Wie weiter gegen die Atomkonzerne?

Siemens: Der Atomkonzern

"Wenn man am Ende des 20. Jahrhunderts überhaupt von einer alternativen Energiequelle sprechen darf, dann kann eigentlich nur die Kernenergie gemeint sein."


So spricht Heinrich von Pierer, Chef von Siemens, dem größten Atomkonzern der Welt. Sauber und sicher – so wirbt die Atomlobby seit Jahrzehnten für die Kernenergie. Das Gegenteil ist der Fall: Atomenergie ist ein extrem dreckiges und gefährliches Geschäft – und ein Paradebeispiel dafür, daß Konzerne wie Siemens über die Interessen von Menschen hinwegtrampeln.

"Jetzt, wo der Atomausstieg geschafft ist, müssen sich die Grünen anderen Aufgaben zuwenden", sagte das neugewählte Vorstandsmitglied Fritz Kuhn, auf dem Grünen-Parteitag.


Schöne Worte – wenn sie denn wahr wären. Der Atomkonsens sieht vor, daß die AKWs mindestens 32 Jahre weiterbetrieben werden – und das auch nur dann, wenn der Ausstieg nicht wieder von einer neugewählten Regierung rückgängig gemacht wird.


Wie soll der Kampf um den Atomausstieg weitergehen, nachdem sich Rot-Grün zum Helfer der Atomkonzerne gemacht hat?


Einen Teil der Antwort gibt der Anti-Atom-Aktivist Jochen Stay. "Möglicherweise kommt bald der Castor – möglicherweise können wir ihn noch lange verhindern. In dieser Zeit gilt es, nicht nur in Aufrufen, Presseerklärungen und Planungstreffen präsent zu sein, sondern auch weiterhin auf Straße und Schiene. (…) Ohne aktionistische Praxis ist die Bewegung ganz schnell keine Bewegung mehr."


Ohne den beständigen Aktionismus der Anti-Atom-Bewegung, zum Beispiel gegen die Castor-Transporte wäre weder der politische Preis für die Betreibung der Atomenergie so hoch getrieben worden, noch die Mehrheit der Bevölkerung (76% laut einer Forsa-Umfrage vom Juni 1998) auf die Seite der Atomkraft-Ablehner gewechselt.


Doch die strategischen Optionen der Anti-Atom-Bewegung gehen über einzelne Mobilisierungen noch hinaus: Es gibt die Chance, den Kampf gegen die Atomkraft mit anderen Kämpfen gegen die Auswirkungen neoliberaler Politik zu verbinden.


Die Menschenverachtung der Atomkonzerne (siehe "Siemens – der Atomkonzern") entspringt ihrer Profitorientierung. Genau dieses Profitorientierung richtet in allen Bereichen der Gesellschaft Verheerungen an. Bestes Beispiel sind die Menschen, die der Atomindustrie sofort den Saft abdrehen könnten – die Atomarbeiter.



Arbeiter


Immer wieder versuchen die Atomkonzerne, die Belegschaften der Atomkraftwerke gegen den Ausstieg zu mobilisieren. Doch es gibt keinen Interessensgegensatz zwischen Umweltbewegung und Atomarbeitern – beide leiden unter der Politik der Konzerne.


Atomarbeiter tragen bei Störfällen das höchste Verstrahlungsrisko. Bei den schweren Atomunfällen im japanischen Tokouimura 1999 und beim Super-GAU in Tschernobyl wurden Teile der Belegschaft so stark verstrahlt, daß sie starben oder schwere bleibende Schäden davontrugen.


Obwohl die Atomindustrie versucht, Atomunfälle mit Personenschäden zu vertuschen, ist klar, daß es solche Unfälle auch in Deutschland gibt. Gerade jetzt klagt der Atomhilfsarbeiter Michael Weber gegen Siemens, nachdem bei einem Unfall an einer Uranmühle 79% seines Lungengewebes zerstört wurden.


Es wäre überhaupt kein Problem, die 40.000 deutschen Atomarbeiter und Beschäftigten in der Zulieferindustrie in weniger gefährliche Jobs umzuschulen – die Atomkonzerne haben über 70 Milliarden Mark an steuerfreien Rücklagen gebildet. Eine Besteuerung dieser Rücklagen hat Rot-Grün aber abgelehnt.


Das Geld haben die Atombosse verwendet, um sich in anderen Branchen einzukaufen oder um die Gehälter in der Chefetage üppig zu erhöhen. Ein Vorstandsmitglied bei Siemens verdiente 1998 1,6 Millionen Mark – Aktienoptionen noch nicht eingerechnet. Gleichzeitig wurden bei Siemens im Rahmen von Sanierungs- und Restruktierungsprogrammen 40.000 Arbeitsplätze abgebaut. Es ist Heuchelei, wenn Konzerne die Sorge um Arbeitsplätze gegen den Atomausstieg ins Feld führen.


Arbeiter hätten also allen Grund, Seite an Seite mit Umweltschützern gegen die Art und Weise, wie die Konzerne unser Leben zerstören, auf die Straße zu gehen – zumal Rot-Grün nichts tut, um der Gier der Bosse Einhalt zu gebieten. Notwendig ist ein politischer Kampf, damit auch zusammenfindet, was zusammengehört. Eine erste Gelegenheit dafür kann die Mobilisierung zum "Her mit dem schönen Leben"-Festival am 23.9. in Berlin sein. Arbeiter und Anti-Atom-Aktivisten gemeinsam gegen rot-grüne Politik für die Konzerne – das ist die Vision einer künftigen Bewegung.

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