundertwende herausfinden.

Die einfache Gleichsetzung von Organisation und bürokratischer Herrschaft einer Elite über die Masse fand und findet auch unter Sozialisten Anklang. So leiten die Autoren des 1932 erschienenen "Roten

Gewerkschaftsbuches" (Vgl. die Buchbesprechung von Ahmed Shah in Svu Nr.7 [1]) die Herausbildung einer den Kapitalismus unterstützenden Politik der Gewerkschaften aus deren "
Apparatisierung"
ab:"
(Die) Herausbildung einer von der Stimmung und Mentalität der Mitglieder sich immer weiter entfernenden Führung"

wird aus deren Wachstum und Größe abgeleitet, die über die Einführung von repräsentativen Körperschaften schrittweise zur Entmachtung der Mitglieder durch die Gewerkschaftsführer und deren Apparate geführt habe. Es sei richtig, "
daß die gewerkschaftliche Zentra-lisation – die aber eine Lebensnotwendig-keit für die Gewerkschaften ist – eine teilweise "
Fehlentwicklung"

zwangsläufig mit sich bringt." 2

Die Autoren betonen einerseits sehr richtig, daß eine moderne Gewerkschaftsbewegung ohne zentralistische Strukturen scheitern muß, daß die Zentralisation eine "Lebensnotwendigkeit" ist.
Andererseits führe aber eben diese Zentralisation zwangsläufig zur Bürokratisierung der Gewerkschaft und damit zur Verselbständigung des Apparats und der Führung von den Interessen der Mitgliedsbasis.
Die Zentralisation ihrer Organisation macht demnach ihre Mitglieder überhaupt erst kampffähig, um sie sogleich wieder ihrer Organisationswaffe zu berauben. Einen Ausweg aus diesem unauflöslichen Widerspruch können sie nicht aufzeigen. Sie verstärken damit unwillentlich die Resignation, vor der sie gerade warnen.3

Der russische Marxist W. I. Lenin hat dagegen die These vertreten, daß der Reformismus oder Opportunismus in der Arbeiterbewegung seine Grundlage innerhalb der Arbeiterklasse selbst hat.
In einem 1915 von Lenin verfaßten Aufsatz "Der Zusammenbruch der II. Internationale" heißt es:
"Der Opportunismus wurde im Laufe von Jahrzehnten durch die Besonderheiten jener Epoche in der Entwicklung des Kapitalismus erzeugt, als das verhältnismäßig friedliche und kulturelle Bestehen einer Schicht bevorzugter Arbeiter sie verbürgerlichte, ihnen Brocken von den Profiten des nationalen Kapitals abwarf und sie von den Nöten, Leiden und revolutionären Stimmungen der ausgebeuteten und verelendeten Massen trennte." 4

Die Epoche, von der Lenin spricht, ist die Epoche des Imperialismus und sie entspricht "im großen und ganzen dem Zeitalter der 2. Internationale (1889-1914)".
Die Schicht privilegierter Arbeiter nennt Lenin auch "Arbeiteraristokratie". Wie groß war ihre Schicht? Reformismus sei "das Bündnis einer geringen Anzahl von Arbeitern gegen die Masse des Proletariats."
Die ökonomischen Grundlagen dieser kleinen Arbeiteraristokratie sah Lenin vor allem im Imperialismus mit seinen Extraprofiten. Im Vorwort zu seinem Buch "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" schreibt Lenin 1920: "Es ist klar, daß man aus solchen gigantischen Extraprofit (denn diesen Profit streichen die Kapitalisten über
den Profit hinaus ein, den sie aus den
Arbeitern ihres "eigenen" Landes herauspressen) die Arbeiterführer und die
Oberschicht der Arbeiteraristokratie
bestechen kann. Sie wird denn auch
von den Kapitalisten der ‚fortgeschrittenen‘ Länder bestochen – durch tausenderlei Methoden, direkte und indirekte, offene und versteckte.

Diese Schicht der verbürgerten Arbei
ter oder der ‚Arbeiteraristokratie‘, in
ihrer Lebensweise, nach ihrem Ein
kommen, durch ihre ganze Weltan
schauung vollkommen verspießert, ist
die soziale (nicht militärische) Hauptstütze der Bourgeoisie. Denn sie sind
wirklich Agenten der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiter
bewegung, Arbeiterkommis [labor lieutenants of the capitalist
class], wirkliche Schrittmacher des Reformismus und Chauvinismus." 5

Der britische Marxist Tony Cliff hat 1957 die These Lenins, daß der Reformismus nur die engen Interessen einer winzigen Schicht bestochener Arbeiter widerspiegelt, kritisiert, indem er für Großbritannien nachwies, daß in Zeiten langer Aufschwünge des Kapitalismus wie vor 1914 und nach 1945 mehr oder weniger alle Teile der Arbeiterklasse bessere Lebensbedingungen erkämpfen konnten und daß die Lohndifferenzen zwischen den höchstbezahlten Facharbeitern und Ungelernten abnahmen. Arbeitszeitverkürzungen und gesetzliche Sozialreformen (Altersrenten, Unfall- und Krankenversorgung, Arbeitslosenunterstützung usw.) kamen ebenfalls allen Arbeitern zugute. Auch billige Lebensmittel aus den Kolonien steigerten den Lebensstandard aller Arbeiter. Die Kapitalisten warfen auch nicht freiwillig irgendeinem besonderen Teil der Arbeiterklasse "Brocken" ihrer Extraprofite zu. Selbst die bestbezahlten Arbeiterschichten mußten für Verbesserungen Druck durch ihre politische und gewerkschaftliche Macht erzeugen. Cliffs These war, daß sich der Lebensstandard aller Arbeiter und nicht nur einer kleinen Minderheit in den letzten hundert Jahren dramatisch verbessert hatte.

Dabei bestritt Cliff nicht den Zusammenhang von Imperialismus und Reformismus. Denn ohne den Imperialismus hätte der Kapitalismus vor 1914 nicht aus der Phase der langen wirtschaftlichen Depression (1875-1895) herausgefunden und wäre der wirtschaftliche Aufschwung nicht erst 1913 zum Stillstand gekommen. Indem er Lenins These von der bestochenen Arbeiteraristokratie zurückwies, zeigte er zugleich, daß die wirtschaftliche Basis des Reformismus wesentlich breiter war, als Lenin es angenommen hatte.
Cliff schrieb:
"Die Ausdehnung des Kapitalismus durch den Imperialismus ermöglichte es den Gewerkschaften und den Arbeiterparteien, für die Arbeiter dem Kapitalismus Zugeständnisse abzuringen, ohne ihn zu stürzen. Dies führt zur Entstehung einer großen reformistischen Bürokratie, die wiederum als Bremse gegen revolutionäre Tendenzen der Arbeiterklasse wirkt. Die Hauptaufgabe der Bürokratie ist es, zwischen Arbeitern und Bossen zu vermitteln, Abkommen auszuhandeln und zwischen den Klassen ‚Frieden zu stiften‘."

"Diese Bürokratie will den Kapitalismus nicht stürzen sondern prosperie-ren lassen. Sie sieht in den Arbeiterorganisationen keine revolutionäre

Kraft, sondern ein reformistisches Druckmittel. ["pressure group"]. Diese Bürokratie ist der wichtigste Ordnungsfaktor der Arbeiterklasse im Interesse der Kapitalisten. Sie ist eine zentrale konservative Kraft im modernen Kapitalismus."6

Zugleich wies Cliff auf die Grenzen des Reformismus hin:
"Aber die Bürokratie der Gewerkschaft und Arbeiterpartei kann als disziplinierende Kraft der Arbeiterklasse auf lange Sicht nur soweit effektiv sein wie die wirtschaftlichen Verhältnisse für die Arbeiter erträglich sind. Letztlich hat der Reformismus seine Basis in der Aufschwungphase des Kapitalismus."

Die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung zeigt die allgemeine Richtigkeit von Cliffs Thesen von 1957. "
Es zeigt sich allerdings, daß nicht jeder wirtschaftliche Aufschwung reformistische Illusionen stärkt und umgekehrt, daß nicht jede Krise automatisch den Reformismus schwächt."

Entstehung

Die Entstehung der deutschen Arbeiterbewegung als einer organisierten politischen Strömung fiel zeitlich mit der bürgerlichen Revolution zusammen, die 1848 ausbrach und 1871 durch die Bismarcksche "Revolution von oben" beendet war. Aus den vielen zersplitterten feudalen Fürstentümern war ein einheitlicher bürgerlicher Nationalstaat entstanden. Die Epoche war geprägt von einem rasanten Wachstum des bis dahin rückständigen deutschen Kapitalismus. Innerhalb von zwei Jahrzehnten stieg die Zahl der Industriearbeiter von einigen hunderttausend auf 5,7 Millionen, die dann schon fast ein Drittel aller Erwerbstätigen stellten. Die rasche wirtschaftliche Entwicklung und die damit verbundene zahlenmäßige Ausdehnung der Arbeiterklasse begünstigen das Wiedererstarken einer offensiven Gewerkschaftsbewegung. Zwischen 1869 und 1874 fanden in Deutschland mehr als 1000 Streiks statt, die mehrheitlich mit Siegen oder Teilsiegen der Arbeiter endeten. Zwischen 1850 und 1873 stiegen die Reallöhne tendenziell und die tägliche Arbeitszeit ging von 14 bis 17 Stunden im Jahr 1850 auf durchschnittlich 12 Stunden im Jahr 1873 zurück.

Politisch war diese Zeit durch die noch schwelende, nicht abgeschlossene bürgerliche Revolution geprägt. Als in den sechziger Jahren der Kampf zwischen Bürgertum und Adel sich erneut zuspitzte, entstanden zunächst unter politischer Führung und Kontrolle des liberalen Bürgertums einige hundert Arbeiterbildungsvereine.
Ehemalige Mitglieder des von Marx und Engels 1848 angeführten Bundes der Kommunisten benutzten die Plattform der bürgerlichen Arbeiterbildungsvereine, um aus diesen Organisationen des Bürgertums für Arbeiter eine Arbeiterpartei gegen den Kapitalismus zu schmieden.
So war es in Preußen Ferdinand Lasalle, der 1863/64 den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) gründete, im übrigen Deutschland Wilhelm Liebknecht und – unter dessen Einfluß – August Bebel, die zusammen 1869 mit Schwerpunkt in Süd-und Südostdeutschland die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) gründeten.

Helga Grebing, Mitglied der Grundwertekommission der SPD und Historikern der Sozialdemokratie behauptet, daß beide Parteien, ADAV und SDAP, "die Demokratisierung des Staates und der Gesellschaft mit den Mitteln der bürgerlichen Demokratie, durch Aufklärungsarbeit im Volk
und Eroberung der Mehrheit im Parlament" angestrebt hätten. 7
Das ist falsch, denn beide Organisationen verstanden sich als revolutionäre Parteien, auch wenn im Programm der Lasalle-aner aus taktisch-rechtlichen Gründen stand, daß sie ihr Ziel der Abschaffung der kapitalistischen Klassengesellschaft auf "friedlichem und legalen Wege" herbeiführen wollten.

In geschlossener Versammlung hat Lasalle seine Anhänger aber darauf hingewiesen, daß sie immer dann, wenn er die Einführung des allgemeinen, geheimen Wahlrechts verlange, "Revolution" verstehen sollten. 1848 hatte Lasalle in Düsseldorf an der Revolution teilgenommen und ein Haftstrafe von sechs Monaten abgesessen, weil er eine Düsseldorfer Bürgerwehr zum bewaffneten Widerstand aufgefordert hatte. Und auch im Hochverratsprozess in Berlin 1864 bekannte er sich zum Prinzip der Revolution im Gegensatz zur bloßen Reform. 8
Allerdings hat Lasalle in seiner Agitation den Eindruck vermittelt, als könne mittels des Wahlrechts, wenn es erst einmal erkämpft sei, die soziale Befreiung der Arbeiterklasse geschehen. In seinem "Offenen Antwortschreiben an das Zentralkomitee zur Berufung eines Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins zu Leipzig" schreibt Lasalle:

"Das allgemeine und direkte Wahlrecht ist also… nicht nur Ihr politisches, es ist auch Ihr soziales Grundprinzip, die Grundbedingung aller sozialen Hilfe. Es ist das einzige Mittel, um die materielle Lage des Arbeiterstandes zu verbessern." 9
Auch im Programm der Eisenacher spielte die Forderung nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts eine wichtige Rolle, aber von einer parlamentarisch-reformistischen Orientierung kann auch hier nicht die Rede sein. Der Stuttgarter Parteitag der SDAP (1870) verabschiedete eine Resolution, die eine klare Ablehnung einer parlamentarisch-reformistischen Orientierung aussprach: "Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei beteiligt sich an den

Reichs- und Zoll-parlamentswahlen
lediglich aus agitatorischen Gründen. Die Vertreter der Partei im Reichstag … haben, soweit es möglich, im Interesse der arbeitenden Klasse zu wirken, im großen und ganzen aber sich negierend zu verhalten und jede Gelegenheit zu benutzen, die Verhandlungen beider Körperschaften in ihrer Nichtigkeit zu zeigen und als Kofnödien-spiel zu entlarven. " 10

Der Mitbegründer Wilhelm Liebknecht hatte kurz zuvor in einem Vortrag, für dessen Inhalt er eine Gefängnisstrafe von drei Monaten absitzen mußte, noch offener und schärfer formuliert:
"Der Reichstag habe auch keine Macht; eine Kompanie Soldaten jage, selbst wenn wir darin die Mehrheit hätten, diese Mehrheit zum Tempel hinaus… Revolutionen würden nicht mit obrigkeitsstaatlicher Bewilligung gemacht; die sozialistische Idee könne nicht innerhalb des heutigen Staates verwirklicht werden; sie müsse ihn stürzen, um ins Leben treten zu können. Kein Friede mit dem heutigen Staat," ll

Die Differenz zwischen Bebel und Liebknecht war nicht prinzipieller, sondern
taktischer Natur. Bebel wollte nicht nur "negierend" wirken, sondern mit positiven Gesetzesvorschlägen zu den anstehenden Themen die sozialdemokratische Agitation glaubhafter machen, indem die Partei zeigt, daß sie zu allen wichtigen Fragen auch schon heute eine Antwort geben könne.
Bebel und Liebknecht wurden 1872 wegen ihrer revolutionären Ansichten von einem Leipziger Schwurgericht zu je zwei Jahren Festungshaft verurteilt. Bebel solidarisierte sich in einer Reichstagsrede mit der Pariser Kommune und kündigte den gemeinsamen Kampf der deutschen und französischen Klassenbrüder gegen die Annexion von Elsaß und Lothringen durch Reichskanzler Bismarck an. Sechs Jahre später äußerte Bismarck bei der Beratung des Sozialistengesetzes, es sei die Rede Bebels über die Pariser Kommune gewesen, die ihm die Gemeingefährlichkeit des Sozialismus vor Augen geführt habe.

Früher als in anderen Ländern entstanden so in Deutschland sozialistische Arbeiterparteien. Sie konnten enstehen, weil der rasche Aufschwung des Kapitalismus nicht nur eine zahlenmäßig große Arbeiterklasse hervorbrachte, sondern zugleich günstige subjektive und objektive Bedingungen bestanden. Subjektive Bedingung war, daß mit Ferdinand Lasalle und Wilhelm Liebknecht zwei intellektuelle Führerpersönlichkeiten wirkten, die von Marx und Engels Ideen schon 1848 im Bund der Kommunisten beeinflußt worden waren. Aber erst der wiederaufflammende politische Konflikt zwischen Bourgeosie und Adel schaffte die objektiven Voraussetzungen für einen Aufschwung der Arbeiterbewegung.

Tony Cliff bemerkt in seinem oben zitierten Aufsatz, daß "der Reformismus nicht von selbst stirbt, selbst dann, wenn die wirtschaftlichen Bedingungen, die ihn hervorgebracht haben, nicht mehr existieren." Wir haben im Fall von Deutschland in der Periode 1850-1874 die umgekehrte Erscheinung eines revolutionären Aufschwungs begünstigt durch einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der lange wirtschaftliche Aufschwung hatte zwar in den fünfziger Jahren alle revolutionären Tendenzen von 1848/49 erstickt. Die sechziger Jahre brachten jedoch eine zwar kleine, aber signifikante revolutionäre politische Strömung in der neu entstandenen Arbeiterklasse hervor. Dabei waren es vor allem die politischen Faktoren der nicht abgeschlossenen bürgerlichen Revolution und der politischen Unterdrückung der neuen Arbeiterbewegung durch das halbdiktatorische Bismarck-Regime, die dem Entstehen einer organisierten reformistischen Strömung zunächst im Wege standen.

Die Differenz zwischen Lasalleanern und Eisenachern in der Frage der Betonung der Bedeutung des allgemeinen Wahlrechts hätte unter anderen Bedingungen durchaus zur Herausbildung einer revolutionären und einer reformistischen Partei führen können.
Die Vereinigung der Parteien in Gotha 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschland (SAPD) öffnete zumindest ideologisch die Tür für zukünftige reformistische Tendenzen, indem sie sich bei der Durchsetzung ihrer Ziele auf "alle gesetzlichen Mittel" einschränkte. Marx klagte, daß seine Lehren bis dahin nicht einmal "hauttief" in die Arbeiterbewegung eingedrungen seien.

Depression

Aber die darauffolgenden eineinhalb Jahrzehnte führten umgekehrt zu einer Radikalisierung der Partei, die durch eine Kombination von sinkenden Reallöhnen bei verlängerter Arbeitszeit, konjunkturbedingten Arbeitsmangel, stetiger Existenzunsicherheit und verschärfter politischer Unterdrückung der politischen und gewerkschaftlichen Arbeiterorganisationen bedingt war. Aber auch hier haben die objektiven Bedingungen nicht automatisch und "von alleine" den revolutionären Sozialismus gestärkt. Friedrich Engels faßte in seiner Schrift "Anti-Dühring" (1877) seine und Marxens Ideen zum ersten Mal in systematischer und für breitere Parteikreise verständlicher Form zusammen. Die Schrift trug entscheidend dazu bei, die theoretischen Unsicherheiten in der SAPD auszuräumen, die durch Zugeständnisse an die Lasalleaner im Gothaer Programm zunächst zementiert schienen.

Der lange Aufschwung des Kapitalismus von 1850 bis 1873 war abrupt abgebrochen. Der Historiker Hans Ulrich Wehler schreibt, daß die deutsche Wirtschaft "eingebettet in eine weltweit wirkende Stockung … mit dem sechsjährigen Abschwung von 1873 bis 1879 nicht nur ihre längste, sondern ihre gravierendste Depression vor der Dritten Weltwirtschaftskrise seit 1929" durchmachte.
Von dieser Krise erholte sie sich in den achtziger Jahren nur sehr langsam. Hatte das Wachstum des Nettoinlandsprodukts vor 1973 jährlich etwa 3,3% betragen, so sackte dieses nach 1874 für zehn Jahr auf 1,1 % ab – also eine Verminderung um nahezu zwei Drittel. Profite, Zinsen, Preise und Reallöhne fielen drastisch ab. Erst 1895 wurde die Stagnation nachhaltig durchbrochen und macht einer neuen, stürmischen Wachstumsperiode Platz. Die Auswirkungen auf den allgemeinen Lebensstandard der Arbeiterklasse waren verheerend. Bei den Krupp-Werken, eines der größten Unternehmen, halbierte sich das Einkommen der Arbeiter von 1874 bis 1878.
Bis 1879 waren sie wieder auf den Stand vor 1869, d. h. um etwa ein Drittel gefallen. Zugleich nahm die Unterdrückung zu. In einem Zirkular der Geschäftsleitung der Krupp-Werke hieß es : "Jeder Ausdruck von Unzufriedenheit über die Ermäßigung der Löhne ist als Kündigung anzusehen." 12

Die tägliche Arbeitszeit stieg wieder auf 16 bis 17 Stunden an, zugleich breitete sich Akkordarbeit aus. Die Arbeitslosigkeit betrug zwischen 15 und 25 Prozent je nach Region und Wirtschaftszweig.
Am Tiefpunkt der Krise 1878 peitschte Bismarck das "Sozialistengesetz" durch den Reichstag, das die SAPD mit Ausnahme ihrer Reichstagsfraktion in die Illegalität zwang und zur weitgehenden Auflösung der Gewerkschaften führte. Über 1500 Parteiaktivisten wurden zum Teil zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, die Parteipresse wurde verboten und 900 Parteifunktionäre

wurden von ihren Wohnorten verbannt.

Erst in dieser Zeit faßten die revolutionären Ideen von Karl Marx und Friedrich Engels in breiten Kreisen der Parteimitgliedschaft Fuß. Die SPD-Historikerin Helga Grebing schreibt hierzu:

"Die aufgezwungen Isolierung hatte unter Parteiführern und Anhängern die Überzeugung gefestigt, daß die … Befreiung der Arbeiter ausschließlich das Werk der Arbeiterklasse selbst sein müsse. Die aggressive Sprache [?] von Marx und Engels … entsprach ganz und gar jener ‚denkbar schlimmsten Stimmung‘ des Hasses, der Verbitterung und der Empörung, die die Arbeiter während des Sozialistengesetzes allgemein beherrschte."

Und Eduard Bernstein schrieb 1911 in seiner ‚Geschichte der Berliner Arbeiterbewegung‘: "Es konnte bei dieser Polizeipraxis kaum anders sein, als daß in Berlin unter den geheim organisierten Parteimitgliedern die rabiate Richtung nunmehr die Oberhand erhielt." 13

Allerdings gab es in der Partei auch Kräfte, die das Verbot durch Liebedienerei und Mäßigung "bekämpfen" wollten und die für eine engere Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Demokraten plädierten. Sie stammten, wie Friedrich Engels verächtlich hervorhob, aus "jebildeten" Leuten. Die hereinbrechende Krise hatte auch in den besitzenden Klassen Verunsicherung erzeugt und aus der Reihen schlössen sich eine Reihe von Individuen der sozialistischen Richtung an, "um sich", wie der Parteihistoriker Franz Mehring 1903 äußerte, "an den Strahlen dieser aufgehenden Sonne zu wärmen." 14

In den achtziger Jahren setzten sich die bürgerlichen Elemente in der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion fest, wo sie zeitweise sogar die Mehrheit stellten und nahmen so Einfluß auf die offizielle Führung der Partei. (Die Führung lag wegen des Verbots der Parteitätigkeit durch das Sozialistengesetz bei dem einzig legalen Organ, der Reichstagsfraktion.)
Wie selbstbewußt dieses bürgerliche Element in der Reichstagsfraktion zeitweise auftrat, zeigt der Wahlaufruf der Fraktion zur Reichstagswahl 1884, in dem es heißt: "Der Stimmzettel ist das Werkzeug, mit dem Ihr den Staat nach Eurem Gefallen, zu Eurem Nutz und Frommen zurechtzimmern könnt. Ihr seid also im wahrsten Sinne des Wortes Eu-res Glückes Schmied." 15
Ähnlich hatte sich Lasalle in seinem "

Antwortschreiben"
1863 an die Mitglieder der Arbeiterbildungsvereine gewandt. Allerdings war es Lasalle damals darum gegangen, den Kampf um die Einführung des Wahlrechts für den Aufbau seines "
Arbeiterheeres"
, wie er seine Partei nannte, zu nutzen, während hier den Wählern direkt vorgegaukelt wurde, sie könnten durch den richtigen Gebrauch des Stimmzettels tatsächlich die Welt verändern.
Die Vertrauensleute der Berliner Sozialdemokraten, die für tausende Berliner

Mitglieder sprachen, drückten die an der Parteibasis damals vorherrschende revolutionäre Gesinnung aus, als sie 1886 der Reichstagsfraktion ihr Mißtrauen aussprachen und forderten, "daß die Verlegenheitssituation, die durch das Sozialistengesetz geschaffen worden ist, endlich beseitigt, das heißt, daß die Parteileitung nicht mehr ausschließlich durch die Fraktion respektive den Fraktionsvorstand gehandhabt werde."

Und im krassen Widerspruch zum Wahlaufruf der Fraktion von 1884 beschloß die Berliner Partei zur Bedeutung der Wahlbeteiligung:
"Wir messen der Beteiligung an der Reichstagswahl die Bedeutung eines guten Agitationsmittels zu, sie ist außerdem ein allerdings nicht ganz fehlerfrei funktionierendes Barometer, welches anzeigt, in welchem Umfange die Ideen der sozialdemokratischen Partei in die Massen der Wähler eingedrungen sind und wie weit der Zeiger der Weltenuhr vorgerückt ist." 16

Auf einem Parteikongreß in St. Gallen in der Schweiz Anfang Oktober 1887 konnten sich die Berliner gegen die Reichstagsfraktion in der Frage der Parlamentstaktik durchsetzen. Der Kongreß sprach sich gegen jeden Wahlkompromiß mit bürgerlichen Parteien aus, empfahl für Stichwahlen zwischen Gegnern Stimmenthaltung und betonte, daß in der parlamentarischen Tätigkeit "das Hauptgewicht auf die kritische und agitatorische Seite zu legen, positive Gesetzgebung aber nur in der Voraussetzung zu pflegen sei, daß über die Bedeutung und Tragweite dieser positiven Tätigkeit für die Klassenlage der Arbeiter in politischer wie in sozialer Beziehung keine Zweifel gelassen und keine Illusionen geweckt werden können." 17

Friedrich Engels hatte in dieser Zeit mehrmals den Bruch mit dem "bürgerlichen Lager" gefordert. Als Grund, warum gerade in der Reichstagsfraktion dieses bürgerliche Lager so stark war, nannte Engels die Diätenlosigkeit der Reichstagsabgeordneten, die Bismarck bei der Einführung des allgemeinen Wahlrechts 1867 durchgesetzt

hatte. "Eine Arbeiterpartei hat da nur die Wahl", schrieb er 1892, "zwischen Arbeitern, die sofort gemaßregelt werden und dann leicht als Parteipensionäre verlumpen, oder Spießbürger, die sich selbst ernähren, aber die Partei blamieren." 18

Der Sieg des Marxismus in der Sozialdemokratie drückte sich in der Verabschiedung des Erfurter Programms 1891 aus, das sich auf die Marxsche Kapitalismusanalyse stützt. Darin heißt es, daß der "Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat immer erbitterter [wird]… Der Abgrund zwischen Besitzenden und Besitzlosen wird noch erweitert durch die im Wesen der kapitalistischen Produktionsweise begründeten Krisen, die immer umfangreicher und verheerender werden, die allgemeine Unsicherheit zum
Normalzustand der Gesellschaft
erheben und den Beweis liefern, daß die Produktivkräfte der heutigen Gesellschaft über den Kopf gewachsen sind, daß das Privateigentum an Produktionsmittel unvereinbar geworden ist mit deren zweckentsprechender Anwendung und voller Entwicklung."
Das Programm spiegelt die Erfahrungen der Arbeiterklasse in der langen Depression zwischen 1873 und 1895 wider. Aber es hatte, wie Friedrich Engels damals schrieb, "einen großen Fehler. Das, was eigentlich gesagt werden sollte, steht nicht drin". 19

Aus Furcht vor einer Erneuerung des Sozialistengesetzes, das 1890 aufgehoben wurde, verzichte das Programm darauf, die Mittel und Wege zu nennen, die zu seiner Durchsetzung erforderlich sei. Die Partei erwecke dadurch den Eindruck, "alle ihre Forderungen auf friedlichem Wege durchzuführen".
Engels wußte, daß zu diesem Zeitpunkt die große Mehrheit der Mitglieder und der politischen Führung anders dachte. Aber er sah im Schweigen zu dieser Frage eine schwere Hypothek für die Zukunft: "Eine solche Politik kann nur die eigene Partei auf die Dauer irreführen," schrieb er und fügte hinzu:

"Was kann dabei herauskommen, als
daß die Partei plötzlich im entscheidenden Moment ratlos ist, daß über die entscheidensten Punkte Unklarheit und Uneinigkeit herrscht, weil diese Punkte nie diskutiert worden sind…"

Reformismus

Eben dies trat schließlich ein. Als 1918 die Revolution kam, war die Partei längst über eben diese "entscheidensten Punkte" gespalten und handlungsunfähig. Die Revolution wurde von der Sozialdemokratie nicht zum Sieg geführt, sondern im Stich gelassen und verraten. Die Partei hatte sich von einer revolutionären in ein reformistische Partei gewandelt.

Wie konnte dies geschehen? Der Reformismus vor 1891 hatte zwei Wurzeln. Eine haben wir bereits genannt: bürgerliche Elemente, die in den siebziger Jahren in die Partei geströmt waren und die von da an zusammen mit einem Teil der Reichstagsfraktion einen rechten Flügel bildeten. Ihr Sprachrohr wurde später die Theoriezeitschrift "Sozialistische Monatshefte". 20 Ein zweites Element waren die neuen Mitglieder und Parteifunktionäre in den ländlich rückständigeren Gebieten, wo die Klassengegensätze zwischen Kapital und Arbeit sich noch nicht voll enfaltet hatten und kleinbürgerliche Einflüsse überwogen.

Friedrich Engels hatte 1884 bereits auf diese Bedeutung des Bewußtseins- und Erfahrungsgefälles als mögliche Basis für rechte Führer hingewiesen: "Wir können nicht die Masse der Nation zu uns herüberziehen, ohne daß diese Masse sich allmählich entwickelt. Frankfurt, München, Königsberg können nicht plötzlich so ausgesprochen proletarisch werden wie Sachsen, Berlin, die bergischen Industriebezirke. Die kleinbürgerlichen Elemente unter den Führern werden momentan in den Massen hier und da den Hintergrund finden, der ihnen bisher fehlte. Was bisher reaktionäre Strömung bei einzelnen, kann sich jetzt als notwendiges Entwicklungselement -lokal – bei den Massen reproduzieren." 21

Auch Lenin wies 1908, einige Jahre bevor er die oben dargestellte Theorie der Arbeiteraristokratie entwickelte, auf das Kleinbürgertum als Basis des Reformismus in der Arbeiterbewegung hin. Auf die Frage, warum der Reformismus, der auch als "Revisionismus" bezeichnet wurde, eine unvermeidliche Erscheinung sei, antwortete er:
"Weil in jedem kapitalistischen Land neben dem Proletariat immer auch

breite Schichten des Kleinbürgertums, der Kleinbesitzer stehen… Eine ganze Reihe von ‚Mittelschichten‘ werden vom Kapitalismus unausbleiblich geschaffen… Diese neuen Kleinproduzenten werden ebenso unausbleiblich wieder in die Reihen des Proletariats geschleudert." Es sei "ganz natürlich, daß die kleinbürgerlichen Weltanschauungen in den Reihen der großen Arbeiterparteien immer wieder zum Durchbruch kommt." 22

In den neunziger Jahren war dies auch der Fall, als das damals noch wenig industrialisierte Süddeutschland (Bayern, Baden) zur Hochburg eines rechten, revisionistischen Flügels wurde. Dieser Flügel fand schließlich 1896 einen erfahrenen und angesehenen Theoretiker, Eduard Bernstein, der ursprünglich zu den bürgerlichen Elementen (bis 1879) gehört hatte, sich dann zum Marxismus bekannte und schließlich diesen "revidierte" (1896).
Zum Ausgangspunkt seiner Kritik am Marxismus macht Bernstein dessen Kernpunkt, die Krisentheorie des Kapitalismus. Bernstein schrieb 1928 rückblickend, daß es gerade das Ausbleiben des von Friedrich Engels in den achtziger Jahren vorsichtig vorausgesagten "Weltkrachs", also eines katastrophalen Zusammenbruchs der Weltwirtschaft, der ihm die Fehlerhaftigkeit der Marxschen Theorie gezeigt hätte. Die Krise sei ausgeblieben:

"Im Gegenteil setzte um die Mitte der neunziger Jahre in Europa und besonders in Deutschland ein Aufschwung der Geschäfte ein, wie man ihn lange nicht gekannt hatte." 23
Dieser im Frühjahr 1895 einsetzende Aufschwung dauerte bis 1913 und löste so die lange Stagnationskrise des Kapitalismus ab. Die Dynamik dieses Epoche kann nur mit dem Entwicklungstempo in den Hochkonjunkturphasen der deutschen Industriellen Revolution zwischen 1850 und 1873 verglichen werden. Ulrich Wehler schreibt:" Welche Meßwerte für die jetzt explosiv expandierende industriewirtschaftliche Leistungskraft man auch immer heranzieht, sie bestätigen, daß die Deutschen damals ihr erstes "Wirtschaftswunder" erlebten." 24 Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate während der gesamten Periode von 1895 bis 1913 lag mit 3,3% dreimal so hoch wie in der Periode der langen Depression zuvor.

Den Anstoß hierfür gab die imperialistische Kolonialpolitik, an der sich alle Industrieländer zugleich und in Konkurrenz gegeneinander beteiligten.
Der durchschittliche Stundenlohn war in der Periode 1967-73 sehr rasch um 45% angestiegen, von 1873-79 um 15 % gefallen, in den 13 Jahren von 1882 bis 1895 um 27% langsam wieder angestiegen, um dann von 1895 bis 1913 um 54% rasch und anhaltend zu steigen. Die Lohndifferenzen zwischen den bestbezahltesten Facharbeitern und den ungelernten Arbeiterinnen waren zwar immer noch groß, nahmen aber mit zunehmender Industrialisierung ab, so daß nicht nur die bestbezahlten Facharbeitergruppen wie Dreher, Schlosser, Buchbinder am Aufschwung teilhatten, sondern auch die Un- und Angelernten. Die tägliche Arbeitszeit sank langsam aber stetig auf 9 bis 10 Stunden 1913.
Ulrich Wehler schreibt über die politischen Folgen dieses steilen Wirtschaftsaufschwungs:
"Der anhaltende Reallohnanstieg bleibt [jedoch] das hervorstechendste Merkmal der Epoche. Ohne ihn läßt sich der Aufstieg des sozialdemokratischen Reformismus, das Scheitern radikaler Ideologie und Politik nicht verstehen."

Wie konnte es jedoch zu diesem "Aufstieg des sozialdemokratischen Reformismus" kommen, der so gründlich war, daß 1914 bei Ausbruch des ersten Weltkriegs von der einst so stolzen revolutionären Tradition fast nichts mehr übrig geblieben war?
"Das kleinbürgerliche Element", das sich schon vor 1890 in der SPD-Reichstagstagsfraktion festgesetzt hatte, fand nun nicht mehr nur in den industriell wenig entwickelten Regionen Süddeutschlands (90er Jahre), sondern allmählich und immer mehr in den rasch erstarkenden Gewerkschaften
eine mächtige soziale Basis. Dabei war es nicht so, daß alle jene revolutionären Arbeiter, die in der heroischen Phase gegen die Partei unter großen Opfern aufgebaut hatten, plötzlich mit Anstieg ihrer Löhne reformistisch zu denken begannen. Neue Arbeitermassen strömten in die Partei und in die Gewerkschaften, die durch neue Erfahrungen geprägt wurden. Zu Zeit der Sozialistengesetze hatte die Partei unter hunderttausend Mitglieder, 1905 waren es 380.000 und 1913 über l Mio. Mitglieder. Die Zahl der Wähler steig von 1,4 Mio. (1890) auf 4,2 Mio. (1912).

Gleichzeitig war das Gewicht der Gewerkschaften gegenüber der politischen Partei enorm gewachsen. 1887 gewann die SPD bei der Reichstagswahl etwa zehn Mal soviel Wählerstimmen (760.000) als es Gewerkschaftsmitglieder gab (ca. 70.000). 1912 hatte die SPD 4,25 Mio. Wähler gegenüber 2,5 Mio. Gewerkschaftsmitgliedern.
In den rasch wachsenden Gewerkschaften wuchs der SPD eine neue Mitgliederbasis heran, deren Erfahrungen immer stärker durch die materiellen Erfolge ihrer eigenen Kämpfe und die allmähliche Verbesserung ihres Lebensstandards auf dem Boden der bestehenden kapitalistischen Produktionsverhältnisse geprägt war. Noch 1893 sagte August Bebel den Gewerkschaften eine düstere Zukunft voraus: "Aus ganz natürlichen und selbstverständlichen Ursachen wird den Gewerkschaften ein Lebensfaden nach dem anderen abgeschnitten. Das einzige, was angesichts der drückenden Übermacht des Kapitals helfe, sei der politische Kampf." 25

Die tatsächliche Entwicklung verlief für die nächsten zwanzig Jahr jedoch genau umgekehrt, wie Bebel es vorausgesagt hatte. Die Gewerkschaften errangen mehr oder weniger kontinuierliche Erfolge. Der Tageskampf trat in den Vordergrund, während der Kampf gegen den Kapitalismus zurücktrat. Eduard Bernstein und seine Anhänger lieferten 1896-98 in einer Aufsatzreihe der "Sozialistischen Monatshefte" die Theorie für das um sich greifende Nurgewerkschaftertum, d.h. für die Trennung
von politischem und gewerkschaftlichem Kampf.
Zum Verhältnis von Reform und Revolution sagte er: "Dieses Ziel, was immer es ist, ist mir gar nichts, die Bewegung alles." 26

Der Versuch Rosa Luxemburgs und der revolutionären Linken in der Partei, die revolutionäre Taktik zu verteidigen, indem sie den Kampf um den politischen Massenstreik (1905) auf die Tagesordnung setzte, scheiterte am Widerstand der Gewerkschaften. Auf dem Kölner Gewerkschaftskongreß 1905 wurde eine Entschließung bei nur 7 Gegenstimmen angenommen, worin die Propagierung des politischen Massenstreiks für "verwerflich" und "undiskutabel" erklärt wurde.
Das "bürgerliche Element", das seit den siebziger und achtziger Jahren in der Sozialdemokratie als "reaktionäre Strömung einzelner" (Engels) zu finden war, gewann mit der Aufhebung des Sozialistengesetzes Anfang der neunziger Jahre zunächst eine kleinere Basis in den stark noch traditionell kleinbürgerlich geprägten Regionen Süddeutschlands. Ab 1896 hatten sich die Einzelnen zu einer Fraktion mit eigenem Theorieorgan entwickelt, die sich in den folgenden zehn Jahren mit den Gewerkschaftsführern zu einer immer mächtigeren politischen Kraft in der SPD verband.
Georg Fülberth hat versucht, die Leninsche These von der Arbeiteraristokratie auf die Entwicklung der SPD vor 1914 anzuwenden. Es müsse festgehalten werden, schreibt er, "daß Entlohnung und Funktion der besserbezahlten Arbeiter in ihrem Verhältnis zu anderen Arbeiterkategorien, also im Zuge einer fortschreitenden Differenzierung der Arbeiterklasse, die zentrale Voraussetzung des neuen… Reformismus waren." 27

Dafür gibt er allerdings keine Beweise. Richtig ist, daß die besserbezahlten Facharbeiter auch in höherem Maße organisiert waren und deshalb in den Gewerkschaften und in der SPD auch stärker vertreten waren. Das beweist jedoch nicht, daß sie deshalb "im Verhältnis zu anderen Arbei-terkategorien" konservativer und sozialpartnerschaftlicher eingestellt waren.
Richard Müller, Sprecher der revolutionären Obleute der Berliner Metallbetriebe im ersten Weltkrieg, schildert in seiner Geschichte der Deutschen Revolution, wie sich die politische Einstellung der Berliner Metallarbeiter durch die Kriegserfahrung plötzlich radikalisierte. Er zeigt am Beispiel der Generalversammlung des Berliner Bezirks des Deutschen Metallarbeiterverbandes (DMV), wie durch die Kriegserfahrung eine kleine Gruppe revolutionärer Arbeiter unter den neuen Bedingungen des Krieges plötzlich großen Einfluß erhielten. Müller schreibt, daß der Berliner Bezirksleiter Adolf Cohen als prominenter Vertreter des rechten Flügels, "seit Jahrzehnten diese aus ca. 2.000 Vertrauensleuten der Metallindustrie zusammengesetzte Körperschaft [beherrschte]. Er hat niemals eine politische oder parteipolitische Diskussion zugelassen…"

Im März 1916 errang eine revolutionäre Strömung jedoch die Kontrolle über die Generalversammlung. An der Spitze dieser
revolutionären Strömung standen, wie Müller betont, die Dreher: "Die Dreher waren eine organisatorisch festgefügte, für die Produktion ausschlaggebende Gruppe. Sie stellten gewissermaßen das Herz des industriellen Großbetriebs dar. Sie wurden… am besten entlohnt und arbeiteten

auch sonst unter günstigeren Verhältnissen als andere Branchen." 28

Der Krieg selbst hat dem Reformismus, der Vorstellung einer allmählichen und kontinuierlichen Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse durch‘ gewerkschaftliche Kämpfe einerseits und politische Reformarbeit in den Parlamenten andererseits den Boden entzogen. Der wirtschaftliche Kampf konnte unter den Bedingungen des Kriegs nicht mehr vom politischen getrennt werden.
In der Epoche vor 1914 war der Reformismus ein "notwendiges Element" der gesamten europäischen Arbeiterbewegung geworden. Die Expansion des Kapitalismus auf der Basis des Imperialismus hatte es den Gewerkschaften und den Arbeiterparteien ermöglicht, dem Kapitalismus Zugeständnisse abzutrotzen, ohne ihn zu stürzen. Dies – und nicht ein "ehernes Gesetz der Organisation" – führte zur Herausbildung einer großen reformistischen Bürokratie, die ihrerseits wieder zum Hemmschuh einer revolutionären Entwicklung der Arbeiterklasse wird. Die wichtigste Funktion der Bürokratie ist es, sich als Schlichter zwischen die Arbeiter und die Kapitalisten zu stellen, zwischen ihnen zu vermitteln und Friedensverträge zwischen den Klassen auszuhandeln. Diese Bürokratie will den gesunden Kapitalismus, nicht seinen Sturz. Sie sieht in den Arbeiterorganisationen keine revolutionäre Kraft, sondern eine Art Reformlobby, um Druck auszuüben. Diese Bürokratie ist die wichtigste Ordnungsmacht der Arbeiterklasse im Interesse des Kapitalismus. Aber die Bürokratie in Partei und Gewerkschaft kann auf Dauer ihre Ordnungsfunktion nur solange wirksam ausführen, wie die wirtschaftlichen Lebensverhältnisse der Arbeiter erträglich sind. In letzter Instanz ist der wirtschaftliche Aufschwung des Kapitalismus die Basis für den Reformismus.

1913 übernahm dieser Flügel mit der Wahl Friedrich Eberts zum Nachfolger August Bebels auch formell und, wie sich zeigen sollte, endgültig die Führung über die SPD. Die Früchte eines fünfzigjährigen, opferreichen Kampfes um den Aufbau einer Partei der Arbeiterklasse für die Arbeiterklasse wurde damit zunichte gemacht. Denn die Partei betätigte sich von nun in entscheidenden historischen Momenten nicht mehr als Totengräber des Kapitalismus, sondern als dessen Arzt: 1914-18 stand sie auf der Seite des deutschen Imperialismus im Weltkrieg, 1919 ließ sie die Revolution und ihre besten Vertreter durch rechte Freikorps meucheln, 1933 streckte sie kampflos die Waffen vor dem Ansturm von Hitlers braunen Horden.
In der Zeit zwischen 1913 und 1945 geriet der Weltkapitalismus in jene tiefe Krise, die Marx vorausgesagt hatte.

Krise

1938 schrieb der russische Marxist Leon Trotzki:
"Die wirtschaftliche Voraussetzung der proletarischen Revolution hat sich schon seit langem bis zum höchsten Stand entwickelt, der unter dem Kapitalismus erreicht werden kann. Die Produktivkräfte der Menschheit haben aufgehört zu wachsen… Unter den Bedingungen der sozialen Krise des gesamten kapitalistischen Systems setzen die Konjunkturkrisen die Massen immer größeren Entbehrungen und Leiden aus." 29
Die Bedingungen von Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und Faschismus hatten zu Beginn der dreißiger Jahre die Basis des Reformismus gründlich zerstört. Trotzki schrieb, daß die Arbeiterbewegung die "Epoche des faulenden Kapitalismus

betreten (habe), wo nicht mehr die Rede sein kann von systematischen Sozialreformen oder von der Hebung des Lebensstandards der Massen, wo die Bourgeoisie sich jedesmal mit der rechten Hand das doppelte, .. und wo jede ernsthafte Forderung des Kleinbürgertums unausweichlich über die Grenzen des kapitalistischen Eigentums und des bürgerlichen Staates hinausführt." 30

Durch den zweiten Weltkrieg und die sich anschließende permanente Rüstungswirtschaft (Vgl. den Aufsatz von Andreas Berlin in diesem Heft) hat der Kapitalismus erneut einen Ausweg aus der Krise gefunden und eine ähnlich lange Wachstumsphase erlebt wie vor dem ersten Weltkrieg. Mit dem neuen langen Aufschwung hat auch der Reformismus eine neue, sehr breite Basis in der Arbeiterklasse gefunden.
Mit dem Wiedereintritt der Krisentendenzen seit Mitte der siebziger Jahre ist jedoch diese Basis erneut in Frage gestellt. Die Krise hat jedoch noch nicht die Tiefe erreicht, die sie zwischen den Weltkriegen erreicht hatte. Wir sind jedoch bereits an dem Punkt, wo ernsthafte Forderungen der Arbeiterklasse im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung des Lebensstandards der Arbeiterklasse auf dem Boden des Kapitalismus nicht mehr möglich sind. Das schließt keineswegs aus, daß Teile der Arbeiterklasse und die Arbeiterklasse als Ganze nicht auch heute noch durch Kämpfe Erfolge durchsetzen kann. Aber es ist überall die Bourgeoisie, die unter dem Druck der anhaltenden Stagnationskrise zum Angriff auf die in den letzten vierzig Jahren erkämpften Reformen übergeht und so den relativen Klassenfrieden der letzten Jahrzehnte zerstört.
Wenn jedoch ernsthafte Reformen im Sinne kontinuierlicher Verbesserungen unter dem Kapitalismus nicht länger möglich sind, dann rückt auch das Ende der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie und das Ende des Reformismus näher. Ein Theoretiker der SPD, Fritz W. Scharpf, hat dies bereits 1987 erkannt, als er über die heutige Sozialdemokratie schrieb: "Ihre eigene historische Stunde könnte dann erst wiederkehren, wenn es in der Politik noch einmal um die Verteilung der Wohltaten eines langen kapitalistischen Aufschwungs gehen sollte." 31

Ein solcher langer Aufschwung ist seitdem in noch weitere Ferne gerückt. Natürlich verschwindet der Reformismus nicht automatisch und von allein, wenn die Bedingungen, die ihm ursprünglich Leben und Kraft gaben, wegsterben. Viele Ideen schleppen sich in der Geschichte auch dann noch weiter fort, wenn ihre materielle Basis längst verschwunden ist. Das Ende des Reformismus wird durch die bewußte Propaganda und Agitation revolutionärer Sozialen herbeigeführt werden. Aber diese Arbeit wird ihnen durch jeden Arbeitslosen mehr, durch jeden Tarifbruch der Kapitalisten und durch jede Kürzung von früher einmal erkämpften Sozialreformen erleichtert, denn der von den Kapitalisten zerstörte Waffenstillstand durch Klassenkampf von oben wird unvermeidlich den Klassenkampf von unten neu entfachen.
Die heutigen Führer der Sozialdemokratie sind unrechtmäßige Eroberer, Usurpatoren. Ihre Monopolstellung als politische Führung der Arbeiterklasse zu brechen, ist die Aufgabe revolutionärer Sozialisten heute. Die reformistische SPD-Führung ist bis heute ängstlich bemüht, die revolutionären Ursprünge der Sozialdemokratie zu verleugnen. Die revolutionäre Tradition der SAPD wird neu entstehen und der Triumph der Bourgeoisie wird sich als zu früh erwiesen haben.


Anmeldung

1 A. Enderle, H. Schreiner, J. Walcher, E. Weckerle: "Das rote Gewerkschaftsbuch", 1932.
2 a. a. O., S. 94

3 Um dem kapitulatorisch-resignativen Effekt ihrer Analyse zu begegnen, fügen die Autoren hinzu, daß die Herausbildung einer konservativen Führungsschicht in den Gewerkschaften "nicht lediglich eine unvermeidliche Folge der Apparatisierung ist, sondern in erster Linie das Ergebnis der reformistischen, den kapitalistischen Staat bejahenden Politik und Tätigkeit der Gewerkschaften unter ihrer sozialdemokratischen Führung." In dem Augenblick, "wo diese Führung falle und die Gewerkschaften wieder als grundsätzliche Gegner des kapitalistischen Systems auftreten, … würde auch eine grundlegende Änderung des ganzen Gewerkschaftsapparates und seiner Bürokratie eintreten." Dieses tautologische Argument, das den Reformismus aus seiner schlechten Politik erklärt, stellt die Reihenfolge von Ursache und Wirkung auf den Kopf. Denn nicht die Appa-ratisierung hat zum Reformismus geführt, sondern der Reformismus und die Bürokratisie-rung haben ihre Wurzeln in der Passivität der Mitglieder.

4 Lenin, Sinowjew: "Gegen den Strom", Aufsätze aus den Jahren 1914-16, 1921,5. 162
5 Lenin, a. a. O., Werke, Bd. 22, S. 198
6 Tony Cliff: "Economic roots of reformism", in: "Neither Washington nor Moscow", London 1982

7 Helga Grebing: "Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung", München 1970, S. 65
8 Zur Frage der revolutionären Gewalt antwortete Lasalle mit Rücksicht auf die Staatsanwaltschaft: "Aber die Frage der Mittel hängt von der politischen Konjunktur ab, von dem, was praktisch ist unter gegebenen Umständen. In den Jahren 1848 und 1849 war man bei den damaligen praktischen Umständen zu ganz anderen Mitteln aufgelegt als jetzt. In Bezug auf die Frage, ob und inwiefern Gewalt anzuwenden sei, behalte ich mir vor mich jederzeit nach
den jedesmaligen praktischen Umständen zu entscheiden." (Ferdinand Lassalles Gesamtwerke, 2. Band, S. 232, Leipzig o. J.)

9 a.a.O., S. 37
10 August Bebel: "Aus meinem Leben", Berlin 1964,5.327
11 a. a.D., S. 369
12 Hans-Ulrich Wehler: "Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1848-1914", München 1995, S. 559

13 Eduard Bernstein: "Die Geschichte der Berliner Arbeiter-Bewegung", Berlin 1907, Zweiter Band, S. 199
14 Franz Mehring: "Geschichte der Deutschen Sozialdemokratie", Bd. 2, Berlin 1960, S. 479
15 zit. nach D. Fricke: "Die Deutsche Arbeiterbewegung 1869-1890", Leipzig 1964, S. 279

16 Eduard Bernstein, a. a. O., S. 205
17 ebd., S. 228
18 D. Fricke, a. a. O., S. 274
19 zitiert nach W. I. Lenin: "Über Deutschland und die deutsche Arbeiterbewegung", Berlin 1960, 5.106

20 Die Zeitschrift wurde 1995 gegründet und trug zunächst den Titel "Sozialistischer Akademiker", aber 1897 dann "Sozialistische Monatshefte", ab 1898 erschien als Beilage noch "Der Sozialistische Student".
21 D. Fricke, S. 283
22 Lenin: "Über Deutschland…", S. 104

23 Eduard Bernstein: "Sozialdemokratische Lehrjahre", Berlin 1991, S. 213
24 U. Wehler, a. a. O., S. 596
25 FUnfundsiebzig Jahre Indusrtriegewerkschaft, herausgegeben vom Hauptvorstand der IG Metall, Frankfurt 1966
26 Eduard Bernstein, a. a. O, S. 214

27 Jutta von Freyberg, Georg Fülberth, Jürgen Harrer u. a.: "Geschichte der deutschen Sozialdemokratie", 1989, 5.44. Fülberth weist zu Recht darauf hin, daß der Vormarsch der Revisionisten keineswegs unaufhaltsam war und zeigt politische Schwächen und Unklarheiten der Marxisten. Er schreibt: "Zu den Ursachen für die Niederlage der Marxisten gehört die Tatsache, daß diese auf organisatorische Konsequenzen ihres Gegensatzes zu den Reformisten verzichteten. Als sie noch die Mehrheit der Partei bildeten, versäumten sie es, die pro-nonciertesten Wortführer des Revisionismus aus der Partei auszuschließen. Bald darauf in die Minderheit gedrängt, hielten sie eine feste Fraktionierung innerhalb der Partei, welche zum Kristallisationskern einer neuen Organisation hätte werden können, offensichtlich nicht für nötig." (S. 50) Diese Versäumnisse seien erst unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg korrigiert worden.

28 Richard Müller: "Geschichte der deutschen Revolution", Bd. l, S. 95f. Fülberth versucht diesen Widerspruch zu seiner These zu erklären, indem er behauptet, daß die Belegschaften in der Maschinenbauindustrie "nicht nach Funktionen und Bezahlung gespalten waren" und deshalb ihre Facharbeiter zur revolutionären Avantgarde der deutschen Arbeiterbewegung gehörten. Müllers Darstellung widerspricht dem jedoch.

29 Trotzki: "Der Todeskampf des Kapitalismus"
30 ebd.
31 Fritz W. Scharpf: "Sozialdemokratische Krisen-politikin Europa", Frankfurt, 1987, S. 335

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