Protest beim Parteitag der Grünen in Stuttgart

Weiß bemalte Gesichter, weiße Anzüge mit großem Anti-Atom-X hinten drauf: "Castor Alarm – wir stellen uns quer". So sahen einige der AktivistInnen aus, die am 10. März in Stuttgart beim Parteitag der Grünen gegen Atomkraft demonstrierten.

Leserbrief

Ich finde es gut, dass es weiter Proteste gibt.

Das einzige, was ich nicht gut finde, ist, das der Eindruck entsteht die Grünen hätten mit der Anti-Akw-Bewegung gebrochen oder die Grünen wären vor der Zerreißprobe. Ich finde Trittin und Co. müssten mehr Verständnis für die Anti-AKW-Bewegung aufbringen, und umgekehrt. Auf politischem Wege ist ein schneller Ausstieg nicht möglich! Nur auf dem außerparlamentarischen, das müsste doch klar sein! ALLE bei der Grünen Basis sind der Meinung, dass der Atom-Konsens zu lange dauert.


Fazit: Anti-AKW-Bewegung UND Grüne wollen einen schnellen Ausstieg und der ist nur durch Total-Blockade der Atomkraftwerke möglich. Nichts darf sich mehr bewegen.


Frederico Elwing


(Mitglied die Grünen/ Grüne Jugend/ Greenpeace)

Auf der Kundgebung wechselten sich Redebeiträge und Aktionen ab. Eine Schar der DemonstrantInnen in weiß jagen einen mit schwarzem Anzug und Plastiksonnenblume als Kapitalist verkleideten Aktivisten. Ein anderes Mal ertönt über Kassette eine Explosion – alle fallen um: Die Inszenierung des Super-GAU.


Zum Ende der Kundgebung formen die 60 DemonstrantInnen ein großes X und nähern sich so den Türen der Messehalle, wo die 750 Delegierten der Grünen tagen. Sie rufen "Blockiert die Atomkonzerne" und "Grüne zurück auf die Straße".


Spontan entsteht die Idee, in das Gebäude zu gehen. Eine Delegierte kommt heraus und bietet Verhandlungen an. Was die AktivistInnen denn wollten? Sie wollen alle hinein, ihre Transparente aufhängen und eine kleine Rede halten. Sie haben einen Eimer mit "Atommüll" mitgebracht und wollen ihn Umweltminister Trittin überreichen, auf dass er ihn 12 Millionen Jahre in seinem Garten lagere – so lange strahlt der echte nukleare Abfall.


Die Grünen beraten über diese Forderung. Nach kurzer Zeit das Angebot: Fünf DemonstrantInnen dürften hinein. Der Vorschlag wird abgelehnt: Alle oder keiner.



Solidarität


Immer neue Grünen-Delegierte kommen heraus, verhandeln mit den Protestierenden, manche freuen sich über die Aktion. "Wir finden es super, dass ihr hier seid. Es ist total wichtig, dass weiterhin von der Strasse Druck gemacht wird."


Als klar wird, dass die Forderungen nicht erfüllt werden, beschließen die DemonstrantInnen einen erneuten Stürmungsversuch. Trotz Rangeleien und Handgemenge mit der Polizei, gelingt es etwa 15 AktivistInnen, in das Foyer einzudringen. Dabei prügelt ein Sicherheitsdienstler eine Aktivistin so sehr, dass sie einen Rippenbruch und eine Wirbelsäulenstauchung erleidet. Junge Grüne solidarisieren sich: "Es ist eine absolute Frechheit, dass auf unserem Parteitag eine Atomkraftgegnerin krankenhausreif geprügelt wird!", findet einer der Delegierten.


Es kommt zu einer gemeinsamen Sitzblockade. Die Polizei löst diese auf und schmeißt alle Blockierendenraus, inklusive Grüner Delegierter.


Nun kommt die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, persönlich zum Verhandeln. Sie wiederholt das alte Angebot. Der Vorschlag wird per Abstimmung der AktivistInnen abgelehnt. Sie unterbreiten den Gegenvorschlag, die Grünen sollen doch rauskommen, wenn sie die DemonstrantInnen nicht reinließen.


Immer mehr Junge Grüne und andere Delegierte kommen heraus und solidarisieren sich. Sie reichen im Kongress verschiedene Anträge ein. Eine Abstimmung brachte 60 Prozent für den Antrag, alle reinzulassen. Aber 66 Prozent wären notwendig gewesen.


Danach verlassen etwa 150 Grüne den Saal und vereinigen sich mit den Protestierenden. Das Megaphon wird herumgegeben. Die Landesvorsitzenden fast aller Bundesländer sind gekommen, und bekräftigen ihre Absicht, an den Castor-Blockaden teilzunehmen.


Ein Demonstrant sagt: "Wir müssen auf die Strasse gehen. „68 hätte wohl keiner dem Vorschlag zugestimmt, wir warten 30 Jahre, und dann noch einmal 30 Jahre und das ist der Atomausstieg." Ein Grüner ruft darauf: "Für ein neues „68!" Tosender Beifall.


Manche kritisieren den Atomkonsens: "Die Bosse freuen sich über den Vertrag. Sie wissen, dass der für sie gar nichts bedeutet. Sie haben ihn noch nicht einmal unterschrieben." Andere verteidigen den Atomkonsens: "Trittin hat sich wirklich bemüht, das ist erst der Anfang. In dieser Halle gibt es nicht einen Menschen, der für Atomkraft wäre."


Nach einer langen solidarischen Diskussion kehren die Grünen in die Sitzung zurück. Doch nicht ohne die Transparente und Schilder der Protestierenden mitzunehmen, um sie im Saal gut sichtbar aufzuhängen.


Am Abend beschließen die Delegierten, dass sich alle Mitglieder offiziell an den Castorblockaden beteiligen dürfen.


von Theresa Bullmann

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