Interview: "Wir müssen gegenhalten"

Linksruck sprach mit Tom Adler, Betriebsrat bei Daimler-Chrysler in Untertürkheim, über den IG-Metall-Streit und den Kampf gegen Schröders Sozialabbau.Regierung, Unternehmerverbände und der rechte Flügel in der IG Metall haben versucht, Jürgen Peters als Nachfolger von Klaus Zwickel zu verhindern. Jetzt ist Peters wieder nominiert. Warum ist die Kampagne gegen ihn gescheitert?
Die Kampagne gegen Peters ist an der Gewerkschaftsbasis gescheitert. Klaus Zwickel und seine Helfer in den Betriebsratsspitzen der Autoindustrie haben die Stimmung in der IG Metall falsch eingeschätzt. Sie dachten, wenn sie gemeinsam mit Presse, Unternehmern und Politik auf Peters schießen, kippt die Stimmung an der Basis . Das Gegenteil war der Fall. Diese Kampagne von Seiten der "Modernisierer” gegen Peters stieß auf Unverständnis, ja Ablehnung.

Peters tritt jetzt doch im „Duo“ mit Berthold Huber an, der als sehr regierungsnah gilt. Was hältst du davon?
Das drückt erst einmal Kräfteverhältnisse in der IGM und im Apparat aus. Und dokumentiert das Scheitern von denen, die sie mit der Anti-Peters-Kampagne quasi im Handstreich kippen wollten. Wobei Jürgen Peters nicht der Anführer einer antikapitalistischen Linken in der IGM ist, als der er dargestellt wird. "Traditionalist” in der IGM zu sein heißt ja nicht, den Kapitalismus überwinden zu wollen. Es heißt, für Gewerkschaften als Gegenmacht im Kapitalismus einzutreten. Das tut Peters. Er ist also gewissermaßen eine Projektionsfläche für alle Strömungen, die sich gegen eine Umwandlung der IG Metall zur handzahmen Gewerkschaft wehren.

Die Bundesregierung plant zur Zeit die größten Kürzungen im Sozialstaat seit der Nachkriegszeit. Wie sollte die Antwort der Gewerkschaften aussehen?
Zuerst einmal brauchen wir die richtige Analyse der gesellschaftlichen Situation. Die Wirtschaft ist weltweit in der Krise, die Konkurrenz verschärft. Unternehmer und Parteien haben kein Interesse mehr an der Politik der Sozialpartnerschaft. Sie wollen scharfe Einschnitte. Unter diesen Bedingungen ist für die Gewerkschaften ein Beschwören des Konsens der Nachkriegszeit perspektivlos und der sichere Weg in die Bedeutungslosigkeit. Wir müssen auf den massiven Klassenkampf von oben reagieren. Das heißt: genauso massiv gegenhalten, Druck auf der Strasse, in den Betrieben und Büros aufbauen. Anders können diese Angriffe nicht gestoppt, nicht mal abgeschwächt werden!

Gewerkschaftschefs, unter ihnen Klaus Zwickel, haben letzten Monat Proteste gegen die Agenda 2010 eingestellt. Ihre Begründung: Die Mitgliedschaft lässt sich nicht mobilisieren. Ist das deine Erfahrung?
Es war schwierig, aus dem Stand Massen auf die Demonstrationen zu mobilisieren. Das sagt aber erstmal noch nichts darüber, ob die Agenda 2010 von den Mitgliedern akzeptiert ist. Es ist doch klar, dass in einem gesellschaftlichen Klima, wo Parteien und Presse unisono Sozialabbau fordern, erstmal Aufklärungsarbeit unter den Kollegen geleistet werden muss, um Massen auf die Strasse zu bekommen. Seit die Angriffe der Regierung sich abgezeichnet haben, haben wir gefordert: Die Funktionäre an der Basis müssen geschult und vorbereitet werden, um gegen das verwirrende Medientrommelfeuer bestehen zu können. Passiert ist fast nichts. Das hatte dann einen Effekt, der von der Spitze der Gewerkschaften durchaus beabsichtigt war – die Massen sind nicht geströmt. Die Bürokraten begründen ihrer Kapitulation vor Schröder seither auch damit, dass sie ja vergeblich versucht hätten, Widerstand zu mobilisieren. Ich habe inzwischen aber den Eindruck, dass die Vorausetzungen für Proteste eher besser geworden sind. Die Gesundheitsreform hat vielen klar gemacht, worum es geht – um noch mehr Umverteilung zu Gunsten der Unternehmer.

Wie will die Linke in den Gewerkschaften um eine andere Politik kämpfen? Sind Aktionen geplant?
Wir argumentieren in den gewerkschaftlichen Strukturen, dass wir uns für große gesellschaftliche Kämpfe vorbereiten müssen. Dazu sollen im Herbst regionale Kongresse zum Kampf gegen Sozialabbau organisiert werden. In Stuttgart startet zur Zeit eine Unterschriften-Aktion unter Gewerkschaftsmitgliedern. Darin wird von den Gewerkschaftsführungen gefordert, eine zentrale Demonstration in Berlin zu organisieren. Darum geht es jetzt: Die Vorrausetzungen für größere Proteste zu schaffen.

In den letzten Jahren sind Hunderttausende weltweit unter dem Slogan eine andere Welt ist möglich auf die Straße gegangen. In Deutschland organisieren sich Tausende bei Attac, Sozialforen gründen sich. Wie kann sich diese Bewegung und die kämpferischen Teile der Gewerkschaft gegenseitig stärken?
Wir müssen lokal, regional, national zusammenarbeiten, Gewerkschafter sich in die Zusammenhänge um Attac und Sozialforen einklinken, Attacis zu den Gewerkschaftern kommen. Gemeinsam muss Druck von unten gegen die Anpassung der Gewerkschaften an die "Neue Sozialdemokratie” gemacht werden!

Zwickel sagte, es gäbe für die Gewerkschaften keine politische Alternative zur Sozialdemokratie. Aufgabe der Gewerkschaften sei, die SPD wieder auf den "richtigen Weg“ zurückzuführen. Wie siehst du das?
Das ist eine völlig illusionäre Vorstellung. Dass die SPD unsoziale Politik macht ist kein Betriebsunfall, der durch sorgfältige Diskussion zu korrigieren wäre. Die SPD-Führung hat sich strategisch für neoliberale Politik für die Profitinteressen der Unternehmer entschieden. Schröder hat es doch deutlich genug gesagt: Er braucht Gewerkschaften noch – aber nur als zahnlose Vollstreckungsgehilfen für Unternehmerinteressen.

In einigen Länder wie zum Beispiel England haben Linke aller Schattierungen angefangen zusammenzuarbeiten um wählbare politische Alternativen zur Sozialdemokratie aufzubauen. Wie schätzt du die Chancen eines solchen Projektes in Deutschland ein?
Gramsci hat einmal gesagt, Sozialisten sollten Optimisten des Herzens und Skeptiker des Verstandes sein. In diesem Sinne: eine Alternative zur Sozialdemokratie ist genauso dringend nötig wie eine andere Welt. Ich hoffe, dass so ein Projekt entsteht und aufgebaut wird. Doch das muss mehr sein als die Addition momentan bestehender linker Gruppierungen. Die vielen Menschen, die von der Sozialdemokratie enttäuscht sind, müssen damit erreicht werden. Und so eine Kraft entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern nur aus Bewegungen und Kämpfen heraus.

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