Bolivien: Sie haben den Präsidenten gestürzt

Durch Massenproteste wurde Mesa 2003 Präsident. Jetzt haben ihn die Menschen durch Proteste wieder für einen Tag aus dem Amt gejagt.

In den letzten Wochen sind in zehntausende Bolivianer gegen die multinationalen Konzerne auf die Straße gegangen, die die Wasser- und Gasvorräte des ärmsten Landes Südamerikas kontrollieren. Die Vorräte des Landes sind die größten in Lateinamerika und bringen auf dem Weltmarkt enorme Profite, während große Teile der Bevölkerung in Armut leben. Der Internationale Währungsfond IWF und die Regierung erzwingen immer weitere Privatisierungen.

In den vergangenen Jahren haben immer mehr Menschen begonnen, gegen Lohnsenkungen, Arbeitslosigkeit und Privatisierung zu kämpfen. 2003 entwickelte sich ein Protest gegen die transnationalen Ölkonzerne zu einem Aufstand gegen Armut und Ausgrenzung, der die damalige Regierung zu Fall brachte.

Der jetzige Präsident Mesa sieht sich nun mit derselben Bewegung konfrontiert, die ihn damals an die Macht brachte, denn er führte die Politik seiner Vorgänger einfach fort. Während der letzten Wochen haben Bauern und Arbeiter in vielen Teilen des Landes Straßen blockiert und die Wiederverstaatlichung des bolivianischen Erdgases gefordert. Sie schlossen sich dem Streik der Bevölkerung von El Alto an, die für die Ausweisung des Wasserkonzerns Suez kämpfen und dessen hohe Preise und schlechten Dienstleistungen anprangern. Ihr Vorbild sind die Einwohner von Cochabamba, die 2000 durch eine riesige Widerstandskampagne den Rauswurf der US-Firma Bechtel erreichten. In El Alto leben die Armen, die in der Hauptstadt La Paz arbeiten und sich dort keine Wohnung leisten können. 60 Prozent der Menschen leben von einem Dollar pro Tag, und 60 Prozent der Häuser haben kein fließendes Wasser.

Carlos Mesa wurde 2003 Präsident, nachdem die Massenproteste und ein Generalstreik der Bevölkerung die Regierung zum Rücktritt gezwungen hatten.

Mesa wurde zum Präsidenten gewählt und beendete den Generalstreik mit dem Versprechen, die Armut zu bekämpfen. Jetzt macht er Politik gegen die Armen und für die Konzerne.

In den siebzehn Monaten seiner Regierungszeit haben die Menschen 820 Proteste gegen ihn organisiert
Am 10. März Präsident trat Mesa dann mit der Begründung zurück, das Land sei „unregierbar“ geworden.

Mesa erklärte, er werde keine Politik zulassen, die sich gegen die transnationalen Konzerne richte und Bolivien somit von ausländischen Investitionen abschneide. Dafür erhielt er Unterstützung aus der Mittelschicht, die gern ein Ende der Proteste sehen würde. Aber die Demonstrationen zu seiner Unterstützung fielen klein aus.

Evo Morales von der Partei MAS, der Anführer der Opposition und der Bauernbewegung, sagte: „Mesas Rücktritt ist eine Erpressung“. Tatsächlich zielt Mesa nicht nur auf die Einheit und die Unterstützung der traditionellen Parteien der herrschenden Klasse, sondern er erpresst auch die MAS. Mit dem Versprechen einer Verfassungsgebenden Versammlung im nächsten Sommer soll sie die Proteste beenden.

Die drei neoliberalen Parteien im Parlament setzten ihn am Tag nach seinem Rücktritt wieder in sein Amt ein. Die Geschäftswelt, der IWF und die US-Regierung waren erleichtert. Mesa kündigte an, Demonstranten festnehmen und einsperren zu lassen. Aber seine Strategie ist nicht aufgegangen. Die MAS stellte sich gegen Mesas „nationalen Pakt“ und fordert eine Steuerrate von 50 Prozent auf die Ölkonzerne. Obwohl die MAS Mesa nicht stürzen will, will sie den Kampf gegen die multinationalen Konzerne weiterführen. Daher stellte sie Mesas „nationalem Pakt“ sofort einen „anti-neoliberalen Pakt“ der Bewegung entgegen. Diesen haben Evo Morales, andere Anführer der Bauern- und Indiobewegung, führende Gewerkschafter und Einwohnern von El Alto unterzeichnet. Diese Koalition plant weitere Proteste, um die Kontrolle über die natürlichen Rohstoffe des Landes zu erringen. „Wenn Mesa erfolgreich die Oligarchie vereint, dann vereinen wir die Armen, um die Oligarchie zu schlagen und das Öl und das Gas wieder zu verstaatlichen“, sagt ein Aktivist aus El Alto.

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