Alexandra Kollontai: Kämpferin für Frauenbefreiung

Der Internationale Frauentag am 8. März, ist der Tag, der für den Kampf von Frauen gegen ihre Unterdrückung steht. Eine der Gründerinnen des Frauentages war Alexandra Kollontai. Sie gehörte zu denen, für die der Marxismus der Schlüssel zur Befreiung der Frau ist. Ihr Leben und Wirken zur Zeit der russischen Revolution 1917 ist eine Inspiration dafür, wie auch heute noch gegen die Unterdrückung der Frau gekämpft werden kann

Kollontai, 1872 geboren, fängt an, sich mit der marxistischen Theorie zu beschäftigen, als sie 24 Jahre alt ist. Es ist eine Zeit, in der sich das zaristische Rußland im Umbruch befindet. Die feudalistischen Strukturen werden immer mehr von der kapitalistischen Produktion in den Hintergrund gedrängt. Statt vieler Kleinbauern, die ihr eigenes Stück Land besitzen, gibt es immer mehr besitzlose Arbeiter, die ihre Arbeitskraft in Manufakturen und Fabriken verkaufen müssen.
Bei einem Besuch einer Webermanufaktur in der russischen Stadt Narwa beginnt Kollontai, sich darüber Gedanken zu machen: Die Unterjochung der 12.000 Weber und Weberinnen hat mich sehr erschüttert. Ich war damals noch keine Marxistin, neigte eher den "Volkstümlern" oder dem Terrorismus zu. Nach dem Besuch in Narwa beschäftigte ich mich dann mit Marxismus und Ökonomie.

Der Marxismus sieht in den Arbeitern, den Menschen, die im Kapitalismus den Reichtum produzieren, das Potential zur Veränderung dieser Gesellschaft.

Die Arbeiterklasse in Rußland beginnt sich gegen die unglaublichen Umstände, unter denen sie leben und arbeiten muß, zu wehren. Das überzeugt Kollontai: Trotz aller Rechtlosigkeit und Unterdrückung wuchs das Bewußtsein des Proletariats. Diese beeindruckende Tatsache vor Augen, entschied ich mich endgültig für das Lager der Marxisten. Sie wird in der russischen Sozialdemokratie aktiv und geht 1915 zu den sozialistischen Bolschewiki..

Frauen

1905 brach in Rußland die erste Revolution gegen das Zarentum aus. Zu dieser Zeit beginnt sich Kollontai intensiv mit der Frauenfrage zu beschäftigen. Der Streik der Textilarbeiterinnen in Petrograd hat zur Klärung meiner politischen Ansichten beigetragen. Bis zu 36.000 Arbeiterinnen haben daran teilgenommen.

Der entrechtetste Teil des Proletariats wird plötzlich zum stärksten. Frauen, die als Arbeiterinnen immer eine untergeordnete Rolle gespielt haben, beteiligen sich nun in Massen an den Kämpfen und Demonstrationen. Überall an den Straßenecken sind es Frauen, die politische Reden halten. In einer Zeit voller Unruhen und Streiks lernten die getretenen, schüchternen und rechtlosen proletarischen Frauen, plötzlich fest und aufrecht zu stehen. Die egoistischen, engherzigen und politisch rückständigen „Weibchen“ wurden gleichberechtigte Kämpfer und Genossen. Diese Transformation ist signifikant und wichtig, weil es aufzeigt, wie die Teilnahme an der Arbeiterbewegung die Frauen zu ihrer Befreiung führt.

Kollontai erkennt, daß die Befreiung der Arbeiterklasse ohne die Frau nicht möglich ist. Ein Drittel aller Werte, die die Arbeiterklasse zu der Zeit produziert, wird von Frauen erwirtschaftet. Will die Arbeiterklasse für ihre Befreiung kämpfen, muß sie dies geschlossen tun.

Kollontai kämpft darum, daß in der Arbeiterbewegung die Befreiung der Frau eines der Kampfziele wird und das Arbeiterinnen in die sozialdemokratische Partei gehen.

Immer wieder macht Kollontai ihre Parteigenossen auf die Vernachlässigung der Frauenfrage aufmerksam. Doch die Reaktion darauf ist eher verhalten. Kollontais Versuche, autonome Frauengruppen zu Gründen, stößt auf Ablehnung. Ich erinnere mich (…) an den ersten mißglückten Versuch, mit Einverständnis der Petersburger Komitees eine Versammlung von Arbeiterinnen durchzuführen. (…) Das Petersburger Komitee hatte uns für diesen Abend einen Raum versprochen. Als wir (…) kamen, war besagter Raum nicht nur verschlossen, sondern irgendein Flegel hatte zudem an die Tür die Worte geschmiert: „Die Versammlung nur für Frauen findet nicht statt, morgen eine Versammlung nur für Männer“.

Die Ablehnung, auf die Kollontai seitens der Partei stößt, entspringt der Rückständigkeit, die zu der Zeit in den Köpfen vorherrscht. Die Gesellschaft in Rußland ist sexistisch und selbstbewußte Frauen gelten als nicht schicklich.

Die Ablehnung ist aber auch Ausdruck der Angst davor, daß Frauen die Arbeiterbewegung spalten würden. Schließlich seien sie es, die die Löhne der Männer durch Billigarbeit drückten.

Kollontai argumentiert, daß nicht Arbeiterinnen für die Billiglöhne verantwortlich sind, sondern der Kapitalist, der doppelt profitiert von der Ausbeutung der Arbeiterinnen und der Spaltung zwischen weiblichen und männlichen Arbeitern. Gemeinsam gilt es gegen den Kapitalisten und gegen Billiglöhne und damit auch gegen die Rückständigkeit in den Köpfen zu kämpfen.

Feminismus?

Die Revolution 1905 scheitert und gegen Kollontai wird vom zaristischen Militär ein Haftbefehl ausgesprochen. Um dem Gefängnis zu entgehen, flieht sie 1908 nach Deutschland und ist dort illegal für die Sozialdemokratie aktiv.

Sie arbeitet eng mit der deutschen Revolutionärin Clara Zetkin zusammen. Gemeinsam kämpfen sie für den Aufbau einer proletarischen internationalen Frauenbewegung und führen gleichzeitig einen harten Kampf gegen die bürgerlichen Feministen, gegen die Kollontai schon in Rußland gekämpft hatte.

Ziel der Feministen ist es, die rechtliche Gleichstellung der Frau mit den Männern ihrer Klasse zu erlangen. Doch Kollontai und Zetkin glauben, daß die Befreiung der Frau auf anderem Weg erreicht werden muß. 1909 schreibt Kollontai: Der Kampf um politische Rechte, für das Recht auf einen Doktorentitel und andere akademische Grade und für gleiche Bezahlung gleicher Arbeit, ist nicht der ganze Weg zur wirklichen Gleichstellung . Um wirklich frei zu sein, müssen Frauen gegen die harten Fesseln der bürgerlichen Familie kämpfen.

Für Kollontai ist die Familie das Grundübel der Unterdrückung der Frau. Im Feudalismus war die Familie eine Arbeitseinheit, die gemeinsam ums überleben kämpfte, indem sie auf ihrem eigenen Grund und Boden ihren Lebensunterhalt erwirtschaftete. Im Kapitalismus dient die Familie den Kapitalisten. Er profitiert von dieser kostenlosen Reproduktionseinheit. Das heißt, die Familie ist der Ort, an dem sich die Arbeiter nach der Arbeit erholen, um am nächsten Tag wieder die volle Arbeit leisten zu können. Die Reproduktionsarbeit Waschen, Kochen und Kindererziehung übernimmt die Frau. Und obwohl sie immer mehr an der gesellschaftlichen Produktion teilnimmt und ihr eigenes Geld verdient, ist sie gesetzlich vom Mann abhängig und wird von ihm bevormundet.

Auf diese Art und Weise wird die Familie erhalten. Auf Kosten der Rechte der Frau und im Interesse der Kapitalisten.

Nur mit der Errichtung einer neuen Gesellschaft, in der das wichtigste nicht der Profit ist, kann die Familie abgeschafft und die Frau endgültig befreit werden.

Sozialismus

Eine solche neue Gesellschaft entsteht kurzzeitig währen der Revolution 1917 in Rußland. Der Auftakt für diese Revolution ist der internationale Frauentag.

Es war die Idee Zetkins und Kollontais, die diesen Tag 1911 zum ersten mal ins Leben gerufen hatte.

Am Frauentag 1917 in Rußland fangen in mehreren Textilfabriken die Arbeiterinnen an zu streiken. Zwei Tage später sind 90.000 Arbeiter auf den Straße von Petrograd, angeführt von den Frauen.

Ein Zeuge erzählt: Die Arbeiterinnen, angetrieben von der Verzweiflung über Hunger und Krieg, fegten wie ein Hurrikan über alles hinweg, der mit einer elementaren Kraft alles vorher bestehende zerstört. Der revolutionäre Marsch der Arbeiterinnen, voll mit dem Haß auf Jahrhunderte der Unterdrückung, war der Funke der die Flamme der Februarrevolution, der Revolution, die den Zaren stürzte, entzündete.

Aus dem Protest der Arbeiterinnen in Petrograd wird eine Streikwelle, die über das ganze Land rollt. Die Arbeiter, angeführt von den Bolschewiki, stürzen den Zaren und enteignen die Kapitalisten. Eine neue provisorische Regierung wird gebildet. Im Oktober 1917 wird diese ebenfalls gestürzt, die Bolschewiki und die Arbeiterräte übernehmen die Macht.

Zum ersten Mal in der Geschichte haben die ausgebeuteten Massen die Kontrolle über die Produktion. Das macht den Weg frei, um auch die Reproduktion in die Hände des Kollektivs zu legen und damit die Frau aus der Familienstruktur zu befreien.

Alexandra Kollontai ist die erste, die die Befreiung der Frau durch konkrete Maßnahmen erreicht. Sie wird zur Volkskommissarin für soziale Fürsorge ernannt und nimmt die Vergesellschaftung der Reproduktion sofort in die Hand. Kommunale Restaurants werden eingerichtet. Wäschereien, Kinderbetreuung, Mütterwohnheime all dies ermöglicht es, Frauen zu gleichberechtigten Mitgliedern der Gesellschaft zu machen. Gleichzeitig wird die Frau auch rechtlich gleichgestellt. Zwangsheiraten werden abgeschafft, daß Scheidungsgesetz liberalisiert, Homosexualität entkriminalisiert. Zum ersten mal weltweit Abtreibung legal.

Kurz, es alles wird getan um die Familie als Institution überflüssig zu machen.

Die Tatsache, daß alle Menschen vollwertige Mitglieder der Gesellschaft sind, ändert auch die Beziehungen untereinander. Neue Ideen für das gesellschaftliche Zusammenleben entwickeln sich und Kollontai analysiert als erste Revolutionärin, wie die materiellen Umstände unter denen wir leben mit den zwischenmenschlichen Beziehungen und Sexualität zusammenhängen.

Stalin

Die stalinistische Konterrevolution macht all das, was Kollontai und ihre Genossen so mühsam erkämpft hatten wieder zunichte. Die Frau wird wieder in ihre traditionelle Domäne Heim und Herd zurückgedrängt und es heißt unter Stalin: Eine Frau ohne Kinder verdient unser Mitleid, den sie kennt die vollständige Erfüllung des Lebens nicht.

Inspiration

Kollontai war ein Kind der russischen Revolution. Sie wuchs mit ihr, blühte mit ihr auf und war eine ihrer bekanntesten Führerinnen. Gleichzeitig fiel sie aber auch mit ihr. 1922 ging Kollontai als Diplomatin nach Norwegen und Schweden. Politisch wird es sehr still um sie. 1952 stirbt Alexandra Kollontai in Moskau.

Dennoch sind Jahre der russischen Revolution und das Wirken Kollontais ein inspirierendes Beispiel dafür, wie man auch heute noch um die Befreiung der Frau kämpfen kann.

Der Kampf um Frauenbefreiung darf auch heute nicht getrennt werden, von dem Kampf um die Befreiung der Arbeiterklasse.

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