Gemeinsam gegen Hartz IV und die Versuche der Regierung die Demos zu spalten!

Am 30.8. waren bundesweit wieder an die 200.000 Menschen auf der Straße. Während die Demos im Osten ungefähr gleich groß blieben, hat sich die Bewegung nach Westen ausgeweitet. Demonstrationen fanden in 200 Städten statt. Das sind 60 mehr als in der Vorwoche. In vielen Städten sind Gewerkschaftsgliederungen Teil der Bewegung. Auch in den politischen Forderungen gibt es eine Tendenz zur Vereinheitlichung. Neben der Forderung “Hartz IV muss weg” setzt sich die Forderung nach einem Beschäftigungs- oder Konkjunkturprogramm durch, dass durch Vermögenssteuer finanziert werden soll.
Die weitere Ausdehnung der Montagsdemonstrationen ist die Aufgabe aller, die gegen Hartz IV und die Agenda 2010 sind.
Verschiedene Kräfte in der Bewegung gegen Hartz IV haben sich am 28.8. koordiniert und in die Offensive. Für den 2. (oder 3.) Oktober in Berlin ist eine zentrale Demonstration geplant. Ein Vorbereitungstreffen wird aller Voraussicht nach am 11.9. in Leipzig stattfinden. Eine Einladung dazu wird über die üblichen email-Verteiler gehen oder unter www.montagsdemoberlin.de einzusehen sein.

Derweil versuchten die Bundesregierung und die Medien, die den Umbau des Sozialstaates grundsätzlich befürworten, die Bewegung gegen Hartz zu spalten und zu diskreditieren. Im folgenden eine Auseinandersetzung mit ihren Vorwürfen und ein Vorschlag wie die Bewegung darauf reagieren sollte.

Vorwurf I: “Die Montagsdemonstrationen werden von einer unheiligen Allianz aus PDS und Nazis angeführt”
Das ist die neue Propaganda der Bundesregierung. Der Spiegel schreibt: “Menschen mit düstern Gesichtern, viele alkoholisiert, grölende Skinheads und schmächtige Rentner, die erregt mit Anti-Hartz-Plakaten der PDS fuchteln.” “Auf den Ostdeutschen Plätzen marschieren inzwischen Skinheads, PDS-Mitglieder und Arbeitslose nebeneinander – wie eine neue, wenn auch unerklärte nationale Front.” (Spiegel 36/2004)
Die Gleichsetzung der PDS mit Nazis in einen Topf zu werfen ist eine Frechheit und richtet sich gegen die gesamte politische Linke, die sich der neoliberalen Politik der Bundesregierung entgegenstellt.
Nazis, die tatsächlich versuchen aus der Wut in der Bevölkerung Profit zu schlagen werden so verharmlost.
Verantwortungslos sind die Leute in den Vorstandsetagen der Gewerkschaften, die sich mit dem Argument “da sein Rattenfänger unterwegs” von den Demonstrationen distanzieren und so die SPD-Regierung schützen. Arno Klönne, Soziologe und Kenner der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung meint dazu in der Zeitung Linksruck “Wen meinen sie da – welche „Ratten“ und welche „Fänger“? Und soll künftig auf das Demonstrationsrecht verzichtet werden, weil möglicherweise bei einem öffentlichen Umzug auch Antidemokraten mitzumischen versuchen?
Wenn der DGB und seine Gewerkschaften dem Missbrauch des Protestes durch Neonazis entgegenwirken wollen, so haben sie dazu eine wirksame Möglichkeit: Indem sie für eine große Beteiligung demokratischer Bürgerinnen und Bürger eintreten.
Zu absurder Propaganda verstieg sich der Kanzler. Verärgert durch Trillerpfeifengeräusche bei seinen „Bädern in der Menge“ äußerte er: „Wer glaubt , einen Sozialdemokraten mundtot machen zu könne, der kennt die Geschichte nicht.“ Ganz augenscheinlich wollte er sich damit in eine historische Reihe stellen mit Sozialisten, die dem kaiserlichen Verbot der Sozialdemokratie widerstanden – oder jenen Politikern der SPD, die dem hitlerdeutschen Verbot ihrer Partei zu widerstehen versuchten. So dummdreist ist Geschichte selten verfälscht worden.”

Vorwurf II: Montagsdemo vertiefen “Ost-West-Spaltung”
Zahlreiche Regierungspolitiker warnen vor einer neuen Ost-West-Spaltung. Peer Steinbrück, der NRW-Ministerpräsident, mahnt die Ostdeutschen sich zu mäßigen und die Geduld der Westdeutschen nicht überzustrapazieren. “Viele Kommunen in seinem Bundesland seien zum Teil aus wegen der Finanzleistungen für den Osten verschuldet” gibt Spiegel-online Peer Steinbrück wieder.
Diese Argumentation ist perfide. Denn die Unzufriedenheit im Osten ist ein Produkt von einer jahrlangen Politik des Ausblutens. Die Transfermilliarden an den Osten kamen nicht den Menschen zugute, sondern den westdeutschen Konzernen.
Bis Ende 1991 sind zwischen 40 und 50 Prozent aller Arbeitsplätze vernichtet.
Die Industrieproduktion in Ostdeutschland wird zwischen 1989 und 92 um 69 Prozent gesenkt, das Bruttoinlandprodukt fällt um ein Drittel. Noch nie wurden in Deutschland so viele und so große Betriebe dichtgemacht.
Die Vereinigung ist die Chance für westdeutsche Konzerne, der Wirtschaftlichen Krise Ende der 80er Jahre zu entgehen. Anfang der 90er gibt es einen kurzen Vereinigungsboom.
Die Bosse und die westdeutsche Regierung arbeiten dafür zusammen: Kohl schafft durch die Währungsunion 16 Millionen neue Kunden, die westdeutsche Waren mit D-Mark bezahlen. Gleichzeitig übernehmen die West-Konzerne ihre ostdeutschen Konkurrenten.
Die modernsten und konkurrenzfähigsten Betriebe der DDR sind die größte Bedrohung für die Westkonzerne. Sie werden als erste geschlossen.
Die Übernahme der ostdeutschen Konkurrenz besorgt die Treuhandanstalt. Im Verwaltungsrat versammeln sich die Spitzen der westdeutschen Banken und Konzerne.

Im Osten ist die soziale Lage angespannter, dort wirkt die Bewegung stärker als Ventil. Aber: 59% der Bundesbürger finden die Montagsdemonstrationen nach einer Umfrage von Infratest-Dimap gut. Nur 26% finden sie nicht gut.
Hartz IV ist ein bundesweiter Angriff, der auch nur bundesweit bekämpft werden kann. Der Ostmetallerstreik der IG-Metall, der u.a. daran gescheitert ist, dass die IG-Metall-Führung im Westen nicht ausreichend Solidarität organisiert hat.
Das beste Mittel gegen die Ost-West-Spaltung zu arbeiten ist es, die Montagsdemos weiter aus den Westen auszuweiten und mehr Kräfte zu integrieren.

Vorwurf III: Die Demonstranten verhindern die Schaffung neuer Arbeitsplätze – Hartz IV schafft Arbeit
Wir müssen nur warten – dann wird Hartz IV Arbeitsplätze schaffen. Auch hier feuern Regierung und Medien aus allen Rohren. Aber Hartz IV wird mehr Armut schaffen. Das isw in München hat die Fakten zusammengestellt.
Aber nicht nur die Arbeitslosen sind bedroht. Es droht ein Angriff auf das gesamte Tarifgefügt. Die Schaffung von 600.000 1-Euro Jobs für Langzeitarbeitslose, wie vom Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) angekündigt, wird zu dramatischen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt führen und Tausende von qualifizierten und tariflich bezahlten Arbeitsplätzen vernichten. So sollen Arbeitslose mit der Hoffnung auf Beschäftigung gegen Arbeiter und Angestellte ausgespielt werden, die (noch) Tariflöhne erhalten. Das Ziel ist offensichtlich, insgesamt das Lohnniveau in Deutschland zu senken und eine verdeckte Art von schlecht bezahlter Zwangsarbeit einzuführen und die Flächentarifverträge zu unterhöhlen.
Es ist klar, dass viele Arbeitslosen, endlich wieder Beschäftigung zu finden wollen.
Deshalb muss es statt Zwangsarbeit und Billigjobs von der Bundesregierung ein umfassendes Beschäftigungsprogramm mit Tariflöhnen im Bereich der öffentlichen Daseinsfürsorge (Verkehr, Bildung, Gesundheitsversorgung, erneuerbare Energien) im Volumen von ca. 60 Milliarden Euro. Der Koordinierungskreis des Berliner Montagsdemo-Bündnisses schlägt folgende Maßnahmen vor:
1. Rücknahme der Senkung des Spitzensteuersatzes für Vielverdiener auf 42%
2. Eine Sonder-Vermögenssteuer von 2% auf alle Geld- und Aktien-Vermögen ab einer Million Euro. 2003 gab es laut Meryll Lynch 756.000 Millionäre in Deutschland, die über ca. 2,9 Billionen Euro Geldvermögen verfügten. Das sind ca. 70% des gesamten Geldvermögens. Allein der Zuwachs des Geldvermögens betrug 2003 ca. 196 Milliarden Euro.
3. komplette Rücknahme von Hartz IV und eine ernsthafte gesellschaftliche Diskussion über die Reduzierung der Massenerwerbslosigkeit!

Eine große gemeinsame Demonstration in Berlin ist unsere Antwort auf ihre Spaltungsversuche

Am Wochenende haben sich in Berlin und in Leipzig Aktive der Montagsdemos getroffen. Das Berliner Treffen war von breiten Kräften getragen, Bundeserwerbsosenverband, PDS, WASG, sächsische Armutskonferenz, die Berliner Verbände von Ver.di, IG.Metall und DGB, Attac. Ein kurzer Pressebericht ist dazu. Das Leipziger Treffen war von einigen ostdeutschen Initiatoren organisiert und vor allem der MLPD, die aus mehreren westdeutschen Städten Delegationen mobilisiert hatte.
Der Berliner Kreis hat eine Demo für den 2.10 angekündigt, der Leipziger Kreis eine für den 3.10. Es wird versucht zum 5.9. zwischen den beiden Vorschlägen zu vermitteln und zum nächsten bundesweiten Treffen zu einer Einigung zu kommen.
Dies ist aber kein Hindernis unverzüglich mit dem Aufbau von breiten Bündnissen zu beginnen und Bündnisveranstaltungen über Hartz IV zur Mobilisierung zu organisieren.
Maßgabe sollte sein: Alle, die gegen Hartz IV sind willkommen – außer Nazis. Und: der DGB muss rein in die Bündnisse, die Gewerkschaften aktiv mobilisieren.
Aus jeder Ost- und Westdeutschen Stadt muss es Busse nach Berlin geben. Die Demonstration wird stark ostdeutsch geprägt sein, weil dort die Bewegung am stärksten ist und Gewerkschaften und PDS in vielen Orten mitmobilisieren. Wir müssen aber auch im Westen um jedes Prozent der Ablehung gegen Hartz IV kämpfen um dieses Gesetz zu kippen!

An den 1.11. anknüpfen

Die Verbreiterung der Bündnisse ist entscheidend, um einen Mobilisierungserfolg zu erlangen. Dabei können wir auf die positiven Erfahrungen der Mobilisierung zum 1.11.2003 zurückgreifen, als 100.000 Menschen in Berlin gegen die Agenda 2010 auf die Straße gingen
Auch hier zögerten die bundesweiten Gewerkschaftsverbände mit der Unterstützung. In verschiedenen Gewerkschaftsgliederungen und Netzwerken wurde an der Basis mobilisiert. Kollegen aus Stuttgart mobilisierten 37 Busse. Das setzte auch die oberen Gewerkschaftsetagen derart unter Druck, dass sie sich an den weitern Mobilisierungen gegen die Agenda 2010 – wie die Großdemonstrationen am 3.4.2004 – aktiv beteilgten.
Die Lehre vom 1.11. ist: Aktivität an der Basis ist entscheidend, man darf die Gewerkschaftsführungen aber nicht aus der Verantwortung entlassen. Abgesehen davon ist die Zahl der Gewerkschafter, die bereit sind zu mobilisieren, stark angewachsen.

In die Offensive kommen: Herausforderung für die Wahlalternative

Die Demonstration ist eine große politische Herausforderung für die Wahlalternative und eine Chance. Denn Nach den anstehenden Landtags- und Kommunalwahlen wird deutlich sein, dass die Regierung weiter an Unterstützung verliert. Und eine Linke Alternative gebraucht wird.
Die Wahlalternative kann einen wichtigen Beitrag leisten, weil sie eine klare Ablehnung der Regierungspolitik formuliert und weil sich in ihr ehemalige Sozialdemokraten und aktive aus der Globalisierungskritischen Bewegung treffen. Sie kann einen wichtigen Beitrag leisten, die Bewegung aktiv in den Stadtteilen aufzubauen und Schröder weiter unter Druck zu setzen..
Voraussetzung dafür ist, dass sie sich an den Bündnissen und deren Aktivitäten vor Ort beteiligt und Verantwortung übernimmt.Bundesleitung, 31.8.2004

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