1914: SPD wird Kriegspartei

Vor 90 Jahren stimmte die komplette Fraktion der SPD für die Unterstützung des Ersten Weltkrieges. Stefan Ziefle erklärt, wie es zu dieser schrecklichen Entscheidung kommen konnte.

Der erste totale Krieg

Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand durch serbische Unabhängigkeitskämpfer im besetzten Sarajewo löste im Juni 1914 den dritten größeren Konflikt zwischen den starken Militärmächten in wenigen Jahren aus. Dieses Mal wollte die deutsche Regierung die Krise unbedingt für einen Krieg nutzen, und drängte Österreich, Serbien den Krieg zu erklären.
Der Historiker Imanuel Geiss erklärt: „Der Mord von Sarajewo schien die Chance zu bieten, den langersehnten Durchbruch zur deutschen Weltmachtstellung zu erzwingen, sei es durch Androhung des Krieges, sei es durch den Krieg selbst.“
Der Erste Weltkrieg war ein Krieg um die Vorherrschaft in Europa, um Kolonien, um Märkte und Rohstoffe, kurz: ein Krieg um Profite, ein imperialistischer Krieg. Gleichzeitig war er der erste moderne Massenkrieg. Die Schützengräben von Verdun wurden zu Fließbändern des Todes, an denen hunderttausende ermordet wurden. Die Generäle haben fast 10 Millionen Menschen in den Tod gehetzt. Der Krieg brachte Hunger und Seuchen in die europäischen Städte, die sogenannte „Heimatfront“. Alleine in Deutschland starben 750.000 Menschen an Unterernährung.
Rosa Luxemburg beschrieb treffend: „Die Proletarier fallen und die Dividenden steigen.“

1914 hatte sich in der SPD der Standortnationalismus endgültig gegen internationale Solidarität durchgesetzt. Den Krieg zu unterstützen bedeutete, den Tod von Millionen Menschen für die Interessen deutscher Konzerne hinzunehmen. Diese grundlegende Wendung der SPD blieb bis heute bestehen: Die Regierung senkt Steuern für Reiche und Konzerne, während Millionen in Armut leben müssen.
Vor dem Weltkrieg hatte die SPD immer wieder auf Parteitagen und internationalen Konferenzen jeden Krieg abgelehnt. Noch 1912 verpflichteten sich die Sozialdemokratischen Parteien international, „alles aufzubieten, um durch die Anwendung der ihnen am wirksamsten erscheinenden Mittel den Ausbruch des Krieges zu verhindern“.
In den Wochen vor Kriegsbeginn hatte die SPD Massenproteste organisiert. Hunderttausende gingen auf die Straßen.
Doch als der Krieg begann, beendete die SPD jede Gegenwehr. Alle sozialdemokratischen Abgeordneten stimmten den von Kaiser Wilhelm II. beantragten Kriegskrediten und damit dem Ersten Weltkrieg zu. Die Parteiführung verkündete einen „Burgfrieden“ und verpflichtete sich, keine sozialen Kämpfe zu führen, um die Armee nicht zu schwächen.
Diese Politik widersprach zwar Programm und Politikerreden der SPD. Die Entscheidung für den Krieg entsprach aber der tatsächlich betriebenen Politik der SPD in den vorigen Jahrzehnten. Es war eine Politik, welche die Macht des Kapitals nicht mehr ernsthaft angreifen wollte.
Die SPD-Führer wetterten zwar gegen Kapitalismus und Staat. Aber sie bekämpften die bestehende Gesellschaft nicht mehr, sondern richteten sich darin ein. Um sich mit den Interessen der Konzerne und des Staates zu arrangieren, haben die meisten SPD-Funktionäre einen Krieg unterstützt, der um neue Märkte, billige Rohstoffe und Arbeitskräfte für die Wirtschaft geführt wurde.
Der Versuch, die Lebensbedingungen der Arbeiter zu verbessern, ohne bereit zu sein, den Kapitalismus zu stürzen, führte zu der Position, wie sie Gustav Bauer 1913 vor der SPD-Reichstagsfraktion vertrat: „Die Kriegsfrage ist kein prinzipielles, sondern ein taktisches Problem. Es gilt für das Proletariat der einzelnen Länder abzuwägen, ob der Krieg Vorteile bringen könne oder nicht und danach ist ihr Verhalten einzurichten.“
Diese Kapitulation vor der Standortpolitik des Kapitalismus führte nicht nur zur Unterstützung des Krieges. Weil es in der SPD auch noch Antikapitalisten und Kriegsgegner gab, führte sie auch zur Spaltung der SPD.

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