Krieg und Globalisierung in Nahost

Der Nahe Osten ist wie jede andere Region der Erde auch, von der Globalisierung verändert worden. Das Schicksal der Palästinenser ist eng verknüpft mit dem Verlangen des multinationalen Kapitals und der großen Weltmächte nach der Kontrolle von Ölvorkommen der Regio.


Der Nahe Osten und Zentralasien sind Schlüsselregionen für den globalen Kapitalismus. Im der Gegend um den Persischen Golf lagern über die Hälfte der weltweiten Ölvorkommen. Saudi-Arabien ist der größte Erdölexporteur der Welt. Aus diesem Grund wird das saudische Regime trotz einer verheerenden Menschenrechtsbilanz von den USA gestützt.


Der Zusammenbruch der Sowjetunion hat ein weiteres Feld für rivalisierende Großmächte geöffnet: Zentralasien. Rund um das Kaspische Meer liegen die zweitgrößten Erdölvorkommen der Welt, dazu große Erdgasvorkommen.


Um diesen Reichtum in die westlichen Märkte zu leiten versucht die US-Regierung seit langem eine Pipeline-Route zu finden, die sowohl Russland als auch den Iran umgeht. Die Südostroute über Afghanistan nach Pakistan ist kostengünstig und hätte den Vorteil, dass Pakistan ein pro-amerikanischer Staat ist. Es gab nur ein Problem: Der Westen hatte die afghanische Regierung nicht unter Kontrolle – ein Zustand, der durch den Afghanistan-Krieg beendet werden sollte.


Ölkonzerne waren die ersten Multis, und Öl das erste Markenprodukt. Lange bevor Nike und Adidas Sportschuhe mit Firmensymbolen verkauften, druckten Shell, Standard Oil und Gulf ihre Logos auf Kanister, Schiffe und Tankstellen. Diese riesigen Konzerne waren die ersten, die integrierte Produktions- und Verkaufsnetze aufbauten und über Kontinente hinweg operierten.


Die kapitalistische Gesellschaft hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts durch billiges Öl grundlegend verändert. 100 Jahre später ist die Abhängigkeit von Öl noch genauso groß, und obwohl die Ölvorräte abnehmen, steigt der Verbrauch stetig. Der Großteil der verbleibenden Reserven liegt im Nahen Osten.


Ölpipelines sind ein gutes Beispiel für die Funktionsweise des multinationalen Kapitals. Sie saugen den Reichtum in gewaltigen Mengen ein und leiten ihn in die Taschen der Reichen und Mächtigen. Für die einfachen Menschen dort gibt es keinen "Trickle-Down"-Effekt, der Reichtum "rieselt" nicht nach unten.


Obwohl in ihrer Region eine der wichtigsten Waren der Welt produziert wird, lebt die Mehrheit im Nahen Osten in Armut. Die Exporte Jemens bestehen zu 80 Prozent aus Öl. Aber der fallende Ölpreis führte 1998 zu einer 30 prozentigen Kürzung des Haushalts und einer weiteren 25 prozentigen im Jahr darauf. Die jemenitischen Stämme haben begonnen, Schulen und Krankenhäuser als Lösegeld für die Geiseln zu fordern, die sie entführen.


Die Geschichte des Nahen Ostens zeigt die enge Verbindung von Globalisierung und Imperialismus. Seit 1882 zum ersten Mal Kriegsschiffe vor Alexandria kreuzten, um die Profite britischer Spekulanten zu garantieren, haben Kapital und Imperialismus sich immer wieder gegenseitig unterstützt. Die USA als gegenwärtig dominierende Macht in der Region verfolgen zwei Strategien, um sicherzustellen, dass die Ölvorräte unter US-amerikanischer Kontrolle bleiben. Zum einen benutzen sie die üblichen Mittel: Sie üben durch den IWF Druck aus, liefern Waffen und greifen gelegentlich militärisch ein, um die Loyalität der örtlichen Machthaber zu sichern.


Zweitens aber, und das ist für sie viel wichtiger, unterstützen sie Israel. Dieser winzige Staat bekommt weltweit am meisten US-amerikanische Unterstützung, zum größten Teil als moderne Waffentechnik. Israel ist ein viel verlässlicherer Partner als die wackligen Monarchien und kränkelnden Juntas im restlichen Nahen Osten. Die israelische Zeitung Ha’aretz erklärte bereits 1951: "Falls die westlichen Mächte es aus irgendeinem Grunde einmal vorziehen sollten, die Augen zu verschließen, könnten sie sich darauf verlassen, dass Israel einen oder mehrere seiner Nachbarstaaten bestrafen würde, wenn deren Unhöflichkeit gegenüber dem Westen die Grenzen des Gestatteten überschritten haben sollte."


Israel wurde mit dem Versprechen gegründet, "einem Volk ohne Land ein Land ohne Volk" zu geben. In Wirklichkeit mussten mindestens eine halbe Million Palästinenser aus ihrem Land vertrieben werden, um für den israelischen Staat Platz zu schaffen. Heute gibt es laut UNO rund 4 Millionen palästinensische Flüchtlinge in den Lagern der Besetzten Gebiete, in Syrien, Jordanien und im Libanon. 1987 brach die Wut der Palästinenser in einem Aufstand gegen die Besetzung hervor.


Die erste Intifada führte zum Osloer Friedensprozess in den 90ern. Es schien, als hätte Israel endlich anerkannt, dass die Palästinenser nationale Rechte hätten. Aber besonders im Westen begriffen wenige, wie viel die Palästinenser geopfert hatten.


Bei den Verhandlungen ging es nicht um die Probleme der Palästinenser. Das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge, der Status von Ostjerusalem, die Kontrolle über das palästinensische Grundwasser, das die Hälfte des israelischen Wasserverbrauchs deckt, und der Abbau der israelischen Siedlungen wurden immer ausgeklammert.


Verhandelt wurde nur, wie die palästinensischen Ressourcen, hauptsächlich Wasser, Land und billige Arbeitskräfte, weiterhin für die israelische Wirtschaft nutzbar bleiben könnten, und dabei die Sicherheit der Israelis „in den Siedlungen und in Israel“, so der damalige israelische Premierminister Rabin, gewährleistet sei.


Er erklärte 1993, was er sich vom Osloer Friedensprozess erhoffte: „Ich bevorzuge es, wenn die Palästinenser mit dem Problem fertig werden, Ordnung im Gazastreifen herzustellen.


Die Palästinenser werden das besser können als wir, weil sie keine Anrufung des Obersten Gerichtshofes zulassen und der israelischen Menschenrechtsgesellschaft den Zutritt verweigern werden. Sie werden mit ihren eigenen Methoden herrschen und dabei, und das ist das wichtigste, den israelischen Soldaten die Arbeit abnehmen.“


Die Geduld der Palästinenser war schließlich aufgebraucht, als der rechte Oppositionsführer Sharon im September 2000 die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem besuchte. Als unerwartet viele Palästinenser kamen, um gegen Sharon zu protestieren, erschossen israelische Soldaten fünf Demonstranten und entfachten so einen neuen Aufstand.


Schon bevor die zweite Intifada begann, war die politische Situation im Nahen Osten äußerst explosiv. Der Prozess der Globalisierung hat auch dort schlimme Verwüstungen angerichtet. Der Lebensstandard der Menschen ist durch die Streichung staatlicher Subventionen gedrückt worden, und die Arbeitslosigkeit ist stark angewachsen. Die meisten Regierungen schulden den internationalen Finanzinstitutionen heute mehr als vor 20 Jahren. Für neue Kredite mussten die arabischen Staaten immer wieder "Strukturanpassungsprogramme" durchziehen, die den Lebensstandard der Bevölkerung weiter gesenkt haben. Nur eine kleine Oberschicht hat davon profitiert. Im Zentrum von Beirut verdrängen jetzt Starbucks-Cafés die traditionellen Kaffeehäuser. Die mageren Wasservorräte des Gazastreifens sind privatisiert worden.


Es ist kein Zufall, dass die Führer von Osama Bin Ladens Organisation Al-Kaida aus Ägypten und Saudi-Arabien kommen. Diese Länder sind die wichtigsten arabischen Verbündeten der USA. In Ägypten hat die Strukturanpassung zu außerordentlichem Elend unter der Bevölkerung geführt. Der Lebensstandard fällt ohne Unterbrechung seit 30 Jahren. Der ägyptische Präsident Mubarak hat mit US-Hilfe einen Staat aufgebaut, in dem jeder 17te als Polizist, Soldat oder Agent direkt mit der Unterdrückung der eigenen Bevölkerung beschäftigt ist.


Auch die saudische Wirtschaft ist seit 10 Jahren in der Krise. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen ist von 16.000 US-Dollar Anfang der 80er auf 7.000 US-Dollar gefallen.


Auch im Nahen Osten gab es Widerstand gegen die IWF-Politik. Im Juni 2000 blockierten in Teheran mehr als 3.000 Frauen eine Hauptstraße und verbrannten Autoreifen, um gegen die schlechte Versorgung mit Wasser, Gas und Strom zu protestieren. Gleichzeitig fanden in den Vororten Demonstrationen gegen die Erhöhung der Buspreise statt.


Der Widerstand der Arbeiterbewegung hat vor allem in Ägypten zu einer Verlangsamung der Privatisierungen geführt. Tausende von Arbeitern besetzten 1994 in Kafr al-Dawwar ihre Fabriken, um gegen Entlassungen und die Streichung von Zusatzleistungen zu protestieren. Der Streik endete erst, als die Armee nach drei Tagen des Straßenkampfes die Stadt besetzte.


Die Konfrontation zwischen Israels Armee und der palästinensischen Bevölkerung ist beispielhaft für den gesamten Konflikt der Region: Auf der einen Seite stehen die Konzerne, der IWF und die militärische Macht der USA und Israels und die korrupten arabischen Regierungen. Sie eint das Ziel, den Reichtum der Region auszubeuten, ohne die Bevölkerung zu beteiligen. Auf der anderen Seite stehen Millionen Araber, die sich trotz enormer Unterdrückung gegen ihre dauernde Enteignung wehren.


Gegen diese Herrschaft der Wenigen gegen den Willen der Mehrheit, wehrt sich auch die antikapitalistische Bewegung. Diese Bewegung bietet auch den Menschen im Nahen Osten eine Perspektive von unten.


Der Widerstand im Nahen Osten macht jedoch auch politische Fehler. Der radikale Islam dort zur dominierenden Oppositionskraft geworden. Wo islamische Bewegungen an die Macht gekommen sind, wie im Iran 1979, ist der Kreislauf aus Ausbeutung, Profitmaximierung, Sozialabbau und Privatiserung jedoch weitergegangen.


Ein ermutigendes Beispiel ist die Beiruter Gegenkonferenz zum WTO-Gipfel in Katar im November 2001. 800 Menschen nahmen Teil. Einer von ihnen meinte: "Ich weiß, dass viele Menschen gegen die Globalisierung sind. Ich habe die Demonstrationen in Nizza und Barcelona im Fernsehen gesehen. Die Globalisierung betrifft uns alle. Ob sie im Norden oder im Süden leben."


Hier liegt die Hoffnung für eine Region, die wie kaum eine andere unter der Macht von Konzernen und ihren militärischen Helfern leidet.

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