Wir lassen die Nazis nicht marschieren

Helge Meves vom Landesvorstand der WASG Berlin baut ein Bündnis gegen den NPD-Aufmarsch am 8. Mai in Berlin auf. Linksruck sprach mit ihm darüber, wie man die Rechten zurückdrängen kann.

Die NPD ist in Schleswig Holstein mit der Forderung nach Arbeit und sozialer Gerechtigkeit aufgetreten. Ist die NPD sozial?

Die faschistischen und nationalsozialistischen Parteien haben schon im letzten Jahrhundert versucht, populär gewordene soziale Forderungen, Symbole, Lieder der Arbeiterbewegung zu übernehmen und auszunutzen. Das Horst-Wessel-Lied zum Beispiel ist die Umdichtung eines Liedes des kommunistischen Dichters Willi Bredel, das er für den Rotfrontkämpferbund geschrieben hatte. Das hinderte die Nazis nicht, ihre Kopie ab 1933 zur zweiten Nationalhymne zu machen. Klar ist allerdings, dass das Horst-Wessel-Lied genauso wenig kommunistisch ist wie die Politik der Nazis durch solcherart Etikettenschwindel sozial. Nach ihrer Machtübernahme 1933 hat die NSDAP als erstes die Gewerkschaften zerschlagen.

Was ist deiner Meinung nach der Nährboden für Nazis?

Für das Aufkommen der Neonazis gibt es einige Gründe. Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt sagt in einem Interview für die Nationalzeitung, wie sie durch den Sozialabbau wachsen können: „Wir sollten den Schöpfern der ‚Reformen’ dankbar dafür sein, dass sie es volkstreuen Parteien nun leichter machen, den Bürgern zu erklären, dass die Politik auf der ganzen Linie versagt hat.“ Selbst wenn man von diesem Zynismus auf Kosten der Ärmsten angewidert ist, wird man kaum widersprechen können. Insofern ist die Situation heute vergleichbar mit dem Aufkommen der Neonazis Mitte der 60er. Die alte Bundesrepublik kam in ihre erste Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosenzahlen schnellten erstmalig nach dem zweiten Weltkrieg in die Höhe. Arbeitsmigranten, Ausländer, Migrantenkinder der zweiten und dritten Generation konnten die Nazis damals wie heute zu Sündenböcken machen.

Die heutige Situation ähnelt also früheren. Aber was ist heute anders?

Die Neonazis können heute direkt am Versagen der neoliberalen Globalisierung anknüpfen. Globalisiert wird bekanntlich die Wirtschaft, aber nicht die politischen, sozialen und ökologischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. Das ist eine Globalisierung, wie wir sie nicht wollen. Die meisten Menschen wurden davon schlichtweg überrollt, ohne jede Einflussmöglichkeit. Infolgedessen kann eine nationalistische oder gar völkische Antwort als das kleinere Übel oder als eine Gegenposition erscheinen. Holger Apfel hat in der letzten Woche im sächsischen Landtag das „Nein“ der NPD zur EU-Verfassung damit begründet, „dass die Entscheidung über die vorgelegten Gesetzesinitiativen nicht von einer demokratisch legitimierten Legislative in unserem Land, sondern von einem überwiegend ausländischen Ministerrat, einem fremden Exekutivgremium aus derzeit 25 Ländern getroffen wird.“ Und zu dem in der EU-Verfassung vorgeschriebenen Wachstumszwang sagte er, „dass er ausschließlich eine Folge des Zins- und Profitzwanges des Finanzkapitals ist. Meine Damen und Herren, so wird wenigstens deutlich, wer die eigentlichen Hintermänner der Europäischen Union sind!“ Hier wird die Demagogie der Nazis deutlich. Die Nazis übernehmen ein Thema der Linken – und unterlegen ihm eine vollkommen falsche Begründung. Damit schüren sie Vorurteile und Hass gegen Ausländer, Fremde und Juden. Das ist genauso professionell wie widerlich.

Was ist die NPD?

Die NPD ist keine Briefkastenpartei, wie man es von der DVU durchaus sagen konnte. Sie verfolgt seit Jahrzehnten mit Konsequenz und Ausdauer und mit programmatischer, medialer und personeller Arbeit ihre Ziele. Sie knüpft Netzwerke, die von den Freien Kameradschaften über Naziläden, alte und neue Nazis bis hin zu den Multiplikatoren der braunen Szene reicht. Für sie sind alle Mittel legitim, die zur Propagierung und Erreichung ihrer Ziele dienen, sei es ein Antrag in einem Landtag, die Schaffung national befreiter Zonen, eine Demonstration oder schlichtweg physische Gewalt bis hin zu Mord und Totschlag. Bezeichnend ist, dass auf dem letzten NPD-Parteitag erstmals ein Vertreter der militanten Freien Kameradschaften in den NPD-Vorstand gewählt wurde. Der gerade gewählte Thorsten Heise war früher Vorstand der 1995 verbotenen „Freiheitlich Deutschen Arbeiterpartei“ und ist unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch und Nötigung vorbestraft.

Wie will die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit die NPD stoppen?

Die NPD kämpft, wie sie selbst sagt, um Köpfe, Straßen und Parlamente. Man muss ihr auf allen Ebenen begegnen, um sie zu stoppen und zurückzudrängen. Organisationsverbote, wie zuletzt von zwei Freien Kameradschaften in Berlin, schaden nicht. Sie nützen aber auch nichts, weil sich die Nazis wieder neu organisieren. Wir benötigen Aufklärungsarbeit, müssen uns ihnen auf der Straße entgegenstellen und brauchen auch eine parlamentarische Wahlalternative. Die bestehenden parlamentarischen Parteien können offensichtlich keine glaubwürdige Alternative zur heutigen neoliberalen Politik anbieten. Deshalb ist es zentral, dass wir mit der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit eine neue linke Kraft aufbauen. Sonst könnte die NPD als Alternative erscheinen, wie zum Beispiel in Sachsen.

Wie bereitet ihr euch auf die Gegenkundgebung am 8. Mai vor dem Brandenburger Tor in Berlin vor? Werdet Ihr Euch den Nazis auch direkt in den Weg stellen?

Wir werden im Vorfeld der Gegenkundgebung Infoveranstaltungen machen. Dafür bereiten wir thematische Flugblätter und eine Mobilisierungszeitung vor. Diese Veranstaltungen und das Material bieten wir unter anderem auch unseren ostdeutschen Landesverbänden an. So können wir gemeinsam für die Gegenkundgebung mobilisieren. Dies alles ist in unsere Bündnispolitik eingebettet. Wir wollen ein breites und mächtiges Bündnis gegen die Nazis von der Antifa über die Demokratischen Sozialisten, Sozialdemokraten, Liberale bis hin zu Konservativen. Für manche im Bündnis ist das nicht einfach, weil sie in einigen Bündnispartnern die Verantwortlichen für den Sozialabbau sehen. Aber wir brauchen ein solches breites Bündnis, um die Nazis zu stoppen. In einem anderen Zusammenhang muss man bestimmte Positionen der Anderen ja nicht teilen. Letztlich sind wir uns alle bei der Gegendemonstration einig: „Wo Du bist, kann kein Nazi stehen.“

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