Gegen falsche linke Konkurrenz

Eine neue Linkspartei kann ein Ansporn für die PDS sein – wenn sie nicht die Unterschiede zur PDS betont.Zunehmend mehr Menschen protestieren gegen die Politik der sozialen Kälte und werben für eine Umverteilung von oben nach unten. Doch nicht nur der Klassiker Vermögenssteuer wird gefordert. Vielfältig sind die Alternativen zum Neoliberalismus, die ins Gespräch gebracht werden: vom gesetzlich garantierten Mindestlohn über die Rente mit Grundbetrag hin zur sozialen Grundsicherung für alle. Auch die Sprache des Protestes kennt dabei viele Ausdrucksformen: von Unterschriftensammlungen und Diskussionsforen bis hin zum zivilen Ungehorsam. Ebenso vielfältig sind die Strukturen, in denen sich die Protestbewegung organisiert. Während die einen nun endlich die Gründung eines Sozialforums in Deutschland in Angriff nehmen, denken andere über die Gründung einer weiteren Linkspartei nach. Das ist nicht neu. Als sich die 1997er Studierendenproteste auf ihrem Höhepunkt befanden, tauchte immer mal wieder die Idee auf, eine neue Partei zu gründen oder vorhandene Parteien zu unterwandern. Insofern sind Überlegungen zur Gründung weiterer Linksparteien für mich vor allem Ausdruck für die Lebendigkeit der jetzigen Protestbewegung.
Und doch sollte es die PDS nachdenklich stimmen, dass engagierte Menschen nach einer Partei der sozialen Gerechtigkeit suchen, ohne dabei den Weg zur PDS zu finden. Und dass, obwohl es die PDS war, die mit der Agenda Sozial ein schlüssiges Gegenkonzept zur Agenda 2010 von Schröder und Co. vorgelegt hat. Unsere Agenda Sozial, an deren Erarbeitung die verschiedenen Strömungen in der PDS mitwirkten, bringt die Kritik und den Protest gegen die sozialen Grausamkeiten auf den Punkt und unterbreitet konkrete Reformalternativen, die sich an den Leitbildern Solidarität, Selbstbestimmung, Schutz der Arbeitswelt vor dem »Terror der Ökonomie« und Umverteilung von oben nach unten orientieren.
Dass Menschen mit den gleichen Zielstellungen wie die PDS nicht in unserer Partei die Alternative sehen, macht in schmerzhafter Klarheit deutlich: Für die PDS darf auf keinen Fall der Leitspruch gelten: Ich will so bleiben wie ich bin. Nein! Die PDS muss sich gründlich von ihrer Selbstgenügsamkeit verabschieden und ihr oft viel zu bieder wirkendes Gewand ablegen. Widerstand gegen bestehende Verhältnisse und Gestaltung im Rahmen einer Koalition müssen kein Widerspruch sein. Beides muss im Sinne einer Umgestaltung der Gesellschaft hin zu einer anderen, sozialeren und gerechteren Welt verknüpft werden. Wir müssen uns auf wesentliche Forderungen, wie die gerechtere Verteilung von Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung, konzentrieren und sie auch durchhalten, wenn es Gegenwind gibt. Das ist vor allem dann schwer, wenn man in Verantwortung steht. Aber muss ein sächsischer PDS-Bürgermeister während des Streiks für die 35-Stunden-Woche wirklich VW seine Solidarität bekunden? Für diese notwendige Erneuerung der PDS, die oft ja auch eine Wiederbelebung alter Tugenden ist, für die Schärfung unseres Profils kann uns Konkurrenz im linken Lager vielleicht sogar anspornen. Insofern kann Lebendigkeit im linken Lager auch die PDS als linke Kraft in diesem Lande stärken.
Ob die verschiedenen Initiativen zur Gründung einer weiteren Linkspartei wirklich Menschen über längere Zeit für sich gewinnen können, muss sich noch zeigen. Bisher begründet sich ihr Medienerfolg vor allem in den Fehlern ihrer Gegner. Ohne die hysterischen Reaktionen der SPD-Spitze wäre das Presse-Interesse sicher nicht so groß gewesen. Falsch verstandene Konkurrenz innerhalb des linken Lagers wird aber nicht nur die PDS sondern die gesamte Linke schwächen. Kontraproduktiv wäre ein Kampf mit dem Ziel, sich gegenseitig die Mitstreiter und Mitstreiterinnen abspenstig zu machen. Kontraproduktiv wäre eine weitere Linkspartei, die sich nur durch eins definiert – durch ihre Differenz zur PDS.
Die entscheidenden Fragen, die vor allen Linken und allen sozial engagierten Menschen stehen, lauten: Wie können wir gemeinsam die Vorherrschaft neoliberaler Ideologien durchbrechen? Wie können wir ein weiteres Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich verhindern? Wie sorgen wir dafür, dass in dieser Gesellschaft Solidarität, Selbstbestimmung, Schutz der Arbeit vor Willkür und Umverteilung von oben nach unten auch wirklich umgesetzt werden? Wie gewinnen wir Mehrheiten in der Gesellschaft für einen Richtungswechsel in der Politik? Die glaubwürdigen Antworten hängen weniger an der Fähigkeit der Linken, neue Parteien zu bilden, sondern viel mehr daran, sich den Herausforderungen des Hier und Heute zu stellen.

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