"Es gibt genug Geld für den Sozialstaat"

Am 19. Juli organisierte ein Bündnis verschiedener Gruppen eine Protestkundgebung gegen den Sozialabbau der Regierung. Frank Eßers sprach mir Ralf Bindel von attac über die Alternativen zu Schröders Reformen und den Widerstand auf der Straße.


In der attac-AG Soziale Grundrechte organisieren Arbeitslose, Gewerkschafter, von der rot-grünen Politik enttäuschte Parteimitglieder und andere ihren Protest.
Kontakt: Ralf Bindel, Tel.: 0234 / 97 99-513, E-mail: attacbochum@umis.de, Internet: www.attac.de/bochum

Ralf, wogegen habt ihr protestiert?
Anlass ist ein SPD-Fest am 19. Juli gewesen, auf dem einige Größen der Partei in Nordrhein-Westfalen ihre Politik abfeiern lassen wollten. Wir haben direkt vor der Festbühne lautstark demonstriert – gegen die Agenda 2010 und die Hartz-Reform im speziellen, ganz allgemein aber gegen den Sozialabbau der Regierung.

Wie habt ihr versucht, die Menschen auf dem Fest zu erreichen?
Rot-Grün streicht zum Beispiel einerseits den Zahnersatz, andererseits gibt die Regierung aber Geld für 180 Eurofighter-Kampfflugzeuge aus. Also haben wir ein Transparent gemacht, auf dem stand: "Eurofighter statt Zahnersatz", und das mit dem SPD-Logo versehen.
Wir haben auch unsere Zähne geschwärzt, um zu symbolisieren, dass sich viele Menschen den Zahnersatz in Zukunft nicht mehr leisten können.

Welche Alternativen sind das?
Regierung und Medien reden viel von einer Kostenexplosion in den Sozialsystemen. Das entspricht aber nicht der Wahrheit. Nicht die Ausgaben sind das Problem, sondern die Einnahmen. Die müssen erhöht werden.
Zum Beispiel dadurch, dass es gesetzliche Sozialkassen gibt, in die alle einzahlen müssen. Die Reichen mehr, die Armen weniger. Auf die vollen Leistungen müsste jeder Anspruch haben – unabhängig vom Geldbeutel.
Die Vermögensteuer für Reiche könnte wieder eingeführt werden oder es könnten die Erbschaften der Wohlhabenden besteuert werden.
Die Konzerne dürfen auch nicht einfach aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entlassen werden. Durch die Steuerreform fehlen bei den Kommunen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer für Unternehmen.

Die Bundesregierung sagt aber, dass Arbeitsplätze entstehen, wenn die Unternehmen entlastet werden…
Genau das hören wir doch schon seit Jahren. Die Unternehmensgewinne sind gestiegen, die Löhne kaum oder gar nicht – gebracht hat es nichts, außer mehr Arbeitslose und leere Kassen. Die rot-grünen Reformen sind Augenwischerei. Es ist genug Geld für den Sozialstaat da. Es muss allerdings gerecht von oben nach unten umverteilt werden.

Welche Gruppen beteiligten sich am Protest?
Es gibt inzwischen ein Bündnis aus attac, Friedensplenum, der Erwerbsloseninitiative Werkschlag und der ruhrgebietsweiten attac-Arbeitsgruppe Soziale Grundrechte.

In vielen Städten werden Sozialforen gegründet, also Bündnisse, um die einzelnen Proteste zu bündeln…
Ja, in Bochum auch. Meiner Meinung nach kann das Sozialforum ein Ort sein, wo alle, die bisher eher vereinzelt protestiert haben, zusammenkommen können, um eine schlagkräftige Gegenbewegung aufzubauen.

In Paris findet im November das Europäische Sozialforum statt. Nehmt ihr daran teil?
Ich hoffe, dass wir mit möglichst vielen Teilnehmern dort sein werden. Es ist die Gelegenheit, sich mit einer breiten und bunten Bewegung darüber auszutauschen, wie ein besseres Europa möglich werden kann.

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