Kämpfen statt wählen

Die Wahl zum Präsidenten wird zwischen zwei rechten Kandidaten entschieden. Mehr Demokratie kann nur die Bewegung auf der Straße bringen.


Demonstration vor dem Evin-Gefängnis, in dem Oppositionelle gefoltert und ermordet werden

Die Konzerne der Mullahs

6 Prozent der iranischen Frauen und 4 Prozent der Männer sind Analphabeten. Die Lebenserwartung liegt bei über 70 Jahren 74 Prozent der Iraner benutzen Verhütungsmittel. 65 Prozent leben in Städten. Teheran hat fast 7 Millionen Einwohner.

60 Prozent sind unter 20 Jahren. Ab 15 darf gewählt werden.

Etwa die Hälfte der Bevölkerung arbeitet im Dienstleistungsbereich oder für den Staat. 1,8 Millionen Iraner studieren, davon 60 Prozent Frauen. Über die 3,5 Millionen Anschlüsse berichten 100.000 Iraner im Internet regelmäßig über ihr Leben.

80 Prozent der Exporterlöse stammen aus dem Öl, das von staatlichen islamischen Organisationen kontrolliert wird. Diese finanzieren das Sozialsystem, entwickelten sich aber zu Konzernen, die auch an Börsen aktiv sind.

Während Rafsandschani dadurch Millionär wurde, leben mehr als 40 Prozent der Iraner in absoluter Armut. 2,5 Millionen Drogenabhängige und die Zunahme der Prostitution sind die Folge der tiefen Spaltung der Gesellschaft.

Mit Rafsandschani, der schon von 1989 bis 97 Präsident war, und dem Teheraner Bürgermeister Ahmadinedschad stehen am Freitag zwei Mörder zur Wahl. Rafsandschani hat in seiner Regierungszeit jeden Widerstand gegen seine Diktatur mit Gewalt niedergeschlagen. Auch Ahmadinedschad hat tausende politische Gefangene ermorden lassen. Beide lehnen die Demokratie ab.

Die Reformkandidaten, die in ihrem Wahlkampf Demokratie, Menschenrechte und das Ende der Mullah-Diktatur forderten, sind gescheitert. Sie werfen den Siegern Wahlbetrug und Stimmenkauf vor.
Obwohl die Wahl wichtig ist, stimmten nur 65 Prozent der Iraner ab. Von den iranischen Kurden beteiligten sich 10 Prozent.

Viele sind von den „Reformern“ enttäuscht, weil sie die letzten acht Jahre nichts erreicht haben, obwohl ihr Vertreter Chatami Präsident war. Der Angestellte Akbar E. erklärte: „Indem ich nicht wähle, stimme ich gegen das System.“

Auch die Studenten-Aktivistin Azadeh T. ging nicht zur Wahl. Sie sagt: „Letztes Mal habe ich Chatami gewählt. Auf dem Campus hat er heulend zugegeben, dass er als Präsident keine Macht hat, demokratische Verhältnisse gegen die Mullah-Diktatur durchzusetzen.“

Doch immer mehr Studierende, Jugendliche, Frauen und Arbeiter schließen sich der Freiheitsbewegung an und fordern grundlegende Verbesserungen. Diesen Monat unterschrieben 2000 Menschen einen Aufruf des Schriftstellervereins für die Freilassung politischer Gefangener, obwohl sie legal verurteilt wurden. Eine Woche vor der Wahl demonstrierten tausende in Teheran vor dem Evin-Gefängnis.

Obwohl auch US-Präsident Bush behauptet, für Demokratie in Iran einzutreten, halten die Menschen die US-Regierung für ihren Feind. Denn seit Jahren drohen die USA, Iran anzugreifen.

Wie beim Krieg gegen den Irak begründen sie den möglichen Angriff mit angeblichen Massenvernichtungswaffen in Iran und der Unterstützung von Terroristen durch die herrschende Diktatur. Laut dem ehemaligen UN-Waffeninspektor Scott Ritter „ist der Krieg gegen Iran über seine Vorbereitungsphase hinaus“.

Von den Aktivisten in Iran glaubt niemand, dass die USA ihnen Freiheit und Demokratie bringen. Sohrab Mukhtari, Sohn eines vom Staat ermordeten Schriftstellers, erklärt, dass „die Großmächte nie einem Land etwas Gutes gebracht haben. Es geht ihnen nicht um Demokratie, sondern um die Kontrolle der Ölpreise. Die Menschen wissen, dass kein Krieg jemals Freiheit gebracht hat, sondern wie im Irak nur eine neue Form der Unterdrückung.“

Trotzdem hat Rafsandschani als Präsident Kontakte zu den USA aufgebaut und Kürzungen und Preissteigerungen durchgeführt, um Kredite von der Weltbank zu bekommen. Weil er Streiks und Proteste brutal niederschlug, bezeichnete ihn die US-Regierung als Führer des Wiederaufbaus nach dem Krieg gegen den Irak von 1980 bis 88. „Doch bis auf den Industriellen half das niemandem“, meinte der Bankangestellte Shain T. vor der Wahl. „Alle kennen Rafsandschani als Dieb und Schlächter.“

Im Wahlkampf spielte er sich als Verteidiger gegen den drohenden US-Angriff auf. „Viele meiner Kollegen, die Rafsandschani wählen werden, wollen lieber, dass die US-Konzerne uns die Ölmilliarden abnehmen, als dass Bush uns mit Bomben plattmacht“, meinte Shain weiter.

Doch auch nach den Wahlen wehren sich viele Menschen gegen die Diktatur. Jede Regierung wird von der Bevölkerung unter Druck gesetzt. Alle können sehen, dass die Herrschenden sie betrügen.

Rafsandschani wird von der Weltbank und der iranischen Industrie unterstützt. Er wird wie in seiner ersten Amtszeit die Forderungen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds erfüllen und Sozialabbau betreiben.

Der Arbeiterführer Mohssen Hakim, der viele Male ins Gefängnis geworfen wurde, hat die namentliche Unterstützung von 7000 Arbeitern für die Gründung unabhängiger und antikapitalistischer Gewerkschaften gesammelt. Jedes Mal, wenn er aus dem Gefängnis kam, wurde er von jubelnden Massen auf Händen getragen.

Dieses Jahr haben Aktivisten bisher zehn linke Jugendzeitschriften gegründet, die von der internationalen globalisierungskritischen Bewegung und der Arbeiterbewegung berichten. Diese Freiheitsbewegung hat die Chance, mehr Demokratie und Gerechtigkeit im Iran zu erkämpfen.

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