Sicherheit blieb auf der Strecke

Politiker in Gummistiefeln nützen den Flutopfern nichts. Die Katastrophe wäre vermeidbar gewesen, wenn man aus dem Oderhochwasser 1997 Lehren gezogen hätte. Aber die Interessen der Wirtschaft waren der Politik wichtiger als die Sicherheit der Anwohner.

Die sächsische Regierung schätzt die Hochwasserschäden allein in ihrem Bundesland auf mindestens 16 Milliarden Euro. Die Allianz-Versicherung meint, dass nur etwa 10 bis 20 Prozent der Schäden versichert sind. Zehntausende Menschen haben Hilfe bitter nötig.

Viele zeigen Solidarität, indem sie spenden oder mit zupacken. Politiker versuchen, sich als Retter in der Not zu präsentieren. Sie versprechen zu helfen und die Pläne zum Elbausbau zu überarbeiten. Zu spät – sie hätten die Katastrophe verhindern können, wenn sie aus vergangenen Überschwemmungen gelernt hätten.

Die Flut war vorhersehbar. Nach den Überschwemmungen an Rhein 1993 und 1995 und Oder 1997 legte das Umweltbundesamt 1998 einen Bericht über Ursachen und Folgen des Hochwassers vor. Danach gibt es nur echten Schutz, wenn Flüsse nicht weiter ausgebaut werden und vernichtete Überschwemmungsflächen wiederhergestellt werden. Verbesserungen an den Deichen alleine helfen nicht gegen die Fluten. Das Amt empfahl, die Maßnahmen sofort umzusetzen.

Stattdessen forderte das Verkehrsministerium jedoch im Dezember letzten Jahres, das Netz der Binnenschifffahrtsstraßen weiter auszubauen: "Der Ausbau des Wasserstraßennetzes ist eine Voraussetzung für eine konkurrenzfähige Schifffahrt." Das Ziel sind Profite. Der Handel soll mehr Geld bringen, deswegen soll der Handel bessere Bedingungen bekommen.

Zwar stieg der Güterverkehr auf den deutschen Wasserstraßen von 1991 bis 2000 bereits um 19 Prozent, aber der Umsatz stagniert seit 1993 bei etwa 1 Milliarde Euro. Der Güterverkehr auf der Straße stieg dagegen um 41 Prozent, mit der Bahn wurde hingegen 5 Prozent weniger transportiert.
Das Ministerium schrieb: "Die deutsche Binnenschifffahrt leidet unter dem geringeren Ausbauzustand der Wasserstraßen in Ostdeutschland und den langanhaltenden Niedrigwasserperioden der letzten Jahre offensichtlich ganz besonders."

Höhere Fließgeschwindigkeiten, tiefere Flüsse und Staustufen sollen höhere Umsätze bringen – der Preis war die größte Überschwemmung der Elbregion seit es Messungen gibt.

Der Fluss soll Teil einer Wasserstraße von Mitteleuropa bis zum Schwarzen Meer werden. Der Ausbau wird von der Weltbank und der EU unterstützt. Auch EU-Beitrittskandidat Polen will mit dem Programm "Odra 2006" Speicherbecken, neue Eindeichungen und Staustufen bauen. Die CSU will die Donau mit Staustufen beschleunigen und vertiefen.

In Brandenburg werden neben der Oder weitere Flüsse ausgebaut. Das Verkehrsprojekt "Deutsche Einheit Nr. 17" sieht vor, die Havel-Oder-Wasserstraße zu vertiefen und zu begradigen. Die CDU Sachsen-Anhalt fordert dasselbe für Elbe und Saale.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) meint dazu: "Es ist von Rhein und Donau bekannt und hinreichend belegt, dass mit jedem Ausbau-Schritt das Hochwasser-Risiko steigt.
Während Schifffahrtsstraßen geschaffen werden, ist für die Sicherheit von Menschen kein Geld da. Einige Oderdeiche wurden im 18. Jahrhundert gebaut. Sie sind nach heutigen Erkenntnissen völlig falsch gebaut – saugen sich deshalb mit Wasser voll. Trotzdem sind sie oft nicht grunderneuert, sondern nur schrittweise erhöht worden.

"An der Elbe bei Amt Neuhaus soll ein 100 Jahre alter Sommerdeich Schutz bieten, das ist natürlich ein Witz", meint Jens Brummelhub aus Hamburg, der aus einer Deichbauerfamilie stammt und einige Zeit im Deichbau gearbeitet hat. "Die bestehen einfach nur aus Sand und der Grasnarbe. Sommerdeiche dienten früher dazu, das Vieh auf dem Vorland zu schützen – heute sind sie plötzlich als Hauptdeich für Häuser zuständig."

Moderne Deiche sind bruchsicher und saugen sich nicht voll – aber sie sind teuer: Etwa 750.000 Euro pro 800 Meter. Seit der Wende werden die Deiche außerdem schlechter kontrolliert, wegen den Kürzungen in den neuen Bundesländern. In einem Elbdeich bei Dessau entdeckte man Löcher von Füchsen und Wühlratten. Solche Deiche sind nutzlos. Durch mehr Kontrollen wären diese Schäden zu verhindern, aber es fehlt Geld.

An der Oder sind seit dem Hochwasser 97 zwar einige Deichschäden repariert worden – aber Forderungen nach Wiederherstellung von Überschwemmungsflächen wurden ignoriert. Der BUND: "Nach dem Oderhochwasser ist nichts passiert. Es wurde lediglich viel Geld zur Wiederherstellung der Häuser ausgegeben." Die Politik ist weder zum Rückbau der Flüsse bereit noch dazu, die Deiche halbwegs zu sanieren um damit Deichbrüche so weit wie möglich zu verhindern.

Geld ist nur da, um die Profite der Transportindustrie zu sichern. Dabei gibt es Alternativen: "Das Schienennetz ist überhaupt nicht ausgelastet", erklärt der BUND. "Es werden sogar viele Bahnstrecken stillgelegt. Dieses Schienennetz sollte erhalten bleiben, denn es kann sowohl dem Personen- als auch dem Güterverkehr dienen."

Konzerne heizen weiter ein

Eine Ursache der Unwetter ist der Treibhauseffekt. Die großen Unternehmen halten sich an kein Klimaschutzabkommen.

Kaum ein Klimaforscher bestreitet, dass die Überschwemmungen nur der Anfang sind, wenn die Atmosphäre sich weiter erwärmt. Das international anerkannte Forschungsgremium IPCC meint, dass der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid bis 2050 um 60 bis 80 Prozent verringert werden muss, um der Erwärmung entgegenzuwirken.

Das Kyoto-Protokoll von 1997 sieht eine Absenkung um 5,2 Prozent bis 2012 vor – aber nur in Ländern die es unterzeichnen. Es ist jedoch nicht rechtsverbindlich. Außerdem haben viele Staaten das Protokoll nicht unterzeichnet, zum Beispiel die USA, die für 25 Prozent des weltweiten Kohlendioxid-Ausstoßes verantwortlich sind.

Die Industrie nutzt zum größten Teil Energie aus fossilen Brennstoffen – Öl, Kohle und Gas.
Mehr als ein Drittel des Kohlendioxids stammt aus den Kraftwerken der Stromkonzerne. Ein weiteres Drittel wird von der Auto- und Ölindustrie in die Luft geblasen.

„Die Unternehmensstruktur Westdeutschlands, der mächtigsten Volkswirtschaft Europas, sieht so aus, dass von den 12 größten Konzernen rund 60 Prozent zur Autogesellschaft gehören“, schreibt der PDS-Verkehrspolitiker Winfried Wolf. Diese Konzerne haben politische Macht. In Deutschland hat das Deutsche Verkehrsforum die Privatisierung der Bundesbahn geplant. Dieses Forum hat die Stilllegung von insgesamt 170 Millionen Schienenkilometern, steigende Preise und Massenentlassungen zu beschlossen.

Im Verkehrsforum planen nicht Freunde des umweltfreundlichen Nahverkehrs die Zukunft der Bahn, sondern zum Beispiel Audi, BMW, DaimlerChrysler, VW, Deutschlands größte Spedition Schenker und Straßenbauunternehmen wie die Strabag AG.

Weltweit werden fossile Energieträger immer weiter ausgebeutet. Zwar behaupten die Werbekampagnen der Ölkonzerne Shell und BP, dass diese Zeiten vorbei seien: BP soll jetzt für Beyond Petrol stehen (Jenseits des Benzins).

In Wahrheit dehnt der Konzern seine Ausgaben für die Förderung von Öl und Gas um 40 Prozent aus. In umweltfreundliche Energien steckt BP so wenig Geld, dass die Summe nach Aussage eines Managers gar nicht in der Bilanz auftaucht. Die Ausgaben für umweltfreundliche Energie sind geringer als für die Werbung des Konzerns.

Die Macht der Konzerne hängt davon ab, so schnell wie möglich so viel Profit wie möglich zu machen. Dafür riskieren sie die Zerstörung der Erde.

Die Klimakatastrophe ist eine Folge des Kapitalismus. Eine Abkehr von der rücksichtslosen Ausbeutung fossiler Energieträger ist nur in einer Gesellschaft möglich, in der die Interessen der Mehrheit maßgeblich sind, nicht die Profite von Wenigen.

Atom sauber? – Alles Lüge

Stoiber will mehr Atomkraftwerke bauen. Doch die Atomenergie trägt zum Treibhauseffekt bei.

Der Uranabbau, die Fertigung der Brennelemente der Transport, die Wiederaufarbeitung, der Bau eines Endlagers – all das frisst Energie mit entsprechenden Abgasen. Nur die Energiegewinnung im Atomkraftwerk selbst verursacht kein Kohlendioxid.

Nach einer Greenpeace-Untersuchung reduzierte ein Atomausstieg den Kohlendioxid-Ausstoß um 40 Prozent. Eine Studie des Öko-Instituts bestätigt: Der Kohlendioxidausstoß in Deutschland kann bis 2005 nicht um die geplanten 25 Prozent gedrosselt werden, wenn die Atomkraftwerke weiterlaufen.
Die gleiche Studie zeigt auch, dass der Kohlendioxidausstoß durch gezielte Förderung erneuerbarer Energien und Energieeinsparung bis 2020 halbiert werden könnte – und das mit sofortigem Atomausstieg.
Zudem sind die Folgen des Uranabbaus katastrophal. Beim Abbau und der Erzaufbereitung wird Radioaktivität frei. Um das Erz aus dem Gestein zu lösen, wird es mit konzentrierter Schwefelsäure ausgewaschen.

Im Abfallschlamm verbleiben dann neben Blei, Arsen, Zyaniden und Quecksilber hohe Konzentrationen des radioaktiven Urans. Die Gifte werden durch Regen ausgewaschen und verseuchen Grundwasser, Flüsse und Seen.

Lasst die Bosse zahlen

Die Kosten der Flut tragen vor allem die kleinen Leute. Die Steuerreform muss nicht verschoben werden, statt dessen sollten die Konzerne zur Kasse gebeten werden.

Gerhard Schröder dreht an der Steuerschraube. Er behauptet, alle würden die Lasten der Flut gleichmäßig tragen. Aber den Großteil soll die ärmste Gruppe der Bevölkerung zahlen.
Die zweite Stufe der Steuerreform bedeutet: Spitzen- und Eingangssteuersatz werden gesenkt. Außerdem soll der steuerfreie Freibetrag angehoben werden.

Schröder nutzt die Hilfsbereitschaft der Menschen aus. Zehntausende sind zur Hilfe geeilt, weil sie wissen, was es heißt, einen Kredit für ein Haus abzahlen zu müssen. Nun sollen sie auch noch zahlen.
Ganz anders sieht es auf der Seite der Konzerne aus, die von der Verkehrspolitik profitiert haben. Vorher waren milliardenschwere Versicherungskonzerne nicht bereit, gefährdete Häuser zu versichern, jetzt wollen sie keine finanzielle Hilfe leisten. Und während die Menschen mit bloßen Händen Sandsäcke auf durchweichte Deiche schleppen, tuen große Baufirmen nichts, weil sie ihre Bagger und Kräne nicht kostenlos zur Verfügung stellen wollen.

BDI-Chef Rogowski kritisiert auch noch, dass die Körperschaftssteuer für ein Jahr erhöht werden soll. Diese Steuer auf Kapitalgesellschaften ist letztes Jahr auf 25 Prozent abgesenkt worden. Zudem durften die Konzerne Teile der Körperschaftssteuer aus den letzten 15 Jahren zurückverlangen: Das Ergebnis war, dass der Staat aus der Körperschaftssteuer 2001 kein Geld einnahm, sondern 425 Millionen Euro an die Konzerne auszahlte. Vor der Reform brachte die Steuer noch 23,5 Milliarden ein.
Allein das Geld, das die Konzerne so geschenkt bekommen haben, würde einen großen Teil der Flutschäden decken. Die Steuererhöhung für die Konzerne ist richtig. Sie zeigt, dass der Staat durchaus fähig ist, bei Katastrophen einzugreifen und schnell Geld bereitzustellen.

Nur sollte das Geld komplett von denen kommen, die an der Verkehrspolitik verdient haben und nicht von Arbeitern. Die Steuerreform müsste ganz anders aussehen: Höhere Steuern auf Vermögen und für Unternehmen – und das nicht nur für ein Jahr.

Denn die Katastrophe Massenarbeitslosigkeit muss ebenso dringend gelöst werden. Auch für mehr Arbeitsplätze, besonders im Osten, ist mehr Geld nötig. Auch das Bildungswesen hat finanzielle Hilfe dringend nötig. Wir brauchen einen Politikwechsel jetzt – und viel Geld für Arbeit und Soziales.

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