Bolivien: Wie man sich gegen globale Konzerne wehrt

Im Jahr 2003 hat die Bevölkerung durch Massenproteste den Präsidenten gestürzt. Jetzt bekommt sein Nachfolger Carlos Mesa Druck.Montag, 10. Januar: In Bolivien gehen tausende Menschen auf die Straßen, um gegen die neoliberale Politik von Präsident Mesa zu protestieren, der Privatisierungen und soziale Verschlechterungen vorantreibt. Drei Tage lang blockieren die Demonstranten die Zufahrtsstraßen der Großstadt El Alto oberhalb von La Paz. Auch in der Stadt Santa Cruz de la Sierra einige hundert Kilometer östlich von La Paz sind die Straßen blockiert.
Soziale Bündnisse, Nachbarschaftsvereinigungen und der Gewerkschaftsdachverband COB hatten zu Protesten und Streiks aufgerufen.

Gründe für die neuen Massenproteste sind vor allem die Erdgaspolitik der Regierung und die Privatisierung der Wasserversorgung. Seit 1997 ist in El Alto und La Paz der Konzern Agua del Illimani für große Teile der Trinkwasserversorgung und der Abwassersysteme zuständig. Das Wasserkonsortium gehört dem französischen Großkonzern Suez, und auch die Weltbank verdient mit: Die Weltbanktochter International Finance Corporation ist mit 8 Prozent an dem Konsortium beteiligt. Seit der Privatisierung ist die Wasserversorgung schlechter geworden, und die Preise wurden erhöht.
Im Dezember strich die Regierung dann die Subventionen für Benzin und Diesel. Als Grund nannte sie Auflagen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Dadurch stiegen die Brennstoffpreise um bis zu 23,5 Prozent. Viele Bolivianer können sich die Preise für Wasser und Benzin nicht leisten, denn über 80 Prozent der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze.

Die Gewerkschaften fordern deshalb, dass die Wasserversorgung und die Gas – und Ölvorräte des Landes wieder verstaatlicht werden. Jetzt musste sich die Regierung geschlagen geben: Dem Wasser-Multi Suez wurde der Vertrag gekündigt. Abel Mamani vom Dachverband der Nachbarschaftsvereinigungen meinte, der Erfolg sei „ein Sieg für die Bevölkerung“.

Die Wut der Bevölkerung hat aber auch noch einen anderen Grund: Im Oktober 2003 hatten ihre Massenproteste den Sturz des damaligen Präsidenten Sanchez de Lozada erreicht. Bei den Unruhen vor zweieinhalb Jahren wurden mehr als 60 Menschen von Polizisten und Soldaten ermordet, Zehntausende hatten wochenlang für eine neue Regierung gekämpft. Jetzt führt de Lozadas parteiloser Präsidentschaftsnachfolger Mesa genau die gleiche neoliberale Politik fort. Viele Bolivianer sind enttäuscht. Mesa betreibe „eine Politik der Lüge“, sagt Angel Villacorta von der Gewerkschaft der Transportarbeiter. Als er das Amt 2003 antrat, versicherte er, auf die Forderungen der Protestierenden eingehen und eine sozialere Politik machen zu wollen. Jetzt richtet sich seine Politik gegen die Bevölkerung und begünstigt die Konzerne.

Auch Evo Morales, Vorsitzender der Oppositionspartei „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) war 2003 auf der Straße. Lange hat er den neuen Präsidenten unterstützt. Jetzt sagt er: „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass sich Carlos Mesa zum Hauptfeind des bolivianischen Volkes erklärt hat.“

Die Demonstranten fordern jetzt Neuwahlen. Dass sie die Macht haben, einen Präsidenten aus dem Amt zu jagen, haben sie vor zwei Jahren schon gezeigt.

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