Prodi und die Linke

Letzte Woche brachte Italiens Mitte-Links-Regierungskoalition unter Premier Romano Prodi keine eigene Mehrheit für die Verlängerung des italienischen Afghanistan-Mandats zustande, weil sich zwei Linke Senatoren enthielten (einer von der Rifondazione Comunista, der andere von der Kommunistischen Partei). Zuvor hatte der Außenminister Massimo D’Alema ein leidenschaftliches Plädoyer für den weiteren Einsatz von italienischen Soldaten in Afghanistan gehalten, in dem er das italienische Engagement für eine „Friedenskonferenz“ und für wirtschaftliche Entwicklung des geschundenen Landes beschwor. Unmittelbar nach Scheitern der Abstimmung erklärte Prodi seinen Rücktritt und die Krise war perfekt. Jetzt bastelt er auf verschärfter politischer Grundlage eine neue Koalition zusammen.

Die Rifondazione Comunista (RC) spielt eine unrühmliche Rolle, weil sie trotz des hohen politischen Preises dafür, an der Prodi-Regierung festhält. So hat RC den prinzipientreuen, dissidenten Senatoren bereits ausgeschlossen und ist bereit, u.a. folgende Kröten des neuen Koalitionsvertrages zu schlucken:

  • Einhaltung aller außenpolitischen „Bündnisverpflichtungen“
  • Mehr Machtbefugnisse für Romano Prodi
  • Verzicht auf die im früheren Koalitionsvertrag vorgesehenen Gleichstellungsmaßnahmen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. (Dieser Paragraph wurde gestrichen, um christdemokratische Kreise für die Regierungskoalition zu gewinnen.)
  • Das alles wird damit begründet, dass bei Scheitern einer neuen Koalition unter Führung Prodis, die Rechten unter Berlusconis Führung die Macht übernähmen. Diese Gefahr ist real. Es ist jedoch fraglich, ob das Festhalten der Linken an einem Bündnis mit Prodi wirklich ein „kleineres Übel“ ist. Erstens verspielt die Linke hier ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie sich zum Fürsprecher für imperialistische Auslandseinsätze macht. Zweitens wirkt das demobilisierend auf die Friedensbewegung zurück, weil sie politisch und ideologisch verunsichert und zudem organisatorisch geschwächt wird. Drittens kann sich Berlusconi um so mehr als oppositioneller Volkstribun aufspielen, wenn die Linke auch soziale Verschlechterungen in Regierungsverantwortung mit trägt, anstatt den Widerstand gegen Neoliberalismus zu mobilisieren. So ist es Berlusconi beispielsweise vor zwei Monaten gelungen, über eine Million Menschen gegen die Steuererhöhungen der Prodi-Regierung auf die Straße zu bringen. Die Bosse gaben den Arbeitern vielerorts extra für diese Demo frei und versuchen so eine gemeinsame Front gegen die Linke aufzustellen.

    Dieses Debakel ist Lehrreich für die neue Linke in Deutschland. Es zeigt sich, dass in der gegenwärtigen Epoche ohne Zustimmung zum Imperialismus keine bundespolitische Regierungsbeteiligung zu haben ist. Als die imperialistische Agenda in Italien auf der Kippe stand, löste Prodi deswegen prompt die Regierungskoalition auf. Es zeigt sich auch wie dieser Fakt dazu führt, dass sich innerhalb der Linken Kräfte auftun, die den Imperialismus schön reden und jede pauschale Antikriegsposition aufzuweichen versuchen. Diese Diskussion gibt es auch in der neuen Linken hier – siehe die schwammige Formulierung zu Auslandseinsätzen im gegenwärtigen Programmentwurf.

    Wir sollten die Debatte praktisch zuspitzen mit der Ablehnung des Afghanistan-Einsatzes. Konkret geht es um die Abstimmung über die Entsendung deutscher Tornados. Die Linksfraktion wird bei der Abstimmung am 28. Februar geschlossen dagegen stimmen und plant, eine Liste aller SPD-Abgeordneten zu veröffentlichen, die dafür gestimmt haben. Es wäre eine super Gelegenheit, um vor Ort Protestaktionen vor deren Abgeordnetenbüros zu machen. Die Friedensbewegung plant darüber hinaus lokale Aktionen am 28. Februar, am 3. März und natürlich mit den Ostermärschen. Schaut euch vor Ort um was läuft und versucht, euch mit den Linke-Gruppen zu beteiligen.

    Zweitens zeigt sich, wie stark das Argument des kleineren Übels verfängt – erst recht, wenn das größere Übel eine derart hässliche Fratze trägt wie Berlusconi. Ähnliche Debatten könnten zB. in Hessen wichtig werden, wenn sich nach der Landtagswahl 2008 eine rechnerische Mehrheit von SPD, Grünen und Linke gegen Koch ergäbe. Aber auch jetzt ist die Auseinandersetzung mit dem Argument des kleineren Übels wichtig, zB. bei der Auseinandersetzung mit der Landespolitik des rot-roten Senats in Berlin.

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