Weltsozialforum in Indien: Viele Kämpfe, ein Feind

Spannende Debatten, lebendige Feste und laute Demonstrationen prägen den vierten weltweiten Gegengipfel zum Weltwirtschaftsforum. Im Mittelpunkt steht der Irak.

Arundhati Roy

"Letztes Jahr sind wir zum Asiatischen Sozialforum zusammen gekommen und wir haben gesagt: ‚Eine andere Welt ist möglich’. Aber auch George Bush dachte: ‚Eine andere Welt ist möglich’."
"Sein Projekt dreht sich um ein neues amerikanisches Jahrhundert – darum, eine Welt zu unterdrücken, die aus den Fugen gerät und einen neuen Imperialismus zu schaffen. Mit solchen Leuten über Imperialismus zu streiten ist wie über die Vor- und Nachteile von Vergewaltigung streiten."
"Die USA besitzen die komplette Vorherrschaft. Wir sind gefangen zwischen der Rakete und dem Scheckbuch des IWF."
"Wenn man den Multis nicht die Ressourcen überlässt, geben sie einem Krieg. Ein halbes Jahrhundert nach dem Ende der kolonialen Unterdrückung müssen arme Länder diejenigen bezahlen, die ihre Länder verwüstet haben."
"Wenn wir wirklich gegen Imperialismus sind, sollten wir uns auf den Irak konzentrieren. Er steht sowohl für Imperialismus als auch für Neoliberalismus. Und wir brauchen einen weltweiten Sieg."
"Wir müssen uns einig werden, nicht nur den Widerstand im Irak zu unterstützen – wir sollten der Widerstand im Irak werden. Jeder US-Konzern, der im Irak Geschäfte macht, sollte unser Ziel werden. Wir sollten uns als im Krieg befindlich betrachten."

Hunderttausend Menschen aus aller Welt haben sich vom 16. bis 21. Januar zum Weltsozialforum (WSF) in Mumbai versammelt. Unter den Gästen der Auftaktversammlung war auch die indische Autorin Arundhati Roy. Ihr Aufruf, den Widerstand im Irak zu unterstützen (siehe Kasten), hat sofort Debatten vor Ort und auf der ganzen Welt ausgelöst (mehr auf Seite 4).
Mit Roys Plädoyer hat das WSF seinen Schwerpunkt gefunden, aber die Teilnehmer diskutieren auch über viele andere Themen. Mit Transparenten auf der Auftaktdemonstration haben sie ein Ende der Privatisierungen gefordert sowie "Freiheit für Palästina" und "Eine andere Welt ist möglich", berichten Chris Harman und Yuri Prasad von der britischen Linksruck-Schwesterzeitung Socialist Worker.
Andere verlangen Rechte für die Dalat, die indische Kaste der ausgegrenzten "Unberührbaren". "Unsere Regierung benutzt die Kasten als Waffe", erklärt Manesh Sarvgod von der indischen Studentenorganisation Ambedkar. "Sie sagen wir seien unberührbar, also könnten wir keine guten Jobs erwarten. Sie wollen uns von den Unis fernhalten, manchmal sogar aus der Grundschule. Hier auf dem WSF haben wir andere gefunden, die an unserer Seite kämpfen werden."
Journalist Sanjeevani Kher aus Mumbai kritisiert die indische Regierung und die Medien für den Rassismus, den sie anstacheln. "Sie benutzen die Taktik des ‚Teile und Herrsche’ gegen uns. Ich hoffe, dass das WSF eine neue Opposition hervorbringt."
Iqbal Uddin aus Pakistan freut sich: "Über 50 Jahre wurde Indern und Pakistanern beigebracht sich zu hassen. Das WSF hat geholfen, uns zusammenzubringen. Die pakistanische Delegation wurde von den indischen Delegierten willkommen geheißen."
Das Weltsozialforum versteht sich als demokratische Gegenveranstaltung der Globalisierungsbewegung zum Weltwirtschaftsforum, auf dem sich jedes Jahr die mächtigsten Bosse, Politiker und Wissenschaftler treffen, um gemeinsame Pläne zu schmieden. Auch das Europäische Sozialforum, das sich letzten November in Paris traf, geht auf das Weltsozialforum zurück.
Die Organisation ist auch mit Problemen verbunden, berichten Chris und Yuri. Die großen Podien mit vielen Rednern lassen kaum Zeit für Beiträge aus dem Publikum. "Aber eine Masse kleinerer Veranstaltungen fangen viele von diesen Schwächen auf, mit freundlichen und manchmal hitzigen Debatte über einen weiten Themenbereich." Außerdem finden neben dem WSF noch eine Reihe weiterer Treffen in Mumbai statt.
Überall im Vordergrund: Die Kriegspolitik der USA und die Unterdrückung des Nahen Ostens. "Viele Menschen glauben, Fidschi sei ein kleines Paradies", meint Stanley Simpson. "Wie kann das vom Krieg gegen den Irak betroffen sein? Die USA sind in mein Land gekommen und haben Söldner rekrutiert: als Sicherheitskräfte im Irak. Sie wissen, dass unsere Leute arm und anfällig sind. Also wurden wir von einem Testgelände für ihre Atombomben zu einer Quelle billiger, entbehrlicher Arbeitskräfte."
Michael Warshawsky aus Israel: "Palästina ist heute das Symbol der Antikriegs- und der Antiglobalisierungsbewegung weil es ein Symbol des Widerstands ist, ebenso wie ein Symbol der Unterdrückung. Menschen schwenken die palästinensische Flagge genauso wie eine ältere Generation die vietnamesische Flagge geschwenkt hat."
Bei Redaktionsschluss dauerte das Weltsozialforum noch an. Ein Gespräch mit Sven Giegold von Attac Deutschland folgt in der nächsten Ausgabe.

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