Interview mit Tom Morello von RAGE AGAINST THE MACHINE
"Seattle war ein Fanal!"

5.000 Fäuste

Rage against the machine ist mehr als coole Musik. In Berlin unterbrachen sie mittendrin das Konzert und hielten eine wütende Rede gegen die Regierungsbeteiligung von Haider in Österreich und für das Leben von Mumia Abu Jamal. Das Publikum rastete völlig aus, 5.000 Fäuste gingen hoch das war der absolute Hammer!

Lucy, Berlin
Genossen!

In den Medien wird so getan, als würden die Fans von RATM nur aus Modegründen mit Che Guevara-Shirts rumlaufen, aber keine Ahnung haben, was sie damit meinen. Das ist totaler Unsinn. Beim Konzert in Köln haben wir mit neun Genossen über 90 Linksrucks verkauft! 30 Leute wollten weiter mit uns in Kontakt bleiben und sofort aktiv werden.

Asadeh, Köln
Die Schlacht von Hamburg

In der Halle gab es Infostände der Mumia-Kampagne. Auf der Bühne hing ein riesiges Transparent mit den Umrissen eines Straßenkämpfers mit geballter Faust. Dazu zwei fette rote Fünfzacksterne und die Aufschrift: „The Battle of Hamburg“ die Schlacht von Hamburg! So in etwa war dann auch die Stimmung.

Yaak, Hamburg

Die Europatournee von Rage against the machine, der derzeit erfolgreichsten amerikanischen Band, wurde zu einem Triumphzug durch das wachsende antikapitalistische Lager. Unsere britische Schwesterzeitung Socialist Worker sprach am Rande des Londoner Konzerts mit dem RATM-Gitarristen Tom Morello.

Welche Bedeutung hatte der Battle of Seattle für Euch?

Morello: Seattle war ein Fanal. Es hat Leuten klargemacht, warum massenhafte Organisierung notwendig ist.

Es war eine Rebellion von Arbeitern, Umweltaktivisten und Studenten gegen die Welthandelsorganisation, die WTO. Die Proteste waren geplant, sie waren gut organisiert und sie waren ziemlich clever.

Wenn man eine Konferenz wie diese effektiv dichtmacht, hat das einen gewaltigen Effekt.

Das ist der Grund, warum die Polizei so dermaßen brutal reagiert hat. Die haben kapiert, daß dieser Protest wirklich Substanz hatte, daß er ernst zu nehmende Kräfte repräsentierte.

Das zeigt, daß es eine schweigende Mehrheit in den USA gibt, die nicht einfach nur alles abnickt.

Die ganze Band war übrigens total happy, als wir einige Demonstranten in Seattle gesehen haben, die mit T-Shirts von RATM herumgelaufen sind.

Grade jetzt arbeiten wir mit einigen Organisatoren der Proteste zusammen. Wir wollen den Kampfgeist von Seattle auf unserer Tournee haben.

Der Geist von Seattle hat seinen Weg auch in Euer neues Video gefunden. Was erwartet uns?

Morello: Zwei Tage bevor wir hier nach England kamen, haben wir das Video für unsere neue Single „Sleep now in the fire“ gedreht.

Der radikale Regisseur Michael Moore hat die Dreharbeiten geleitet.

Wir drehten den Film auf den Stufen der Bundesbehörde, die gegenüber der New Yorker Börse in der Wall Street liegt.

Wir hatten RATM-Fans eingeladen, vorbeizukommen und in unserem Video mitzumachen. Ungefähr 300 kamen.

Plötzlich kam die Polizei daher und verhaftete Michael. Während sie ihn in den Knast abtransportierten, stürmte der Rest von uns die Börse.

200 oder so schafften es, durch die Eingangstüren zu kommen. Aber unsere Attacke wurde gestoppt, als mit lautem Krachen die Sicherheitsgitter aus Titanstahl runterkamen, die die Börse bei Unruhen schützen sollen.

Immerhin unterbrach unser Protest für die letzten zwei Stunden des Tages den Börsenhandel. Das war ein guter Tag: Ich schätze mal, wir haben die Massenentlassungen für wenigstens ein paar Stunden gestoppt…

Das schärfste ist, daß das alles in unserem neuen Video zu sehen sein wird.

Wie hängt der kommerzielle Erfolg von RATM mit der wachsenden Verbitterung der Jugend über die Zustände in der Gesellschaft zusammen?

Morello: Es gab immer Bands, die den Anspruch hatten, politische Musik zu machen. Aber was es noch nie gegeben hat, ist, daß eine eindeutig politische Band wie RATM 15 Millionen Platten verkauft.

Das hat natürlich viel mit der Art unserer Musik zu tun, die Punk, Hip-Hop und Hard Rock kombiniert.

Aber wir sehen unsere Musik als Teil einer kulturellen Schlacht. Wir wollen den ganzen Scheißdreck wegspülen, den das System jungen Leuten tagtäglich reinpresst. Wir versuchen, eine andere Sicht der Welt zu vermitteln.

RATM will eine Brücke zwischen der Musik und der Bewegung bauen.

Deshalb machen wir nicht nur viele Benefizkonzerte, sondern spenden auch einen Teil der Einnahmen für die Obdachlosenhilfe, die Kampagne für das Leben von Mumia Abu Jamal und Arbeiterorganisationen.

Ich selber wurde wegen öffentlicher Unruhestiftung verhaftet. Zack, unser Sänger, verbringt praktisch seine ganze freie Zeit in Mexiko, um den Befreiungskampf der Zapatisten zu unterstützen.

Der Schlüssel, echte Veränderung zu erreichen, ist nicht Musik es geht darum, politisch aktiv zu sein.

Wie bist Du selber zum politischen Aktivismus gekommen?

Morello: Ich bin in einer politischen Familie aufgewachsen. Mein Vater war in der kenianischen Unabhängigkeitsbewegung Mau Mau aktiv, meine Mutter war Aktivistin der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und in Kampagnen gegen staatliche Zensur.

Ich bin in einem weißen Vorort von Chicago aufgewachsen, in Libertyville. Es gab unter 14.000 Einwohnern nur einen schwarzen Menschen mich!

In den USA schwarz zu sein, ist eine ausgesprochen politisierende Erfahrung. Und Libertyville war nicht gerade der toleranteste Flecken Erde, auf dem man aufwachsen konnte.

Meine Mutter fand Material des Ku-Klux-Klan in ihrem Büro, irgendwelche Rassisten hängten einen Galgenstrick in ihrer Garage auf.

Als ich ins College ging, engagierte ich mich in der Bewegung gegen Apartheid und ging auf Demos gegen den Ku-Klux-Klan in Boston.

Wie kann man die Gesellschaft verändern?

Morello: Ich bin Sozialist. Es ist offensichtlich, daß man nur im Betrieb die Macht hat, die Maschinen lahmzulegen.

Aber ich würde niemals irgendwelche Bedingungen stellen, wer auf unserer Seite stehen darf. Soweit es mich angeht, war das Entscheidende in Seattle, daß jeder willkommen war.

Die Fan-Gemeinde der Band ist eher studentisch. Aber wenn wir ein RATM-Konzert spielen, schaue ich in die Menge, sehe diese ganzen jungen Leute und denke mir: Bald werden die alle Arbeiter sein!

Seattle und das, was wir bei jedem RATM-Konzert erleben, ermutigt mich sehr.

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