Sozialabbau abgestraft

Rot-Grün ist abgewählt und Schwarz-Gelb gescheitert. Das Bündnis von WASG und Linkspartei hat am meisten Stimmen dazu gewonnen, weil es glaubwürdig gegen Sozialabbau und Billiglöhne mobilisiert hat.

Der Erfolg der Linkspartei verbessert die Chancen von Gewerkschaften und anderen sozialen Bewegungen, erfolgreich Widerstand gegen Sozialabbau zu leisten: „Soziale Gerechtigkeit und Solidarität haben eine gesellschaftliche Mehrheit. Das Wahlergebnis sollte uns ermutigen, das Meinungsklima weiter zu beeinflussen und Druck von unten zu organisieren“, so Peter Wahl vom Koordinierungskreis des globalisierungskritischen Netzwerks Attac.

Die Wähler haben Kanzler Schröders „Agenda 2010“, das größte Sozialabrissprogramm seit 1945, abgelehnt. Die SPD hat verglichen mit der letzten Wahl 2002 (ohne den Wahlkreis Dresden I) 2,4 Millionen Stimmen verloren. 1 Million SPD-Wähler sind zum Linksbündnis von WASG und Linkspartei gewechselt, die gemeinsam mit Gewerkschaftern, Attac und vielen anderen gegen Hartz IV und die „Agenda 2010“ protestiert haben.

Die SPD konnte noch größere Verluste nur verhindern, weil sie sich im Wahlkampf als Verteidigerin von Arbeiterrechten und Sozialstaat gegen noch schärferen Sozialabbau der CDU aufspielte. 46 Prozent der SPD-Wähler gaben an, dass für sie die Frage sozialer Gerechtigkeit entscheidend war.

Dem SPD-Vorsitzenden Müntefering gelang es teilweise, an die weit verbreitete antikapitalistische Stimmung anzuknüpfen. Laut Spiegel-Umfrage meinen 73 Prozent der Ost- und 50 Prozent der Westdeutschen, dass Karl Marx‘ Kritik am Kapitalismus heute noch Sinn macht.

CDU und CSU haben zusammen 1,9 Millionen Stimmen verloren. Zu Beginn des Wahlkampfs erreichte die CDU in Meinungsumfragen bis zu 49 Prozent. Sie verlor, als Kanzlerkandidatin Merkel ihre Giftliste für Arbeiter und Arbeitslose vorstellte: Noch niedrigere Steuern für Unternehmer, Kopfpauschale, Mehrwertsteuererhöhung, Streichung von Steuervergünstigungen für Schicht- und Feiertagsarbeiter und so weiter. Als die CDU das Konzept von Paul Kirchhoff mit vollständiger Privatisierung der Altersvorsorge und 25 Prozent Steuern für alle übernahm, brach sie endgültig ein.

Das Bündnis von WASG und Linkspartei ist der größte Gewinner. Es bekam 2,2 Millionen Stimmen mehr als die PDS 2002, obwohl alle anderen Parteien und die großen Medien eine Hetzkampagne gegen die Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine (WASG) und Gregor Gysi führten.

Viele Menschen haben die Linken gewählt, weil sie dem politischen System misstrauen: Laut einer Emnid-Umfrage ist das Vertrauen in politische Parteien von 41 Prozent (1995) auf 17 Prozent gesunken. Für 52 Prozent der Wähler der Linken war ihre Enttäuschung über die neoliberale Allparteien-Koalition im Parlament ausschlaggebend. 430.000 Linkspartei-Wähler hatten 2002 nicht gewählt.

Während nach einer Umfrage CDU und SPD bei Arbeitern verloren haben, besonders deutlich die CDU mit 6 Prozent, war die Linke unter Arbeitern und Erwerbslosen mit 12 beziehungsweise 23 Prozent überdurchschnittlich erfolgreich.

Diesen Erfolg hatte die Linkspartei, weil sie sich als Stimme des sozialen Protests dargestellt hat. Laut Emnid meinen 79,8 Prozent, dass gegen soziale Missstände zu wenig protestiert wird.

Die Linke hat sowohl eine schwarz-gelbe als auch eine rot-grüne Mehrheit verhindert. Sie hat zudem der Nazi-Partei NPD mit 1,6 Prozent einen Rückschlag verpasst. Diese hat zwar mit 740.000 mehr als dreimal so viele Stimmen bekommen wie 2002.

Durch den Linkspartei-Wahlkampf gegen Sozialabbau konnte sich die NPD aber nicht mehr zur Partei der „Quittung für Hartz IV“ aufspielen. Der NPD-Vorsitzende Voigt sagte zu Recht, das Bündnis aus WASG und Linkspartei sei gebildet worden, „um den Einzug der NPD in den Bundestag zu verhindern“. Die Nazis bekamen jetzt in Sachsen 4,9 Prozent, wo sie bei den Landtagswahlen vor einem Jahr 9,2 Prozent erreicht hatten.

Darüber hinaus haben die sozialen Bewegungen mit der Linken jetzt einen Bündnispartner im Parlament, um den Widerstand gegen die sozialen Angriffe der neuen Regierung aufzubauen und auszuweiten.

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