Die Politik der Gewerkschaftsführungen steht einem konsequenten Kampf gegen Sozialabbau im Weg.Schröders Sozialabbau spaltet die Gewerkschaften. Einige Gewerkschaftsführer, wie der Chef der IG BCE, Hubertus Schmoldt, unterstützen offen Schröders Kurs.
Andere wie der IG-Metall Chef Klaus Zwickel rufen zwar zum Widerstand, warnen aber vor einer "vollen Konfrontation". Zwickel empfahl seinen Mitgliedern allen Ernstes das Schreiben von Protest-e-mails als probates Mittel gegen den größten Angriff auf den Sozialstaat seit 1945.
Dabei wäre es ein leichtes für Zwickel, ganz andere Kräfte zu mobilisieren. Die IG Metall ist mit 2,7 Millionen Mitgliedern die größte Industriegewerkschaft der Welt. Ihre Kampfkraft kann Sozialabbau stoppen. 1997 verhinderten Streiks in Metallbetrieben die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die konservative Regierung Kohl, die das Gesetz zur Kürzung der Lohnfortzahlung durch das Parlament gebracht hatte, war geschlagen.
Warum zögern die Gewerkschaftsführer, diese Kraft gegen die Sozialabbau einer SPD-Regierung einzusetzen?
Zwickel und Co. stehen von zwei Seiten unter Druck. Auf der einen Seite steht sie unter dem Druck ihre Mitgliedschaft – die will Taten sehen. Auf der anderen Seite steht sie unter dem Druck der Bosse und der SPD-Führung, Kompromisse zu schließen, die die Profite der Bosse und die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Standorts nicht gefährden.
Die Gewerkschaftsführung versucht zwischen beiden, Kapital und Arbeit, zu vermitteln und schwankt. Sie organisiert Kämpfe, um die Bosse zu beeindrucken, aber letztendlich dämpft sie die Kämpfe, um die Kontrolle darüber nicht zu verlieren. Das Ergebnis: Kompromisse, die die Ziele der Arbeiter weit verfehlen.
Während des Nachkriegs Boom machte das wenig aus. Es war in der Regel möglich, die meisten Verbesserungen ohne Kampf zu erreichen.
Der Wiederkehr der ökonomischen Krisen und die Zunahme der Konkurrenz und Instabilität des Systems machten die Spielräume für Reformen enger und die Umverteilungskämpfe härter. So hart, daß die Kämpfe zunehmend die Logik des Kapitalismus selber in Frage stellen müssen, um erfolgreich zu sein. Die daraus folgende Radikalisierung fürchtet die Gewerkschaftsführung – sie stellt ihre Vermittlerrolle in Frage.
Historisch hat das wieder und wieder in die Katastrophe geführt. In der Wirtschaftskrise 1931 sagte der einflussreiche Vorsitzende der Holzarbeitergewerkschaft, Fritz Tarnow auf dem SPD-Parteitag in Leipzig, man müsse "der Wirtschaft diejenigen Mittel sichern, die sie nach der kapitalistischen Wirtschaftstechnik braucht". Gewerkschaften und SPD heilten still, als Reichskanzler Brüning im Auftrage des BDI-Vorläufers "Reichsbund deutsche Industrie" die Sozialsysteme zerschlug. Folge war eine Massendemoralisierung der eigenen Anhängerschaft, die Hitler Tür und Tor öffnete.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Gewerkschaftsführung quasi mit der SPD verheiratet ist. In diese Ehe gibt es eine Arbeitsteilung – die Gewerkschaften sorgen sich um den ökonomischen Schutz der Arbeiter, die SPD um ihre politische Vertretung in Parlament.
Aber mit ihren politischen und ökonomischen Beinen stehen beide auf dem gleichen Fundament – dem Glauben, daß wesentliche Veränderungen nur über das Parlament kommen können, und daß das kapitalistische System nicht abgeschafft, sondern besser verwaltet werden soll. Der Logik diese Politik heißt letztendlich: Keine Konfrontation, sondern Kooperation auch mit den Hundts und Clements dieser Welt.
Es gibt zwar wichtige Differenzen zwischen linken und rechten Gewerkschaftsführern wie zum Beispiel den IG-Metall-Vize Peters auf der einen und Schröder-Freund Schmoldt auf der anderen Seite. Aber wenn der Kampf hart wird, wirkt ihr Vermittlerdasein und ihre Politik als bremsender Faktor auf alle Teile der Gewerkschaftsbürokratie.
Manchmal beugt sich die Führung dem Druck von unten und ruft zum Kampf auf, um dem Druck von oben Stand zu halten. Das ist gut, weil es der Anfang für eine echten Gegenwehr sein kann. Oft schwanken sie vor oder während des Kampfes, kommen unter Druck von Seiten der Arbeitgebern und der SPD und rufen die Arbeiter frühzeitig zurück.
Deshalb sollen wir von einer alten Maxime der revolutionäre Arbeiterbewegung lernen: Mit den Bosse nie, mit den Arbeitern immer und mit der Gewerkschaftsführung manchmal. Wenn Gewerkschaftsführer gegen die Bosse schießen und zu Protesten aufrufen, sind wir mit ihnen. Wenn sie ohne Anlaß den Rückzug befiehlt, sind wir gegen sie.
Die Gewerkschaften gehören nicht angekettet an die Politik der SPD. Sie sollten eine Politik betreiben, die die Arbeiterbewegung gegen das Marktchaos und dessen ideologische Befürworter bewaffnet. Dafür brauchen wir um die Politik der Gewerkschaften einen Kampf von unten.
Und dafür brauchen wir eine Organisation die aktiv an den Tageskämpfen der Arbeiter teilnimmt, aber die sich unabhängig von der Sozialdemokratie organisiert – eine Partei, die sich an den klassenbewußtesten Teil der Arbeiter orientiert und versucht, ihm zu helfen, andere weniger Selbstbewußte für eine Politik im Interesse der Gesamtklasse zu gewinnen.
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