Teile und herrsche

Die Besatzung facht den Bürgerkrieg im Irak an.


Immer mehr irakische Kinder müssen von dem leben, was sie auf Müllkippen finden, oder betteln, weil ihre Eltern keine Arbeit haben

Bomben auf Märkte, Mörderbanden, Anschläge auf Moscheen. Blutige sektiererische Gewalt macht sich im Irak breit, und nun droht ein neuer ethnischer Krieg von Kurden gegen Araber und Turkmenen im Norden des Landes.

Während der letzten beiden Jahre hat sich die Zahl der Entführungen, Morde und Bombenanschläge vervielfacht. 2003 gab es ein Selbstmordattentat mit über 50 Zivilopfern, 2004 waren es vier, 2005 fünf und 2006 sechs. Im Januar diesen Jahres starben bei vier Anschlägen jeweils 70, 88, 73 und 137 Zivilisten.

Obwohl fast alle diese Greueltaten von namenlosen, maskierten Gangstern verübt wurden, wird uns weisgemacht, die Wurzel des Konflikts liege in der Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten. Befürworter der Besatzung sagen, dass die US- und britischen Besatzungstruppen wenig Möglichkeiten haben, diesen alten Groll zu heilen.

Sie verbreiten den gefährlichen Mythos, dass das Problem im Irak nicht die Besatzung sei, sondern die Spaltungen unter den Irakis und die eigenen mörderischen Tendenzen des Volkes. Sie deuten damit an, dass die Tötungen durch die US- und britischen Truppen nicht nur gerechtfertigt, sondern das einzige Schutzschild gegen Chaos seien. In Wirklichkeit haben die Besatzer das politische Leben zielstrebig vergiftet. Die gegenwärtige Explosion sektiererischer Gewalt ist das Ergebnis.

US-Beamte haben schon lange das Bild einer entlang religiösen und ethnischen Grenzen gespaltenen Gesellschaft gezeichnet. Nach dem Einmarsch 2003 beruhte ihre Strategie im Umgang mit ihren irakischen Bündnispartnern auf der Annahme, dass die exilierten Politiker, die im Tross der US-Armee zurückkehrten, die wahren Vertreter ihrer jeweiligen religiösen und ethnischen „Gemeinden“ seien.

Diese Herangehensweise birgt zwei Probleme. Das erste ist die Annahme, dass Iraker in erster Linie „Schiiten“ oder „Sunniten“, „Kurden“, „Araber“ oder „Turkmenen“ sind, die nur von Mitgliedern ihrer eigenen Sekte oder ethnischen Gruppierung vertreten werden können. Das zweite Problem ist, dass – mit Ausnahme der wichtigsten kurdischen Parteien – die irakischen Parteien, die die Besatzung befürworteten, nur wenig Unterstützung unter der Mehrheit der Iraker hatten.

Die Folge war eine verzweifelte Drängelei unter diesen Parteien um den Zugriff auf die staatlichen Ressourcen. Im Mittelpunkt stand ihr Anteil an den 12 Milliarden US-Dollar irakischer Gelder unter der Kontrolle der USA. Auf Geheiß der US-Beamten wurden die Ministerien entlang sektiererischer Trennungslinien vergeben.

Während die wirkliche Macht in den Jahren 2003 bis 2004 bei der von US-Beamten kontrollierten Koalitions-Übergangsverwaltung lag, stritten sich zahnlose irakische Regierungen, ob das Innenministerium sunnitisch oder schiitisch sei. Obwohl die Pro-Besatzungspolitiker das Land nicht regieren konnten, gelang es ihnen, Ministerien in Instrumente der Vetternwirtschaft zu verwandeln, die Jobs und Vergünstigungen im Tausch für mehr Einfluss verteilten.

Vor allen Dingen wurde der Staat zu einer Brutstätte für Milizen, die größtenteils ethnisch oder sektiererisch organisiert waren und die Politik ihrer Mutterorganisationen widerspiegelten. Diese politische Vorgehensweise zusammen mit der Auflösung der irakischen Armee und anderer Institutionen bilden den Hintergrund für das explosionsartige Wachstum von nichtstaatlichen Milizen wie der Mahdi-Armee von Muktada al-Sadr und den sunnitischen islamistischen Gruppen.

Währenddessen schreitet die Privatisierung der Besatzung voran. Gegenwärtig operieren mindestens 48.000 „private Soldaten“ im Irak, neben dem halben Dutzend Geheimmilizen unter US-Kontrolle.

Es ist die Logik imperialer Besatzung, welche die treibende Kraft hinter der sektiererischen Gewalt bildet. Sie ist die Konsequenz des Versuchs von US- und britischen Beamten, ein Land zu kontrollieren, in dem die Mehrheit ihre Anwesenheit ablehnt.Es ist die klassische Kolonialstrategie: Um die Gegner der Besatzung in Schach zu halten, wähle man einige lokale Eliten, die bereit sind, mit einem zu kooperieren, gebe ihnen die nötige militärische Rückendeckung und beteuere die eigene Unschuld, wenn der Konflikt ausbricht.

Den horrenden Todeszoll im Irak haben die US- und britischen Truppen entweder direkt verursacht oder er ist das Ergebnis von Spaltungen, welche die Besatzung geschürt hat. Die Besatzer haben bewusst den Boden für sektiererische Zwietracht in der Bevölkerung gelegt.

Je länger sie bleiben, desto mehr werden sie den Irak schädigen. Je schneller sie gehen, desto eher werden die anti-sektiererischen Kräfte neuen Schwung bekommen.

Anne Alexander ist Autorin von „Iraq: Rise of the Resistance“ in International Socialism 105.
Aus dem Englischen von David Paenson

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