Das Parlament hat nicht die Macht

Die Bosse pfeifen – Schröder springt. Das Parlament ist unfähig. der wirtschaftlichen Macht etwas entgegenzusetzen.

Standpunkt: Wir müssen uns organisieren

Parteien haben einen schlechten Ruf – zu Recht. Die SPD ist eine Partei, die sich wählen lässt, um dann nicht das zu tun, wofür die Wähler gestimmt haben. Auch die Grünen und die PDS haben sich dem Projekt verschrieben, die Gesellschaft durch das Parlament zu verändern.
Sie bieten sich uns als Stellvertreter an und enden dabei, Politik für die Bosse zu machen. Für diejenigen, die direkt gegen die Politik der Bosse kämpfen – gegen Sozialabbau, Krieg oder Entlassungen – haben sie nicht viel übrig. Dagegen ist der Platz eines jeden, der gegen dieses System kämpfen will, auf der Seite des Widerstands.
Aber unter denen, die sich wehren, herrschen verschiedene Ideen darüber, wie wir gewinnen können. Einige vertrauen auf den Staat, andere wollen ihn ignorieren. Beide Wege führen uns in eine Sackgasse – wir brauchen einen Streit über den richtigen Weg.
Andere Ideen wie zum Beispiel Rassismus spalten uns. Solche Vorstellungen müssen bekämpft werden, wenn die Bewegung die maximale Schlagkraft entwickeln soll. v
Die Bewegung, die jetzt entsteht, ist nicht der erste Versuch, den Kapitalismus zu bekämpfen. Dafür ist es hilfreich, aus den Erfahrungen vergangener Kämpfe zu lernen.
Dazu dienen revolutionäre Organisationen. Revolutionäre Organisationen arbeiten nicht stellvertretend für die Menschen – sie sind Teil der Bewegungen und ihre Mitglieder kämpfen selber mit.
Sie lernen ebenso von den Kämpfen, wie sie vergangene Erfahrungen für die Kämpfe nutzbar macht – mit Zeitungen, Broschüren und Reden. Eine solche Organisation ist Linksruck.

Im Wahlkampf verkündete Gerhard Schröder, dass "die SPD keine amerikanischen Verhältnisse will". Kein halbes Jahr später die Kehrtwende: Schröder startet mit der "Agenda 2010" den Großangriff auf die Sozialsysteme.
Eine bittere Erfahrung: Eine SPD-Regierung wird gewählt, zumeist mit den Stimmen vieler Arbeiter. Wenig später fällt diese Regierung über ihre Anhänger her. Es stellt sich die Frage, was über das Parlament überhaupt machbar ist.
Der Kern des Problems ist, dass eine Regierung immer unter den Rahmenbedingungen arbeitet, die das Wirtschaftssystem setzt.
Dieses Wirtschaftssystem ist der Kapitalismus. Die Triebfeder im Kapitalismus ist der Profit. Wenn die Wachstumsraten und Profite hoch genug sind, kann eine gewählte Regierung Reformen durchsetzen, die das Leben von Millionen Menschen verbessern, ohne dass die Unternehmen auf die Barrikaden gehen.
Es war eine CDU-Regierung, die in den 50er und 60er Jahren vom riesigen Profitkuchen relativ kleine Stücke an die Arbeiter verteilen konnte – klein im Verhältnis zu dem, was die Bosse kassierten, aber groß im Verhältnis zu dem, was die SPD in den 70ern verteilen konnte.
Aber in Zeiten der wirtschaftlichen Krise versuchen die Bosse, die Profite durch Lohnsenkungen, Massenentlassungen und Sozialabbau zu erhalten. Es beginnt ein Kampf um jeden Euro – das erleben wir zurzeit.
Die wichtigste Waffe der Bosse in diesem Kampf ist ihre wirtschaftliche Macht. Eine kleine, ungewählte Minderheit von Superreichen und Managern verfügt über Tausende Milliarden Euro. Sie entscheiden über Investitionen und über Schaffung oder Abbau von Arbeitsplätzen.
Da sie den Reichtum besitzen und kontrollieren, können sie Fabriken sogar ganz dichtmachen. Über internationale Institutionen können sie ganzen Regierungen ihre Politik diktieren.
Das ist derzeit in Brasilien zu sehen. In dem südamerikanischen Land wurde letztes Jahr der ehemalige Gewerkschaftsführer Lula da Silva zum Präsidenten gewählt. Die Menschen in den Armenvierteln tanzten – sie erhoffen von Lula die Erlösung aus ihrer Armut. Weit über die Grenzen Brasiliens hinaus galt er als Hoffnungsträger.
Brasilien ist beim Internationalen Währungsfonds (IWF) hoch verschuldet. Der IWF wird von den mächtigsten Banken und Staaten der Welt kontrolliert.
Lula wurde die Pistole auf die Brust gesetzt: Entweder du betreibst weiter eine Politik von Kürzungen und Privatisierungen oder wir lassen das Land in Konkurs gehen.
Lula beugte sich – jetzt loben Banker seine Sparpolitik, während sich in den Armenviertel Enttäuschung breit macht.
Freundliche Bitten oder Gesetze hindern die Bosse nicht daran, ihre wirtschaftliche Macht für ihre Interessen einzusetzen – aber abwählen kann man sie auch nicht.
Bleibt nur die Möglichkeit, ihnen erst ihre Macht zu nehmen und dann ihren Reichtum zu nutzen, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen.
Die parlamentarische Linke setzt dazu auf den Staatsapparat. Er soll anstelle des freien Markts die Kontrolle über wirtschaftliche Entscheidungen übernehmen – im Interesse der gesamten Gesellschaft.
Der große Vordenker dieser Theorie, John Maynard Keynes, ging auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren soweit, die "Sozialisierung der Investitionen" zu fordern. Damit meinte er, dass die Besitzer von Kapital ihre Rechte über ihren Besitz abgeben sollten – einschließlich des Rechts auf Profit oder Zinsen.
Keynes hat keinen Weg vorgeschlagen, wie eine Regierung sich gegen den Willen der Kapitalisten durchsetzen soll. Dennoch ruhen die Hoffnungen vieler Menschen auf dem Staatsapparat. Hinter diesen Hoffnungen steckt die Vorstellung, dass der Staatsapparat neutral sei und immer alles mache, was die Regierung will.
Aber dieser Staatsapparat hat eine Geschichte – eine kapitalistische Geschichte. Konservative Politiker, die Sozialabbau fordern, reden davon, den Staat auf seine Grundaufgaben zurechtzustutzen. Was bleibt nach dem Sozialabbau noch übrig? Polizei, Militär, Justiz und Verwaltung – Organe, die Recht und Ordnung aufrechterhalten.
Recht und Ordnung dienen dazu, die gegenwärtigen Machtverhältnisse zu schützen – die, in denen die Bosse das Sagen haben und Politik immer dann scheitert, wenn sie diese Macht herausfordert.
Besonders die Spitzen der staatlichen Institutionen stehen auf der Seite der Bosse – auch was ihr Einkommen angeht. Ihre Privilegien gehen auf unsere Kosten. Sie haben gar kein Interesse, dass sich daran etwas ändert.
Die Macht der Bosse und ihre Festschreibung im gesamten Staatsapparat verhindern eine echte Reformpolitik. Weder die Wahl der "richtigen" Partei, noch der "Marsch durch die Institutionen", die Unterwanderung des Staatsapparats durch Linke, sind wirkungsvolle Strategien, um wirkliche Veränderung durchzusetzen.
Wenn die wilde Hatz nach Profit das Grundübel unserer jetzigen Gesellschaft und die Beschränkung der Macht der Bosse durch das Parlament nicht möglich ist, dann gibt es nur eine Möglichkeit zu einer anderen Welt zu kommen: Die Bosse müssen entmachtet, ihr Staatsapparat muss zerschlagen werden.
Es gibt nur eine gesellschaftliche Gruppe, welche die Macht hat, den Bossen die Stirn zu bieten – die vielen Millionen Menschen, die in den Fabriken und Büros den Reichtum herstellen, der die Mächtigen mächtig macht.
Kein Bankkonto stellt Waren her, kein Manager transportiert sie dorthin, wo sie gebraucht werden. All das machen einfache Menschen – Arbeiterinnen und Arbeiter. Deswegen kann die Arbeiterklasse ihre Interessen gegen die Bosse durchsetzen, indem sie die Bosse da packt, wo es ihnen wehtut – an den Profiten.
Mehr als das – wenn sie in Streiks und Besetzungen den Bossen die Macht über die Fabriken und Büros nimmt, kann sie auch die Produktion von Gütern neu und im Sinne der Mehrheit organisieren. Arbeiterkämpfe können der Kern einer neuen Gesellschaft sein.
Um erfolgreich zu sein, müssen sie den bestehenden Staatsapparat durch eine demokratische Kontrolle der Gesellschaft von unten ersetzen. Diese Möglichkeit zeigte sich in der Geschichte immer wieder: In der Pariser Kommune 1871 oder in der Russischen Revolution 1917. Bis jetzt haben sich die Hoffungen auf eine bessere Welt nicht erfüllt.
Aber die Macht der Arbeiter ist groß. Die Bosse brauchen uns – nicht wir sie. Von der Produktion bis zur Erziehung unserer Kinder: Es sind die 35 Millionen Beschäftigten, die unsere Gesellschaft am Laufen halten. Hier liegt die Kraft, eine andere Welt aufzubauen.

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