Hartz IV: Für 3 Euro arbeiten

Was bringt „Hartz IV“? Darüber sprach Linksruck mit Angelika Klahr von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen.

Hartz IV: Das steht drin

In Zukunft wird es keine Arbeitslosenhilfe mehr geben. Die Arbeitslosenhilfe war von der Höhe des vorherigen Arbeitseinkommens abhängig.
Bald bekommen Arbeitslose bis zu 12 Monate lang Arbeitslosengeld und danach das Arbeitslosengeld II, das sich an der Höhe der heutigen Sozialhilfe orientiert. Das Arbeitslosengeld II ist nicht mehr vom Einkommen, sondern von der Bedürftigkeit abhängig.
Hartz IV bedeutet außerdem, dass viele Eingliederungsmaßnahmen wegfallen oder gekürzt werden. Darunter fallen die Strukturanpassungsmaßnahmen und die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), mit denen sich Arbeitslose bisher einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erarbeiten konnten. Das wird es nicht mehr geben.
Das Gesetz bringt neue Bestimmungen über die Zumutbarkeit von Arbeitsplätzen. In Zukunft müssen Arbeitslose jeden Job annehmen, bei dem sie mehr verdienen als das Arbeitslosengeld II. Das heißt: Mehr als 345 Euro im Westen und mehr als 331 Euro im Osten – pro Monat. Wenn sie das nicht wollen, wird ihnen die Unterstützung teilweise oder ganz gestrichen.

Infos, Hilfe und Aktionen

Am 1. Juni hat der Bundestag das Hartz-IV-Gesetz verabschiedet. Was kommt ab dem 1. Januar 2005 auf uns zu?
Wir rechnen mit einer Verarmung weiter Teile der Bevölkerung. Facharbeiter, Mittelstand – egal, was sie vorher verdient und in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben – ab dem 1. Januar 2005 gilt: Nach höchstens 12 Monaten bekommen sie Arbeitslosengeld II. Jeder Arbeitslose wird so ein potenzieller Konkurrent für einen Erwerbstätigen.

Der zuständige Minister Clement behauptet, nach dem Umbau des Arbeitsmarktes werde es vielen besser gehen.
Das trifft vielleicht auf einige ehemalige Sozialhilfeempfänger zu, die jetzt theoretisch Zugang zu Eingliederungsmaßnahmen haben. Das war früher nicht der Fall.
In den letzten Jahren sind solche Eingliederungsmaßnahmen aber zurückgefahren worden. Die Bildungsträger bekommen immer weniger Geld. Ich erwarte da keine Verbesserung.
Und was bedeutet „besser“? Was ist das für eine Verbesserung, wenn es einem Arbeitslosengeld-II-Bezieher früher sehr schlecht ging und in Zukunft ziemlich schlecht?
Wir werden eine Situation bekommen wie in den USA, wo die working poor (Arbeitende Arme, d. Red.) zwei oder drei Jobs brauchen, um über die Runden zu kommen.

Wenn es für die Arbeitslosen nicht besser wird – was soll dann diese Reform?
Schröder geht hier Hand in Hand mit dem Kapital. Beide Seiten finden, dass Arbeit zu teuer und das Tarifsystem zu starr ist. Hartz IV bedeutet, Arbeit billiger zu machen und Löcher in das Tarifsystem zu bohren. Damit tritt die Regierung den Gewerkschaften in die Kniekehlen.
Plötzlich hat man in den Betrieben eine Schicht von Leuten, die staatlich gezwungen werden, für Billiglöhne zu arbeiten. Das drückt auch die Tariflöhne. Zwar bieten diese noch einen rechtlichen Schutz, aber ihre Höhe gerät unter Druck. Es gibt ja immer mehr Öffnungsklauseln und Bereich ohne Tarifverträge.
Wer nur 3 oder 4 Euro in der Stunde bekommt, hat wahrscheinlich auch ein Interesse daran, 40 oder 45 Stunden in der Woche zu arbeiten, um überhaupt etwas zu verdienen. So übt Hartz IV auch noch Druck auf die Wochenarbeitszeit aus.

Was tun die Gewerkschaften jetzt gegen Hartz IV?
Im Herbst, wenn die Anträge auf das Arbeitslosengeld II bei den Arbeitslosen angekommen sind, wird es einen Aufschrei geben. Schon jetzt rufen hier viele Arbeitslose an. Ich spüre entweder Wut oder Verzweiflung. Es kommt darauf an, die Wut zu bündeln.
Darum rufen wir zu Aktionen in ganz Deutschland in der 47. Woche auf. Dabei wollen wir mit Initiativen und Bewegungen über die Gewerkschaften hinaus zusammenarbeiten.
Der Perspektivenkongress im Mai in Berlin hat den Anfang gemacht. Dort wurde auch der Plan für ein Sozialforum in Deutschland im Sommer 2005 gefasst.

Warum trifft sich DGB-Chef Sommer trotzdem mit Schröder?
Jahrzehntelang hatten Gewerkschafter das Gefühl, die SPD sei ihre Schwesterpartei. Das ändert sich jetzt. Aber das dauert halt. Ver.di-Chef Bsirske und IG-Metall-Chef Peters treten zurzeit härter gegenüber der Regierung auf.
Wenn wir Schröder wirklich unter Druck setzen wollen, dann müssen die Gewerkschaften die Kollegen noch viel stärker motivieren und aufklären. Die Gewerkschaften haben sich in der Vergangenheit zu sehr auf Tarifpolitik konzentriert und zu wenig Politik in die Betriebe getragen.
Dabei sind wir durchaus aktionsfähig. Wir haben gegen den Irak-Krieg in ganz Deutschland eine Großdemonstration sowie am 3.4.04 eine breite Mobilisierung gegen den Sozialabbau organisiert.

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