US-Besatzung im Irak: “Euer Krieg – unsere Toten”

US-Präsident Bush sucht bei europäischen Regierungen mehr Unterstützung für den Krieg gegen den Irak, aber er wird von Massenprotesten empfangen.Freitag, der 4. Juni – Ausnahmezustand in Rom. Demonstrationen starten im Halbstundentakt. Zentrale Kreuzungen werden besetzt. Der Verkehr bricht zusammen, 77 Buslinien werden eingestellt oder umgeleitet. Ab dem späten Nachmittag geht dann gar nichts mehr.
Was war passiert? Der US-Präsident George W. Bush machte einen Staatsbesuch bei seinem Kriegsverbündeten Silvio Berlusconi und 200.000 Italiener Demonstrierten in Rom und weitere Zehntausende in anderen Städten gegen die Kriegstreiber.

Eine „Übergabe“ findet nicht statt

Am 30. Juni wird der Bremer, der US-Statthalter im Irak, die Regierungsgewalt an eine irakische „Übergangsregierung“ übergeben und die Besatzungsbehörde (CPA) auflösen.
Der von der US-Regierung ernannte Irakische Regierungsrat (ICG) wird ebenfalls aufgelöst. An dessen Stelle soll nun eine irakische Übergangsregierung treten.
Angesichts der fehlenden Legitimität der US-Besatzer in Irak, hat US-Präsident George W. Bush die UNO gebeten, das Personal für diese Regierung auszuwählen und zu ernennen. Zu diesem Zweck hat Kofi Annan den Sondergesandten Lakhdar Brahimi in den Irak geschickt.
Aber Bremer und der Regierungsrat haben Brahimi vor vollendete Tatsachen gestellt und bereits alle Personalentscheidungen getroffen. Praktisch alle wesentlichen Posten der „Regierung“ wurden mit Leuten aus dem alten Regierungsrat besetzt.
Der UNO-Gesandte hat sich an der Charade beteiligt und seinen Segen, und damit die „Legitimität“ der UNO, gegeben.
Neuer Premierminister Iyad Allawi arbeitete jahrelang mit den britischen und US-Geheimdiensten zusammen. Von ihm stammte die „Beweise“, der Irak könne innerhalb von 45 Minuten Massenvernichtungswaffen einsetze, mit denen Tony Blair im britischen unterhaus den Krieg begründete.
Die CPA wird zwar aufgelöst, aber Bremer hat bereits dafür gesorgt, dass alles unter US-Kontrolle bleibt. Rund 130 US-„Berater“ koordinieren die Arbeit der irakischen Ministerien.
Ende Mai kündigte Bush an, die aktuellen 138.000 US-Soldaten würden auf absehbare Zeit im Irak bleiben – und könnten bei Bedarf noch aufgestockt werden.
Der frühere Sicherheitsberater von US-Präsident Carter, Zbigniew Brzezinski, erklärte kürzlich, dass kein Land souverän sein könne, während es „von einer 140.000 Mann starken ausländischen Armee unter unserer Befehlsgewalt besetzt ist.“
Angesichts dieser Farce ist es kein Wunder, dass die Mehrheit der Iraker die US-Präsenz ablehnt. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut „Centre for Research“ im April 2004 sahen 88 Prozent der Iraker die US-Truppen als Besatzer, nicht als Befreier, und 57 Prozent forderten den sofortigen Abzug aller Truppen.

Rom ist kein Einzelfall. Überall, wo Bush auftaucht, gibt es Proteste gegen den andauernden Krieg in Irak. Das ist ein Teil von Bushs Problem. Der anhaltende Widerstand der Iraker gegen die US-Präsenz in ihrem Land bestätigt das Argument der Kriegsgegner, dass der Irak nicht befreit, sondern durch die Fremdherrschaft unterdrückt ist.
„Der Terrorismus ist die Herausforderung unserer Zeit, man muss ihn mit Freiheit und Demokratie bekämpfen. Mit dem Vormarsch von Freiheit und Demokratie verschwinden Verbitterung und Hass. Amerika, Italien und die Welt werden sicherer sein.“
Mit diesen Worten rechtfertigte George W. Bush die Fortsetzung des Krieges in Irak.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat mit der Vorstellung ihres Jahresberichts 2004 letzten Monat die Heuchelei in diesem Worten aufgedeckt. Die ai-Vorsitzende betonte, der „Krieg gegen den Terror“ habe die Welt in einen „unsicheren und ungerechteren Ort“ verwandelt.
Dazu trügen nicht nur Krieg und Folter bei, sondern auch der systematische Abbau von Demokratie und Bürgerrechten in den USA und Europa.
Dank der weltweiten Antikriegsbewegung ist der allgemeinen Öffentlichkeit nicht entgangen, dass eine Kriegslüge nach der anderen wie eine Seifenblase zerplatzt ist. Der Lügner vom Dienst, CIA-Chef George Tenet, trat zurück, ebenso wie der Abteilungsleiter für Auslandsoperationen James Pavitt.
In den USA hält mittlerweile eine Mehrheit den Krieg für falsch und Bush bangt um seine Wiederwahl.
Aber der US-Präsident ist fest entschlossen an seiner Kriegspolitik festzuhalten. Nun erhofft er sich Unterstützung und neue Glaubwürdigkeit von den europäischen Regierungschefs.
Dazu führt die US-Regierung die Verhandlungen für eine neue Irak-Resolution im UNO-Sicherheitsrat.
Darüberhinaus nutzt Bush die Gedenkveranstaltungen anlässlich der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus um bei den europäischen Regierungen um Unterstützung zu werben. Auch beim G8-Gipfel Mitte Juni in den USA, wo sich die Regierungschefs und Außenminister der acht führenden Industriestaaten treffen, ist die Besatzung des Irak eines der wichtigsten Themen.
Die Proteste der Antikriegsbewegung sind das beste Mittel dafür, daß die Welt friedlicher und sicherer wird. Je größer die Proteste, desto stärker wirkt die Mahnung aus Spanien: Bush stützen heißt Wahlen verlieren. Dort haben Demonstrationen gegen die Beteiligung der spanischen Armee an der Besatzung des Irak den Ex-Präsidenten Aznar gestürzt.

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