Senftenberg: Nicht mehr nachgeben

Politiker behaupten, die Montagsdemonstrationen würden immer kleiner. In Senftenberg stehen sie wie ein Baum.


Rainer Roth ist Mitorganisator der Montagsdemonstrationen in Senftenberg und Mitglied der Wahlalternative

In Senftenberg sollte der brandenburgische SPD-Ministerpräsidenten Platzeck in Zukunft dunkle Gassen meiden. In einem offenen Brief warnt er vor einer Minderheit „grölender, tobender, pfeifender und stark alkoholisierter Menschen“, die Senftenberg zu einer „Hartz IV-Krawallhochburg“ machen wolle. Gemeint sind mehrere hundert Menschen, die mit Trillerpfeifen, Tröten, Buh-Rufen und Hupen verhindert hatten, dass Platzeck bei einem Wahlkampfauftritt seine Propaganda für Hartz IV verbreiten konnte.
Doch Platzecks Plan, mit dem Brief die Proteste gegen Hartz IV in den Dreck zu ziehen, geht nicht auf. Sogar der Bürgermeister hat uns verteidigt. Einige Senftenberger haben Platzeck wegen Verleumdung angezeigt.
Er ist in Brandenburg der Handlanger von SPD-Kanzler Schröder. Die Menschen hier wissen das. Sie müssen sich keinen Mut antrinken, um zu entscheiden, dass er zu den Politikern gehört, von denen wir hier nichts mehr hören wollen. Die Menschen hier sind politisch. Sie suchen nach einer neuen Politik, die ehrlich für die Interessen der Menschen eintritt. Viele haben „Heuchler“ und „Handlanger“ gerufen, als Platzeck die Bühne betreten hat.
Die Gründung der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit als Partei ist auch in Brandenburg wichtig. Nach den Wahlen werden wir merken, dass auch die PDS in der Regierung nicht das halten wird, was sie jetzt verspricht – nämlich Hartz IV zu kippen. In Berlin sind die PDS-Senatoren an der Umsetzung von Hartz IV beteiligt. Die Wahlalternative ist genau, was hier fehlt: eine Alternative zu sozialen Kürzungen. Dafür können wir in Brandenburg Hunderttausende gewinnen. Denn die Wahlalternative steht für Umverteilung von oben nach unten.
Seit der ersten Montagsdemo Anfang August demonstrieren jeden Montag allein in Senftenberg Tausende gegen Hartz IV. Jede Woche schließen sich mehr Menschen an. Dadurch ist ein großes Solidaritätsgefühl entstanden. Es ist das Gefühl, nicht mehr hilflos und allein zu sein, gegen eine Politik, die uns einengt. Es ist ein neues Gefühl von Freiheit, dass man gemeinsam etwas bewegen und eine Politik durchsetzen kann, von der wir wirklich etwas haben.
Ich fühle mich immer mehr an die Zeit vor der Wende 1989 erinnert. Ein großer Teil der Leute hier hat wie damals die Schnauze voll. Die Menschen wollen nicht mehr nachgeben, sondern weitermachen, bis Hartz IV weg ist. Noch sind wir nicht genug, um wie 1989 die Regierung zu kippen. Aber ich bin überzeugt, dass der Unmut bei so vielen Leuten bald Ausmaße erreichen wird, die Platzeck nicht mal aus seinen schlimmsten Alpträumen kennt. 1989 haben wir gelernt, dass Hunderttausende, die das gleiche wollen und tun, alles erreichen können. In Senftenberg sind viele dafür bereit.von Rainer Roth, Senftenberg

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