Simbabwe: Perspektiven des Widerstandes

Am Rande der Rosa-Luxemburg-Tage 2000 sprach Linksruck-Redakteur Luigi Wolf mit dem sozialistischen Aktivisten Luke "Bucharin" aus Simbabwe über aktuelle Perspektiven des Widerstandes in seiner Heimat.

Linksruck: Täglich erreichen uns neue Bilder von Gewalt aus Afrika. Oft erscheinen diese Auseinandersetzungen wie irrationale Gewaltausbrüche. Was steckt tatsächlich dahinter?

Luke: In Simbabwe steht zur Zeit der Konflikt um das Land der weißen Farmer im Vordergrund. Die Medien stellen es so dar, als ob die weißen Farmer, als legale und produktive Landbesitzer, jeden Tag Opfer von Gewalt würden.


Was dabei unterschlagen wird ist, daß die weißen Farmer, wie alle weißen Siedler in Afrika, weder friedlich noch legal an ihr Land gekommen sind. Sie haben das Land den Afrikaner gestohlen.


Später haben sie dann Gesetze erlassen die den Besitz der Weißen legalisierten. In Simbabwe wurden unter der Herrschaft des weißen Kolonialherrn Cecil Rhodes Afrikaner von allen fruchtbaren Ländereien vertrieben.


Sie mußten in die trockenen Regionen, wo man die afrikanischen Nutzpflanzen gar nicht anbauen konnte, ziehen.


Immer wieder sind Afrikaner gegen diesen Zustand aufgestanden: Die Mau-Mau-Bewegung in Kenia, Swapo in Namibia, der ANC in Südafrika oder die Zanu-PF in Simbabwe.


Überall war die wesentliche Frage die Frage der Verteilung des Landes. In Simbabwe war die Hauptmotivation der Freiheitskämpfer gegen das weiße Regime von Cecil Rhodes die Landfrage.


Viele Bauern haben ihre Kinder damals "Söhne des Bodens" genannt. Die Kampfslogans waren "Nieder mit den Landraffern! Nieder mit den Blutsaugern!"



Heute herrschen nirgendwo in Afrika mehr Weiße. Wieso ist die Landfrage noch immer nicht gelöst?


Heute sind in vielen afrikanischen Ländern die Führer der nationalen Befreiungsbewegungen an der Macht, wie Robert Mugabe in Simbabwe oder der ANC in Südafrika. Doch die Landfrage bleibt ungelöst, da diese Regierungen Kompromisse mit den weißen und schwarzen Landbesitzern eingegangen sind.


Heute werden viele Farmen von großen Unternehmen betrieben, die sogenannte "Cashcrops", Agrarprodukte für den Export, anbauen, während die Masse der Bauern landlos ist.


Deswegen gibt es überall in Afrika Unruhe. Es stimmt nicht, daß die Landbesetzer nur von Robert Mugabe bezahlte Schläger sind. Es sind die Bauern und Landlosen die ihr Land zurückfordern. Farmbesetzungen gab es auch schon vorher.



Afrika wird oft als "Kontinent ohne Hoffnung" gesehen. Wie siehst Du das?


Das ist falsch. Seit 1990 setzt die Regierung Mugabe Strukturanpassungsmaßnahmen des IWF und der Weltbank um. Sie bedeuteten eine Katastrophe für die Bevölkerung.


Tausende Arbeiter im Staatssektor wurden entlassen, die Löhne fielen und die Staatsausgaben für Soziales und Bildung wurden drastisch beschnitten. 1993 kam noch eine langanhaltende Dürre dazu. Die Produktion für den Weltmarkt bedeutete, daß die eigene Bevölkerung hungerte.


Seit 1995 gibt es dagegen wachsenden Widerstand: Zunächst fanden riesige Demonstrationen statt. 1996 streikte dann der Öffentliche Dienst. Das inspirierte Arbeiter in anderen Bereichen.


1997 gab es praktisch in jeder Branche Streiks, zum ersten Mal eine nationale Streikbewegung von Studenten, einen Aufstand mit Farmbesetzungen von Bauern und eine Rebellion von Bürgerkriegsveteranen die heute verarmt sind.


Das alles gipfelte in einem Generalstreik im Dezember. Danach kam es zu Straßenschlachten, als die Regierung Truppen gegen eine Demonstration von Hausfrauen, die gegen Brotpreiserhöhungen protestierten, entsandte.


Wir waren damals nur eine winzige sozialistische Gruppe. Wir produzierten 100 Exemplare von einer Flugschrift.


Doch die Leute vervielfältigten sie von alleine. Busfahrer und Fernfahrer nahmen die Kopien mit und verbreiteten sie so im ganzen Land.


Die Landbesetzungen können Mugabes Kontrolle schneller entgleiten als ihm lieb ist. Wenn man weiße Farmer enteignen kann, wieso soll man dann Privatisierungen, Lohnzurückhaltung und Massenentlassungen hinnehmen.


Hier liegt unsere Chance. Die afrikanischen Arbeiter vor allem in Südafrika und Simbabwe sind so stark wie noch nie organisiert. Ihre Kraft kann Afrika verändern.

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