Keine Welt ohne Krieg

Der Sozialwissenschaftler Emmanuel Todd will, dass Europa die Rolle der USA übernimmt.


Emmanuel Todd: Weltmacht USA. Ein Nachruf, Piper, 2003, 288 Seiten, 13 Euro

Die USA sei als Weltmacht bedroht, weil sie nicht mehr für das Wohl der Menschen eintrete. So schreibt der Autor: "Ohne die Vorstellung, dass alle Menschen und alle Völker gleich sind, kann Amerika über eine zu groß und zu verschieden gewordene Welt nicht herrschen. (…) Die unmittelbare Nachkriegszeit – Der Zeitraum 1950 bis 1965 – war in gewisser Weise der Höhepunkt des Universalismus in der amerikanischen Geschichte." Die blutigen Kriege der USA in Korea oder Vietnam lässt Todd dabei unberücksichtigt.
Er behauptet, dass ein Ende der US-Vorherrschaft den Weg für ein neues System ebne: "Die nächste Etappe bei der Auflösung des amerikanischen Systems wird eine explizite Annäherung zwischen Europa und Russland sein in dem Bestreben, einen ausreichend soliden Gegenpol zu bilden und die Amerikaner aufzuhalten."
Todd wünscht sich ein mächtiges Europa. Mit der Warnung: "Das amerikanische Gesellschaftsmodell bedroht Europa", spricht sich der Autor für den "deutschen, rheinischen Industriekapitalismus, der nachhaltig den sozialen Zusammenhalt, die Stabilität, die Ausbildung von Arbeitskräften und technische Investitionen fördere", aus.
Richtig an Todds Analyse ist lediglich, dass die USA heute zahlreiche Kriege führen, um ihre schwindende wirtschaftliche Macht auszugleichen. Er folgert, dass die USA durch ihre militärische Überlegenheit zwar einen Vorteil haben, diese aber nicht ausreiche um die EU oder Russland zu bedrohen. "Europa wird so fast gegen seinen Willen zu einer selbstständigen Macht", so der Autor.
Seine Alternativen zur Kriegstreiberei der US-Regierung sind jedoch die EU, Russland und Japan, die unter dem Dach der UNO für dauerhaften Frieden sorgen könnten. Dabei lässt Todd jedoch außer Acht, dass sowohl Staaten der EU als auch Russland sich schon seit langem an mörderischen Kriegen im Kosovo, in Afghanistan oder Tschetschenien beteiligen. Außerdem drängt gerade die deutsche Regierung auf eine mächtige EU-Armee, die weltweit große Kriege führen kann. Lediglich der militärische Rückstand zur USA verhindert bisher eine ähnlich kriegerische Politik der europäischen Regierungen.
Letztendlich setzt der Autor der US-Supermacht nichts anderes als eine europäische Supermacht entgegen, ohne erklären zu können, warum diese besser sein sollte. Dadurch argumentiert Todd ähnlich, wie der deutsche Kanzler Schröder oder der französische Präsident Chirac. Sie behaupten, wegen der menschenverachtenden Kriege der USA selbst aufrüsten zu müssen, um "Verantwortung zu übernehmen".
Wie er selbst sagt, ist der Autor der Meinung, "dass der Kapitalismus die einzige vernünftige wirtschaftliche Organisationsform ist." Wahrscheinlich kommt Todd deshalb kein einziges Mal auf die Idee, dass es eine Welt geben könnte, in der kein Land seine wirtschaftlichen Ziele mit Kriegen durchsetzt.

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