Hussein ist nicht der neue Hitler

Der ehemalige CIA-Chef Woolsey behauptete jüngst im Spiegel, der Irak sei "wie Nazi-Deutschland". Mit diesem Argument soll die Gefahr aufgebauscht werden, die von Saddam Hussein ausgeht. Dabei handelt es sich um eine gefährliche Verharmlosung des Naziregimes. Die industriell organisierte Ermordung der Juden war ein Verbrechen ohne Parallele in der bisherigen Geschichte. Die rücksichtslose Zerschlagung der starken deutschen Arbeiterbewegung in nur drei Monaten durch die Nazis hat rechte Bewegungen in ganz Europa hochgebracht. In besetzten und verbündeten Ländern wie in Kroatien, Frankreich oder Ungarn wurden faschistische Regime etabliert, die mit brutaler Gewalt auch dort jede Opposition niederschlugen.
Nazi-Deutschland war eine Großmacht, deren Kriegsmaschine im Zweiten Weltkrieg ganz Kontinentaleuropa überrollte. Die Macht des Irak ist dagegen lächerlich. Der Rüstungshaushalt des Landes ist zweihundertfünfzig Mal kleiner als der Betrag, den die USA für ihre Armee ausgeben. Dies entspricht ziemlich genau dem Größenverhältnis zwischen einem ausgewachsenen Mann und einer Maus. Als vor zwölf Jahren eine internationale Armada den Irak mit Bodentruppen angriff, brach die irakische Front innerhalb von Tagen zusammen.

Der Irak bedroht nicht die Welt. Er bedroht ebenso wenig die Arbeiterklasse in den Nachbarstaaten. Aber ein Krieg gegen den Irak würde Saddam Hussein das Image eines Antiimperialisten verschaffen. Er posiert bereits heute bei jeder Gelegenheit als Freund der unterdrückten Palästinenser.

Saddam Hussein ist genauso wenig ein Befreier der unterdrückten Menschen in der arabischen Welt, wie er mit Hitler zu vergleichen ist. Saddam machte sich das erste Mal einen Namen, als er 1959 an einem Attentat auf den populären irakischen Staatschef Kassem verwickelt war, in dem der Westen einen "Kommunisten" sah. Saddam war Mitglied der noch heute herrschenden irakischen Baath-Partei, die zu diesem Zeitpunkt eher einer Mafia als einer politischen Organisation glich. Nachdem die Baath 1963 die Macht erobern konnte, brachte ihre Miliz Tausende tatsächlicher Kommunisten um. Die CIA lieferte damals Listen mit unerwünschten Personen.

Nach 1968 rückte Saddam zum zweiten Mann im irakischen Staat auf. Die Staatsführung war auch damals um ein antiimperialistisches Image bemüht. Doch als im "Schwarzen September" 1970 der König im benachbarten Jordanien die palästinensische Befreiungsfront (PLO) angriff, schaute die irakische Staatsführung nur zu. Tausende Palästinenser wurden massakriert, während 15.000 in Jordanien stationierte irakische Soldaten passiv blieben.

Die Solidarität mit den Palästinensern war ein genauso leeres Versprechen wie das Eintreten für die arabische Einheit gegen die Großmächte. Die Rivalität mit der verfeindeten syrischen Baath-Partei war im Gegenteil so stark, dass der mittlerweile unumschränkt herrschende Saddam Hussein 1980 sogar Führer der PLO umbringen ließ, da diese zu jener Zeit mit Syrien verbündet war.

Statt einen Kampf gegen den Imperialismus zu führen, erwies sich das Regime von Saddam als deren Büttel. 1980 marschierte der Irak in den Iran ein und löste einen Krieg aus, der die Grausamkeit des Ersten Weltkrieges erreichte. Damals äußerte die UNO keine Kritik. Zur Eindämmung der iranischen Revolution von 1979 kam dem Westen der Angriff gerade recht.

Die USA übermittelten dem Irak sogar satellitengestützte Informationen über die Stellungen der Iraner. Die irakische Armee nutzte diese Informationen für Giftgasangriffe, die sich schließlich auch gegen die Kurden im Irak richteten.

Die USA griffen am Ende selbst in den Krieg ein. 1988 schoss die US-Marine einen iranischen Airbus ab, in dem Hunderte von Menschen den Tod fanden.

Dank dieser Hilfe siegte Saddam gegen den Iran. Aber der langjährige Krieg hinterließ ihm einen Haufen Schulden. Saddam versuchte durch den Einmarsch in Kuwait an Öl und Geld zu kommen. Die US-Botschafterin ließ ihn in die Falle tappen, als sie erklärte, die Grenzstreitigkeiten mit Kuwait seien ausschließlich eine Angelegenheit zwischen Arabern. Nach dem Einmarsch in Kuwait erklärte der damalige US-Präsident Bush senior plötzlich, Saddam sei ein "neuer Hitler".

Den USA ging es nun um die Eindämmung des Irak, denn kein Regime in der Region darf zu stark werden. Sonst könnte es sich aus der Abhängigkeit vom Westen lösen. Woolsey erklärte knapp, die USA müssten "dem Nahen Osten die Ölwaffe wegnehmen."

Dafür wären sie bereit, erneut einen Krieg zu führen, der hundertausende von unschuldigen Irakis das Leben kosten würde. Ein rascher Sieg der USA würde deren Träume von der Weltherrschaft noch weiter anfeuern. Unweigerlich würden weitere Kriege folgen. Andere große Mächte würden sich daran beteiligen, um bei der Neuaufteilung der Einflusssphären mitzureden.

Dieses System militärischer und wirtschaftlicher Konkurrenz zwischen den Großmächten nennen wir Imperialismus. Im Kampf gegen die Kriegspolitik der imperialistischen Staaten sind Diktatoren wie Saddam Hussein keine Bündnispartner. Unsere Chance besteht im Gegenteil darin, dass auch in den arabischen Metropolen eine internationale Bewegung gegen den Krieg entstanden ist. Diese Bewegung kann die Mobilisierung gegen den imperialistischen Überfall mit einer Revolte gegen die eigenen korrupten Herrscher verbinden. Eine Niederlage des US-Imperialismus könnte einen Prozess in Gang setzen, der im Nahen Osten wieder Revolutionen auf die Tagesordnung setzt.

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