Weltwirtschaftskrise: Das System der Bosse würgt Brasilien

Am Mittwoch den 13. Januar gerieten die Banker einmal mehr in Panik.Brasilien, die achtgrößte Wirtschaft der Welt, war nach heftigen
Turbulenzen gezwungen, seine Währung, den Real, abzuwerten. Die Brasilienkrise
ist ein drastischer Rückschlag für die Versuche der letzten Monate,
die Weltwirtschaft unter Kontrolle zu bringen. Der Internationale Währungsfond
(IWF) und die G7-Staaten hatten erst letzten Herbst Geld zur Verfügung
gestellt, um unter dem Motto „Vorsorge statt Rettungsaktion“ die befürchtete
Ausbreitung der Asienkrise zu verhindern.

Das grundsätzliche Problem kann der IWF aber nicht beseitigen –
es ist das System selbst. In der Marktwirtschaft konkurrieren verschiedene
Konzerne, ohne jegliche Abstimmung untereinander, um den selben Weltmarkt.

Jeder will ein möglichst großes Stück – das Ergebnis
sind Überproduktion, Preisverfall und Krise.

Der Kapitalismus ist ein irrationales System. Obwohl die Weltwirtschaft
stagniert, können die Unternehmen noch Milliardengewinne auf den Finanzmärkten
und Börsenparketten machen. Solange die Anleger immer weiter Geld
in diese Spekulationsblase stecken, scheint alles in Ordnung.

Panik

Die Kluft zwischen Börsenkursen und Realwirtschaft weitet sich
dabei aber stetig.

Wann immer die eigentliche Krise in einem Land unübersehbar wird,
beginnt eine Kettenreaktion. Plötzlich ziehen alle Anleger in Panik
ihr Geld zurück – wer jetzt zögert, bekommt schon bald nichts
mehr für seine Aktien oder Staatsanleihen.

Diese irrwitzige Dynamik konnte man nacheinander in den Tigerstaaten,
Rußland und jetzt Brasilien bewundern.

Nach einigen Turbulenzen und massiven Geldspritzen stabilisierte sich
das System als ganzes bisher wieder. Auch, weil die abgezogenen Gelder
woanders, meist in den USA oder Europa, neu angelegt werden und damit dort
neue Profite ermöglichen.

Demgemäß sind in den drei Monaten nach der Rußlandkrise
über 40 Milliarden Mark aus Brasilien abgeflossen.

Kredit

Der IWF wollte mit einem 70-Milliarden-Kredit genau das verhindern
– die Anleger sollten Vertrauen in die brasilianische Zahlungsfähigkeit
bekommen. Die Wirkung war das Gegenteil, wie das Wallstreet Journal schrieb:

„Der Kredit (…) mußte in den Taschen der Spekulanten landen,
die Brasilien verlassen, die Staatsverschuldung erhöht sich um den
Betrag des Kredits. (…) Die Spekulanten wenden sich dem nächsten
Ort des Geschehens zu.“

Der IWF hat somit das Geld westlicher Banken und Fonds geschützt,
nicht die brasilianische Wirtschaft. Dieses Spiel wird nur solange gutgehen,
solange die Krise der Wirtschaft die USA und Europa verschont. Bereits
jetzt sind die Folgen der Finanzkrise in den betroffenen Ländern fürchterlich.

Auswirkung

Um das Vertrauen der Anleger zu gewinnen, beschloß die Regierung
im Januar ein Sparpaket in Höhe von 30 Milliarden Mark – es sollen
die Verbrauchersteuern erhöht, die Löhne gesenkt, im öffentlichen
Dienst entlassen und die sozialen Programme gekürzt werden.

Und das in einem Land, in dem schon heute die Hälfte der Bevölkerung
unter der Armutsgrenze lebt. Zusätzlich sind aufgrund der Geldentwertung
Lebensmittel und Benzin um 10% bis 20% teurer geworden.

Die Bosse wollen die Arbeiter für die Krise zahlen lassen. Bei
VW, dem größten Autohersteller in Brasilien, wurden die Löhne
um 15% gekürzt, ebenso bei General Motors (GM).

Tausende Arbeiter bei GM wurden in unbezahlten und unbefristeten Urlaub
geschickt. Ford hat sogar 2.800 Arbeiter entlassen.

Arbeiter

„Wir essen weniger Fleisch und mehr Reis und Bohnen, wir tun alles,
um hier und da einen Groschen zu sparen,“ meinte ein Kollege. In zwei Ford-Werken in Brasilien besetzten die Arbeiter ihre Betriebe – unterstützt durch einen Solidaritätsstreik der Kollegen bei
VW. Unter dem Druck wütender Arbeiter verurteilte die Gewerkschaftsführung
das Sparpaket und rief zu Protesten auf. Wer für die Krise des Systems der Bosse zahlt, ist noch nicht
entschieden. Aber der Kampf um diese Frage hat längst begonnen – weltweit.

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