Bush greift nach der Weltherrschaft

Viele Kriegsgegner sagen zu Recht, dass die USA den Irak erobern wollen, um das Öl des Landes zu bekommen. Alex Callinicos erklärt dazu die langfristigen Ziele der Supermacht.Letztes Jahr entwickelte die US-Regierung eine neue Kriegsstrategie. Danach sollen die USA ihre Militärmacht nicht nur einsetzen, um mögliche Gegner abzuschrecken, sondern um scheinbare Bedrohungen im Keim zu ersticken.

"Während die Vereinigten Staaten stets bemüht sein werden, die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft zu gewinnen, werden wir nicht zögern, wenn nötig allein zu handeln, um unser Recht auf Selbstverteidigung durch Präventivaktionen auszuüben", heißt es im Papier "National Security Strategy".

Diese neue "Bush-Doktrin" hat sich eine kleine Gruppe führender US-Politiker ausgedacht: Vize-Präsident Cheney, Verteidigungsminister Rumsfeld, dessen Stellvertreter Wolfowitz und Sicherheitsberaterin Rice.

Ihre Strategie stammt aus den frühen 90ern, nach dem Ende des Kalten Krieges, unter Präsident Bush senior. Der Triumph der USA über die Sowjetunion war nach Meinung dieser Politiker nur das Vorspiel für neue angebliche Bedrohungen.

Damit sind nicht etwa der irakische Diktator Hussein oder der nordkoreanische Diktator Kim Jong Il gemeint. Als wirkliche Bedrohung ihrer Macht betrachtet die US-Regierung vielmehr Staaten, die mit den USA wirtschaftlich gleichziehen könnten.

Dazu gehören langjährige Konkurrenten auf dem Weltmarkt wie Deutschland und Japan, aber auch alte militärische Konkurrenten wie Russland. China betrachten die Herrschenden der USA wegen seines großen Wirtschaftswachstums besonders argwöhnisch. Wolfowitz schrieb vor einigen Jahren, China könnte bald die Rolle übernehmen, die Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts hatte, als der deutsche Kaiser seine neu erworbene wirtschaftliche Macht nutzte, um andere Länder auch militärisch herauszufordern.

Tatsächlich ist die wirtschaftliche Stärke der USA viel kleiner, als ihre überwältigende militärische Macht. In einigen Jahren könnte ihr Vorsprung sogar verschwinden, sollten andere große Volkswirtschaften schneller wachsen als die der USA.

Die "National Security Strategy" warnt: "Uns ist die mögliche Wiederentstehung alter Konkurrenzmuster unter den Großmächten bewusst." Einer von Bushs führenden Beratern für den Nahen Osten hat sogar geschrieben: "Die Bereitschaft, Gewaltmittel einzusetzen, ist für die USA lebenswichtig, um den Aufstieg eines weiteren globalen Rivalen für alle Zukunft auszuschließen." Genauso die "National Security Strategy": "Unsere Streitkräfte werden ausreichen, um potenzielle Gegner davon abzuhalten, eine militärische Aufrüstung zu betreiben in der Hoffnung, die Macht der USA zu übertreffen oder mit ihr gleichzuziehen."

Die Bush-Regierung will ihre gegenwärtige militärische Überlegenheit benutzen, um die globale Vormachtstellung des US-Kapitalismus zu zementieren. Der 11. September gab die Gelegenheit, dieses Ziel wesentlich aggressiver zu verfolgen, als es sonst möglich gewesen wäre. Die Besetzung des Iraks wäre eine Botschaft an Konkurrenten, die US-amerikanische Vormachtstellung nicht herauszufordern.

Gleichzeitig würden Forderungen der US-Wirtschaft erfüllt: Als Bush die Regierung übernahm, untersuchte Vize-Präsident Cheney die Energiebedürfnisse der USA. Ergebnis: Wenn die aktuelle, ökologisch katastrophale Wirtschaftspolitik der USA fortgeführt wird, werden sie 2020 65 Prozent ihres Öls einführen müssen.

Dadurch würden die USA wirtschaftlich zunehmend von Staaten in Zentralasien, Lateinamerika und dem Nahen Osten abhängig, deren Regierungen möglicherweise nicht mit den USA verbündet sein wollen. Deshalb errichten die USA seit dem 11. September neue Militärstützpunkte, vor allem in Zentralasien.

Im Irak liegen die zweitgrößten Ölreserven der Welt. Eine von den USA erzwungene Marionettenregierung – wie die von Karsai in Afghanistan – würde US-amerikanische Ölimporte garantieren. In Saudi-Arabien gibt es noch größere Ölreserven als im Irak. Das Bündnis zwischen den USA und der saudischen Königsfamilie ist seit dem Zweiten Weltkrieg entscheidend für die Kontrolle der USA über den Nahen Osten. Aber das Verhältnis verschlechtert sich. Die Unterstützung der USA für die israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete ist in Saudi-Arabien so verhasst, dass die Diktatur des Landes gestürzt werden könnte.

Weil Osama bin Laden ebenso wie 15 der 19 Flugzeugentführer des 11. Septembers aus Saudi-Arabien stammen, wollen viele auf dem rechten Flügel der US-amerikanischen Republikanischen Partei das Land zu Bushs "Achse des Bösen" hinzufügen. Eine US-amerikanische Besetzung Iraks würde die Abhängigkeit der USA vom saudischen Öl vermindern. Gleichzeitig würde die Machtstellung der USA im Nahen Osten enorm gesteigert.

Wie es das einflussreiche rechte Politikinstitut Stratfor ausdrückt, soll ein Krieg gegen den Irak, "den Status Quo in der Region neu definieren. Geopolitisch wird er Länder wie Syrien und Saudi-Arabien vollkommen von US-Militärkräften umzingeln lassen und den Iran teilweise."

Über das letzte Element der Strategie der Regierung schreibt Bush selbst im Vorwort der "National Security Strategy", der US-amerikanische Kapitalismus sei das "einzige tragfähige Modell für nationalen Erfolg". An anderer Stelle hebt das Dokument die Unterstützung der USA für weitere Handelsliberalisierung durch die Welthandelsorganisation und Regionalabkommen wie die amerikanische Freihandelszone hervor. Weiter heißt es, dass Russland und China große Konflikte vermeiden könnten, solange sie "gemeinsame Werte" akzeptierten – die des freien kapitalistischen Marktes. Bush und Komplizen wollen ihre militärische Stärke nicht nur einsetzen, um die US-Vorherrschaft zu verewigen, sondern auch, um das neoliberale Modell des Kapitalismus weltweit durchzusetzen, das seit den Protesten gegen den Kongress des Internationalen Währungsfonds’ in Seattle 1999 weltweit kritisiert wird.

Der US-Krieg ist ein Beispiel für die großen Probleme unserer Welt: kapitalistische Ausbeutung, imperialistische Herrschaft und Umweltzerstörung. Da der Krieg so eng mit der US-Vorherrschaft zusammenhängt, haben die meisten anderen mächtigen Staaten Probleme damit. Das hat zu einem Streit zwischen den USA und ihrem engsten Verbündeten Großbritannien und den andern beiden starken europäischen Mächten, Frankreich und Deutschland, geführt.

Diese Konflikte sind bedeutend, es wäre allerdings ein Fehler, sich darauf zu verlassen, dass sie zu Frieden führen. Erstens haben alle großen kapitalistischen Staaten trotz ihrer Streitigkeiten wichtige gemeinsame Interessen. Die Europäische Union treibt das neoliberale Wirtschaftsmodell ebenso aggressiv voran wie die USA.

Zweitens führt die gegenwärtige Vorherrschaft der USA dazu, dass niemand die USA allzu sehr reizen möchte. Russland ist bereits dabei, sich in ihre Verbündeten einzureihen.

Der deutsche Kanzler Schröder ist gegen einen Krieg gegen den Irak, will aber die USA nicht daran hindern, ihre Militärstützpunkte in Deutschland zu benutzen. Der französische Präsident Chirac hat bereits den größten Flugzeugträger der Welt in den Nahen Osten geschickt.

Vor langer Zeit nannte Karl Marx die kapitalistische Klasse "feindliche Brüder", die sich um ihren Anteil an der Beute streiten, aber zugleich miteinander verbündet bleiben, weil ihre Beute immer denselben Ursprung hat: die Ausbeutung der Arbeiterklasse.

Das gilt ebenfalls für den Weltimperialismus, unter dem wir leben: eine Welt, beherrscht von einer Handvoll riesiger kapitalistischer Mächte, die untereinander um wirtschaftliche und militärische Macht streiten, die aber, zusammen mit schwächeren kapitalistischen Staaten, allesamt die weltweite Arbeiterklasse ausbeuten. Anstatt darauf zu setzen, dass die Rivalen der USA Bushs Krieg stoppen, sollten wir auf Massenmobilisierungen gegen den Krieg setzen, die manchen Regierungen schon große Probleme bereiten.

Auf den großen Antikriegsdemonstrationen haben viele Aktivisten ihren Widerstand gegen einen Angriff auf den Irak mit dem allgemeinen Wahnsinn des Systems verbunden. Heute haben wir die Chance, eine Massenbewegung aufzubauen, die nicht nur den Krieg, sondern seine Ursache, den Kapitalismus, bekämpft.

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