Ich habe die Nazis überlebt

Jüdische Flüchtlinge waren in der Schweiz unerwünscht.

Ich wurde 1917 in Berlin geboren. Meine Eltern stammten aus jüdischen Familien. Seit meinem 15. Lebensjahr nannte ich mich Kommunist.

Meine Eltern sind im Oktober 1942 in Viehwaggons ins KZ Theresienstadt geschafft worden. Mein Vater ist dort gestorben, meine Mutter ist in Auschwitz vergast worden – mit allen Familienmitgliedern dieser Generation.
Ich konnte ein bisschen Geige spielen. Das hat mir das Leben gerettet.

Durch meinen Geigenunterricht hatte ich Beziehungen zu einer Musikerin aus Basel. Die hat mir 1937 ein Stipendium am Baseler Konservatorium mit einer vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis verschafft.

Die Schweiz hat damals bereits keine Juden aus Deutschland mehr ins Land gelassen. Nach der Pogromnacht 1938 konnte mein Vater mir kein Geld mehr schicken. Deshalb konnte ich nicht mehr studieren. Dadurch lief meine Aufenthaltserlaubnis ab.

Ich hätte nach Deutschland zurück müssen. Das Evangelische Hilfswerk und die jüdische Gemeinde haben erreicht, dass ich nicht gehen musste.

Die jüdische Gemeinde hatte für Flüchtlinge in Basel in einem alten Ausflugslokal ein Lager eingerichtet, dass die Bewohner nicht verlassen durften. Dort schliefen wir auf der großen Glasveranda zu 96st auf Stroh, später auf Holzpritschen mit Strohsäcken.

Zwei Wochen nach dem Angriff der Nazis auf Polen 1939 bin ich ausgebrochen. Es hatte außen keinen Stacheldraht. Das war auch nicht nötig, denn wo sollten wir denn hin? Die Schweiz war umgeben von Nazis. Der einzige Ausweg war Frankreich.

Ich bin nachts über die Grenze, habe mich den französischen Grenzern gestellt und wollte in der französischen Armee gegen den Faschismus kämpfen. Absoluter Blödsinn: Die Offiziere waren Rechte. Sie wollten mich erst als Spion festnehmen und dann in die Fremdenlegion schicken. Dafür hätten sie eine Prämie bekommen.

Die Grenzer und Soldaten haben dagegen Einspruch erhoben und mich zurückgeschickt. Morgens war ich wieder im Lager.

Die Franzosen haben mir meinen Pass abgenommen. Wenn die Schweizer das rausbekommen hätten, hätten sie gewusst, dass ich über die Grenze wollte. Das galt als Neutralitätsbruch und wäre mit der Abschiebung nach Deutschland bestraft worden.

Ich habe mich also gemeldet, Verpflegung zu holen und habe dann angegeben, dass ich dabei meine Papiere verloren habe. Dann bekam ich einen staatenlosen Pass.
Auf politische Betätigung stand auch Ausweisung nach Deutschland. Trotzdem haben sich 1942 ein paar Genossen zusammengefunden und ein Initiativkomitee zur Wahrung der Rechte der Flüchtlinge gegründet.

Vier Genossen haben eine kleine illegale kommunistische Gruppe gebildet. Wir haben illegal Verbindungen zwischen verschiedenen Flüchtlingslagern aufgebaut.

Unsere Aufgabe war, mit anderen Flüchtlingen zu besprechen, was geschehen soll, falls wir den Krieg überleben. Wir wollten den einen oder anderen zur Rückkehr nach Deutschland bewegen, um ein antifaschistisches demokratisches Deutschland aufzubauen.

Im Oktober 1945 sind wir dann mit Polizeischutz an die Grenze geschafft worden: mit der Verpflichtung, nie wieder in die Schweiz zurückzukommen.

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