Unser Standpunkt: Die Macht des Staates

Warum auf dem WSF Präsidenten aufgetreten sind und wir die Staatsmacht nicht ignorieren können.Spätestens seit dem Weltsozialforum ist auch der europäischen Sozialdemokratie klar geworden, wie wichtig die weltweite antikapitalistische Bewegung ist. Einige Aktivisten der Bewegung machen sich schon Sorgen, weil wir so viel Aufmerksamkeit von regierenden Politikern bekommen. Die Autorin und Aktivistin Naomi Klein beschwerte sich über die Anwesenheit so vieler "großer Männer" in Porto Alegre.Sie meinte damit vor allem Lula und Chávez. Klein fragte: "Wie um Himmels Willen konnte es passieren, dass eine Versammlung der neuen Graswurzelbewegung zu einer Jubelveranstaltung für Männer werden konnte, die gerne drei Stunden lange Reden darüber halten, wie sie die Oligarchie bekämpfen?”

Die Antwort ist einfach: Die meisten Menschen, die nach Porto Alegre kamen, unterstützen Lula und Chávez. Als Vorsitzender der Arbeiterpartei wird Lula als Führer der brasilianischen Bewegung der Arbeiter und Landlosen gesehen, und diese Bewegung ist auf dem Weltsozialforum stark vertreten. Chávez wird in ganz Lateinamerika unterstützt, weil er den neu erwachten Widerstand gegen die Macht der USA symbolisiert. Es ist jedoch nicht schwer, die Fehler in der Politik beider Männer zu finden.

Lula hat ein neoliberales Wirtschaftsprogramm beschlossen, das es unmöglich machen wird, die Hoffnungen seiner Unterstützer zu erfüllen. Chávez ist ein radikal-nationalistischer Offizier, der seine Anhänger eher mobilisiert um seine Privilegien zu retten, als dass er Politik für sie durchsetzen wollte.

Trotzdem können radikale Antikapitalisten nicht ignorieren, dass beide Männer von vielen Aktivisten unterstützt werden.

Klein beklagt: "Vor zwei Jahren war das Schlagwort auf dem Sozialforum noch ‚neu‘ und nicht ‚groߑ: neue Ideen, neue Methoden, neue Gesichter." Es stimmt, dass vieles an der antikapitalistischen Bewegung neu ist – vor allem dass sie international organisiert ist, und die direkten demokratischen Strukturen, die sie benutzt.

Aber die Bewegung steht auch vor alten Fragen, wie etwa dem Verhältnis zum Staat. Klein und viele Autonome in der Bewegung sehen den Staat als etwas, was man einfach umgehen kann.

"Wir verändern die Welt, ohne die Macht zu ergreifen", ist der Titel eines einflussreichen Buches, das diesen Ansatz zusammenfasst. Danach soll man sich einfach nicht um den Staat kümmern, sondern auf den Aufbau lokaler und globaler Netzwerke konzentrieren, die ihn scheinbar umgehen. Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass diese Strategie nicht funktioniert.

Wir haben brutale staatliche Gewalt beim G 8-Gipfel in Genua und in Argentinien gesehen, wo Demonstranten von der Polizei erschossen wurden. Bush und seine Verbündeten zeigen uns in ihren Kriegen gerade die mörderischste Seite des Staates.

Lula und Chávez stehen hingegen für den Flügel der Bewegung, der glaubt, wir könnten den bestehenden Staat für unsere Zwecke einsetzen. Sie haben Unrecht – aber sie sprechen die Frage an, der Leute wie Klein ausweichen. Wenn wir Lulas und Chávez’ Unterstützer für eine radikalere Strategie gewinnen wollen, müssen wir eine bessere Antwort auf das Problem staatlicher Macht liefern.

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