marxismus konkret: Kann die UN Frieden schaffen?

Viele, die über den NATO-Krieg gegen Jugoslawienentsetzt sind, setzen ihre Hoffnungen auf die UNO. Gregor Gysi
etwa fordert "neue Verhandlungen mit dem Ziel einer Lösung
für das Kosovo, bei der die UN – und nicht die NATO – die
entscheidende Rolle spielen" müsse.

Angesichts des täglichen Blutbades ist der Wunsch
nach solch einer „politischen“ Lösung verständlich.
Die USA haben als führende Macht in der NATO diesen Krieg
schließlich bewußt unter Umgehung der Vereinten Nationen
vom Zaun gebrochen.

Im Sicherheitsrat sitzen China und Rußland,
die beide aus eigenen strategischen Interessen gegen eine UN-Intervention
in Jugoslawien ihr Veto eingelegt hätten. Die USA versuchen
durch das Bombardement gerade klarzumachen, daß sie jederzeit
über die NATO international ihre eigenen strategischen Interessen
durchsetzen können – auch gegen den Widerstand der anderen
großen Nationen.

Dennoch ist es ein Fehler, seine Hoffnungen auf die
Vereinten Nationen zu setzen.

Die UNO ist keine irgendwie geartete höhere
moralische Autorität. Sie steht nicht über den Nationen.
Sie wird von den Großmächten dominiert und dient ihren
Interessen als diplomatische Bühne. Die UNO umgibt diese
Interessen mit einem Mantel der Respektabilität und des Völkerrechts.
All dies soll uns über den wahren Charakter der UNO hinwegtäuschen.

Sie ist als Organ der Siegermächte aus dem Zweiten
Weltkrieg entstanden, die weltweit die Einflußsphären
unter sich neu aufteilen wollten. Die erste „friedensschaffende
Maßnahme“ war der Korea-Krieg.

Die USA nutzten eine kurzzeitige Abwesenheit der
Sowjetunion im Sicherheitsrat aus, um die eigene Intervention
in Korea 1950 unter der Fahne der UN führen zu können.

Es folgten ein dreijähriger blutiger Krieg,
Massenvertreibungen und die Teilung des Landes. Wohl hat die UNO
seitdem Resolutionen verabschiedet, die etwa die Besetzung Namibias
durch Südafrika oder die Überfälle Israels auf
seine arabischen Nachbarn verurteilten. Doch blieben diese Beschlüsse
nur wertloses Papier, da die in der UNO vertretenen Mächte
gegensätzliche Interessen in den betroffenen Regionen hatten.

Die UN kann nur handeln, wenn es den Interessen aller
im Sicherheitsrat vertretenen Großmächte entspricht.

Die fünf im alles entscheidenden Sicherheitsrat
vertretenen Mächte – USA, Rußland, China, Frankreich
und Großbritannien – haben zur Durchsetzung ihrer Großmachtpolitik
jeweils ein enormes Massenvernichtungspotential angehäuft.
Ihre Kriege haben in Ausmaß und Brutalität in nichts
dem nachgestanden, was sie nun Milosevic vorwerfen.

Die USA führten seit dem Zweiten Weltkrieg in
jedem Jahrzehnt gleich mehrere Kriege. Sie überfielen lateinamerikanische
Staaten wie Grenada oder Panama, weil ihnen die Regierung dort
nicht genehm war. Im Laufe des barbarischen Vietnamkrieges setzten
sie Chemiewaffen wie Napalm und Agent Orange gegen die Zivilbevölkerung
ein, marschierten in Kambodscha ein und warfen allein 1968 mehr
Bomben darüber ab, als im gesamten Zweiten Weltkrieg fielen.

Die Sowjetunion setzte militärisch ihre Interessen
in der DDR, in Ungarn und der Tschechoslowakei durch und besetzte
über ein Jahrzehnt das verarmte Afghanistan. China unterdrückt
seit Jahren Tibet.

Großbritannien und Frankreich führten
ihre eigenen blutigen Kolonialkriege in Nordafrika und Südostasien.
1956 überfielen sie zusammen mit Israel Ägypten, um
die Kontrolle über den Suez-Kanal zu behalten.

Die Vorstellung, daß die Staaten mit ihrer
Militärmacht in dem Moment humanitäre Ziele verfolgen
würden, wo sie gemeinsam unter dem Namen UNO handeln, ist
eine gefährliche Illusion.

Der Golfkrieg gegen den Irak wurde durch die UNO
legitimiert, obgleich es offensichtlich um die Ölinteressen
der großen Multis im Nahen Osten ging. Der UNO-Krieg und
das folgende UN-Embargo kosteten und kosten Hunderttausende Irakis
das Leben, darunter viele Kinder.

Den Kurden wurde eine "Schutzzone" eingerichtet,
ähnlich wie nun für das Kosovo geplant. Doch das hat
den NATO-Staat Türkei nicht gehindert, mehrfach in dieses
Gebiet einzudringen und die "Schutzzone" zu bombardieren.
Nachdem nun die Anti-Irak-Koalition auseinandergefallen ist, haben
Großbritannien und die USA im vergangenen Winter den Irak
unter Mißachtung der selbst aufgestellten völkerrechtlichen
Prinzipien auf eigene Faust wochenlang angegriffen, ohne daß
dies einen Aufschrei durch die UNO hervorgerufen hätte.

John Bolton aus dem US-Außenministerium hat
ausgesprochen, in welcher Weise die USA als größte
imperialistische Macht die UN benutzt: "Es gibt keine „Vereinten
Nationen“. Es gibt eine internationale Gemeinschaft, die gelegentlich
durch die einzige wahre Macht in der Welt – die USA – geführt
werden kann, wenn es unseren Interessen entspricht und wenn wir
dabei die anderen mit ins Boot bekommen können."

Auch in Jugoslawien bietet die UNO keine Perspektive
für dauerhaften Frieden. Der UN-Plan von Dayton hat den ethnischen
Haß in Bosnien verfestigt. Eine Rückkehr der Vertriebenen
fand nicht statt. Die Macht liegt in der Hand des hohen UN-Repräsentanten.
Dieser kann Gesetze erlassen, Kandidaten der Parteien ablehnen
und sogar „unkooperative“ Mitglieder der bosnischen Regierungsinstitutionen
aus ihren Positionen entfernen.

Keine Großmachtlösung, ob unter UN- oder
NATO-Fahne, hat den einfachen Serben und Albanern etwas "Humanitäres"
anzubieten. Einzig durch den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung
und einer Opposition auf dem Balkan, die den Nationalismus von
unten überwindet, kann es wirklichen Frieden geben.

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