Der Staat des Kapitals

„Der Kapitalismus ist aus sich heraus weder sozial noch gerecht. Er braucht ein Korrektiv – einen starken Staat, der die Schwachen vor den Starken schützt. Dafür brauchen wir die politischen Mehrheiten“, sagte Oskar Lafontaine, Vorsitzender der Linksfraktion bei einer Podiumsdiskussion über „Sozialismus als Tagesaufgabe in Berlin“.

Karl Marx hätte Lafontaines Kritik am Kapitalismus zugestimmt. Doch dass die Linken den Staat übernehmen können, um den Menschen Gutes zu tun, glaubte Marx nicht.

Im „Kommunistischen Manifest“ schrieb Marx: „Der moderne Staat ist eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, der ideelle Gesamtkapitalist.“ Damit meinte Marx, dass der Staat kein neutrales Gebilde ist, das nur vom Parlament kontrolliert wird.

Die Mächtigen des Staates sind keine gewählten Volksvertreter, sondern Armee- und Polizeioffiziere, Richter und hohe Beamte. Sie gehören zur selben Gesellschaftsschicht wie die Vorstände der Konzerne. Während die Regierungen wechseln, bleibt der Staatsapparat bestehen.

Die Männer und Frauen, die den Staat kontrollieren, haben geschworen, die bestehende Ordnung und damit auch die Macht der Konzerne zu verteidigen. Im Grundgesetz ist das Recht auf Privateigentum festgeschrieben.

Hartz-IV-Empfänger vertreibt der Staat jedoch aus ihren Wohnungen oder er lässt das Eigentum von zahlungsunfähigen Bürgern zwangsversteigern. Hauptsächlich schützt der Staat das, was Marx das „Privateigentum an Produktionsmitteln“ nannte: Fabriken, Büros, Maschinen, die Quelle der wirtschaftlichen Macht der Kapitalisten.

Diese Macht ist sehr groß. Etwa 200 Großkonzerne beherrschen die Weltwirtschaft. Sie werden geleitet von etwa 1500 Vorständen. Eine kleine, nicht gewählte Gruppe von Superreichen und Managern herrscht über tausende Milliarden Euro und regiert damit die Welt.

Sie entscheiden über Investitionen und über Schaffung oder Abbau von Arbeitsplätzen. Der Staat schränkt diese Freiheit nicht ein, sondern sichert sie über Gesetze ab.

In der Geschichte des Kapitalismus gab es auch Reformen und Gesetze, die das Leben der Menschen verbessert haben. Deshalb scheint es so, als ob Regierungen über den Staat die Macht der Konzerne begrenzen und die Auswüchse des Kapitalismus korrigieren könnten.

Doch diese Reformen waren meist nur möglich, wenn die kapitalistische Wirtschaft stark wuchs, wodurch es sich die Unternehmen leisten konnten, einen kleinen Teil ihres Profits abzugeben. Zum zweiten brauchte es für soziale Reformen eine starke Bewegung, die sie erzwingt.

Heute wächst der Kapitalismus kaum noch. Deshalb versuchen Unternehmer, ihre Profite durch Angriffe auf Arbeiter und den Sozialstaat zu erhöhen. Der Staat unterstützt sie dabei.

Beim Streik der Gewerkschaft IG Metall 2003 in Ostdeutschland hat die Polizei per Hubschrauber Streikbrecher in Betriebe geflogen. Auch beim Streik bei Infineon München vor zwei Wochen bahnte die Polizei Streikbrechern den Weg in das Werk.

Der von Marx beschriebene kapitalistische Charakter des Staates ist heute offensichtlicher als vor zwanzig Jahren. Das musste auch Lafontaine erfahren, als er 1999 von Konzernen aus dem Amt des SPD-Finanzministers gedrückt wurde, weil er eine geringe Besteuerung von Unternehmensrücklagen vorgeschlagen hatte. Niemand im Apparat des Finanzministeriums rührte einen Finger um ihm zu unterstützen.

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