Venezuela: In Armenvierteln wächst Widerstand gegen Reiche

In Venezuela droht Bürgerkrieg. Reiche Venezolaner und korrupte Gewerkschaftsbosse bekämpfen Arbeiter und Slumbewohner, um Präsident Chavez zu stürzen.In den vergangenen Wochen hat die Polizei in Caracas immer wieder Demonstranten erschossen, die für die Regierung von Chavez auf die Straße gegangen sind. Caracas, die Hauptstadt von Venezuela, ist zwischen Armen und Reichen in zwei gesellschaftliche Klassen gespalten. Im Osten wohnt die reiche, herrschende Klasse. Im Westen liegt die Innenstadt, die langsam in die Slums übergeht, welche die ganze Stadt umgeben. Heute ist die Spaltung nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische.

Die Polizei von Caracas untersteht dem Bürgermeister, der die Reichen offen dabei unterstützt, Chavez zu beseitigen. Die Bewohner der reichen Stadtteile demonstrieren seit Monaten für seinen Rücktritt.

Den Versuch, die Wirtschaft des Landes lahm zu legen nennen die Reichen fälschlicherweise Streik. Ihr Ziel ist es, Chaos hervorzurufen und damit Teile des Militärs für einen Putsch gegen Chavez zu gewinnen. Dagegen wehren sich Chavez‘ Unterstützer.

Einer der Demonstranten gegen Chavez sagte über seine Gegner: "Je schlimmer sie aussehen, desto mehr stehen sie hinter Chavez. Ich meine: Sie haben keine Zähne!" Chavez‘ Gegner, fügte er hinzu, seien "alle anständig aussehende Menschen".

Zu diesem Hass auf die Armen kommt starker Rassismus. Die Herrschende Klasse in Venezuela ist überwiegend Weiß. Das galt auch für die Präsidenten, bis vor vier Jahren Hugo Chavez gewählt wurde. Die Arbeiter und Slumbewohner dagegen, 70 Prozent der Bevölkerung, sind oft dunkelhäutig, weil sie von südamerikanischen Ureinwohnern oder schwarzen Sklaven aus der Karibik abstammen.

Chavez‘ Regierung hat kleine Schritte unternommen, den großen Reichtum der Herrschenden zu bekämpfen. Einige Reformprojekte sollen den Lebensstandard der verarmten Massen heben. Chavez setzte beispielsweise eine Reform durch, die landlosen Bauern erlaubt, unbestelltes Land zu benutzen. Viele arme Menschen verteidigen Chavez deshalb gegen die Reichen.

Aber immer mehr Menschen aus den Slums denken auch, dass die Regierung zu wenig unternimmt, um die Reformen wirklich durchzusetzen. Besonders seit Chavez den Reichen Zugeständnisse machte, wird er nur noch eingeschränkt unterstützt.

Selbst für die wenigen Schritte, die Chavez unternommen hat, wird er von den Reichen gehasst. Letztes Jahr haben der Arbeitgeberverband und korrupte Gewerkschaftsführer vier Mal gemeinsam zum Generalstreik aufgerufen, um Chavez loszuwerden.

Im April 2002 zwang ein Putsch Chavez, für drei Tage zu fliehen. Massendemonstrationen gegen seinen Nachfolger erreichten, dass er zurückkehren konnte. Seitdem wollen sich viele Arbeiter nicht mehr vor den Karren der Reichen spannen lassen, obwohl alle Zeitungen und privaten Fernsehsender ebenfalls gegen Chavez arbeiten. Dem letzten Streikaufruf folgten die meisten Arbeiter nicht.

Hauptsächlich die Manager legten Fabriken und Supermärkte lahm. Die Beschäftigten der Bus- U-Bahn- und Taxibetriebe beteiligten sich jedoch nicht. Auch in den Armenvierteln ging das Leben wie gewohnt weiter. Einige Gewerkschaftsbosse versprachen sogar, sich nicht an den Aktionen der Reichen zu beteiligen.

Nur die Ölindustrie konnte von der Opposition wirklich lahm gelegt werden. Venezuela ist der fünftgrößte Ölproduzent der Welt. Die Ölindustrie ist verstaatlicht, wird aber von einigen angehörigen der herrschenden Klasse kontrolliert.

Diese Elite wird von vielen höheren Angestellten der Ölindustrie sowie von den Kapitänen der Öltanker unterstützt. So hatten Chavez‘ Gegner trotz des Widerstands der Ölarbeiter die Möglichkeit, große Teile der Industrie zu behindern.

Die US-Regierung hofft, dass die Opposition gewinnt. Damit würde der Linksschwenk in Südamerika einen herben Rückschlag erleiden. Bereits den Putsch im April letzten Jahres hat die US-Regierung aktiv unterstützt (Linksruck berichtete). Zwei Wochen später unterstützte sie die Forderung der Herrschenden nach Neuwahlen. Nach dem gescheiterten Putsch sind viele US-Diplomaten allerdings vorsichtiger geworden und haben die offene Einmischung aufgegeben.

Der Klassenhass der Reichen auf die Armen in Venezuela fördert wiederum das Klassenbewusstsein unter den Bewohnern der Armenviertel. Ein Chavez-Gegner sagte: "Wir haben Angst, ins Zentrum von Caracas zu gehen. Früher gingen wir, aber heute muss man sich mit schäbiger Kleidung tarnen."

Weder die Regierung und ihre Unterstützer noch die Reichen sind bereit, sich zurückzuziehen. Die Gefahr eines Bürgerkriegs wächst. Ihr Hass auf Chavez hat die herrschende Klasse verleitet, sich offen gegen die Bevölkerung Venezuelas zu stellen. Möglicherweise können die Herrschenden Chavez jedoch nicht verjagen und müssen stattdessen noch mehr Macht abgeben.

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