Bush will angreifen

Warum die Atomforschung der USA gefährlicher ist als die des Iran, erklärt Jens-Peter Steffen von den Internationalen Ärzten zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) im Linksruck-Gespräch.


Blick ins Leere: Die US-Atombombe in Hiroshima überlebt, um kurz darauf zu sterben

Bomben raus
Um die Stationierung von Atombomben in Deutschland und die Ausbildung deutscher Soldaten für ihren Einsatz zu beenden, haben Wissenschaftler, Friedensgruppen, Gewerkschafter, Ärzte und christliche Gruppen die Kampagne „Atomwaffen abrüsten – in Deutschland anfangen“ gestartet. Sie fordern von der Regierung:

  • keine Piloten und Flugzeuge für einen Atomwaffeneinsatz bereitzustellen
  • sich nicht mehr an der Planung eines Atomwaffeneinsatzes der NATO zu beteiligen
  • die USA zum Abzug sämtlicher Atomwaffen aus Deutschland zu zwingen
  • für die vollständige Abrüstung aller Atomwaffen zu kämpfen und mit anderen Regierungen über ein weltweites Verbot von Atombomben zu verhandeln
    Du kannst die Kampagne auf der Internetseite www.atomwaffenfrei.de unterstützen. Dort stehen auch weitere Informationen.
  • Wird Iran uns mit Atombomben bedrohen?

    Jede Atomwaffe bedroht uns. Eine solche Waffe steht für eine angedrohte Aggression. Zugleich macht sie ihre Besitzer selbst zum Ziel von Angriffen.

    Braucht Iran Energie aus Atomkraft?

    Bei den Ölreserven des Iran kann man davon ausgehen, dass das Land auf lange Zeit keine Atomenergie bräuchte. Doch es ist sein international zugesichertes Recht, eine Atomenergiewirtschaft zu entwickeln.
    Die UN-Atombehörde IAEO ist sogar dafür da, diese zu fördern. Das kann wie überall nur mit hohen staatlichen Investionen erfolgen.
    Jede Regierung kann aus ziviler Atomkraft Materialien für Atomwaffen abzweigen. Hoch angereichertes Uran, wie Iran es herstellen will, wird zum Beispiel in Deutschland in Garching eingesetzt. Unter anderem wegen dieser engen technologischen Verbindung von ziviler und militärischer Nutzung der Atomenergie ist IPPNW gegen jegliche Nutzung von Atomkraft.

    Warum hat Iran gerade jetzt die Atomanlage in Isfahan in Betrieb genommen?

    Wenn die Mullah-Diktatur sich mit Atomwaffen gegen einen möglichen Angriff wappnen will, dann ist der politische Zeitpunkt jetzt günstig. Einerseits haben die USA ihr vorgeworfen, Terroristen zu unterstützen und den Einsatz von Gewalt angedroht.
    Andererseits gibt es Gründe, die momentan gegen eine Aggression der USA sprechen: Eine friedliche Perspektive für den Nahen Osten wäre sofort beendet, erhebliche Kräfte der USA sind im Irak gebunden und die US-Öffentlichkeit wendet sich zunehmend gegen den Krieg. Weiterhin hat Iran international weitgehende Unterstützung durch Russland und China.
    Zudem ist Iran von den Atommächten Israel, Pakistan und Indien umgeben. Die US-Armee steht im Irak und weiteren Nachbarländern. Die USA rüsten Israel weiter auf, um in einem Krieg notfalls einen starken Verbündeten zu haben. Deswegen will die iranische Regierung Atomwaffen.

    Vor 60 Jahren warfen die USA Atombomben auf Hiroschima und Nagasaki. Wäre das wieder möglich?

    Atomwaffen sind ein enormes politisches Machtmittel. Natürlich bleiben sie auch militärische Waffen, schließlich funktionierte die Abschreckung im Kalten Krieg wegen der Abwürfe in Japan. Sie zeigten, was diese Waffen anrichten können.
    Wurde ein Atomwaffeneinsatz durch Militärs und Präsidenten erwogen, so wie bei der Kuba-Krise 1962 und während des US-Krieges in Vietnam, waren für ihren Nichteinsatz letztlich politische Motive ausschlaggebend. Die Waffen mit der vielfachen Sprengkraft der Bomben von Hiroschima und Nagasaki konnten nicht eingesetzt werden, ohne dass die Sowjetunion oder China einen alles vernichtenden Gegenschlag geführt hätten.
    In Zukunft wird ein Atomwaffeneinsatz aber wahrscheinlicher. Spätestens seit 2001 arbeiten die USA an Atombomben, die mit einer kontrollierbaren Sprengkraft und einem angeblich begrenzten Folgeschaden in fast jedem Krieg eingesetzt werden können. Damit sinkt die Hemmschwelle ihres Einsatzes und es ist zu erwarten, dass sie auch der NATO zur Verfügung stehen werden.

    Kämpft die EU in den Verhandlungen mit Iran für eine sicherere Welt?

    Wenn die drei EU-Länder nicht bereit sind, die eigenen und die Atomwaffen Israels in den Verhandlungen zu diskutieren, verhandelt sie allein vor dem Hintergrund „aller Optionen“, das heißt, auch der Kriegsdrohung der USA. Dass sie ihre militärischen Optionen konkret planen, ist bekannt.
    Die europäische Aufrüstung in der Region muss ebenfalls ein Ende haben. Die israelischen Atombomben entstanden mit Unterstützung Frankreichs und Großbritanniens. Deutschland lieferte U-Boote, die zu Atomträgern umgerüstet werden können. Weitere sollen folgen.

    Was ist mit dem Atomwaffensperrvertrag?

    Der Vertrag steckt in einer tiefen Krise: Die Atomwaffenmächte verweigern die Abrüstung. Sie rüsten stattdessen um.
    Dennoch verpflichtet der Vertrag die Atommächte nach wie vor, keine Nuklearwaffen an andere Staaten zu geben und die eigenen Atomwaffen abzurüsten. Das bleibt als Standard internationalen Rechts erhalten. Dass seine Garantie der zivilen Nutzung der Atomtechnik für alle Probleme mit sich bringt, zeigt der Vorwurf gegen Iran, waffenfähiges Material herstellen zu wollen.

    Wie können Atomwaffen abgeschafft werden?

    Wir sind in eine Phase eskalierender Atomwaffenverbreitung eingetreten. Da die USA und andere Atommächte mit den Bomben nicht mehr abschrecken, sondern angreifen wollen, bedroht dies militärisch schwächere Staaten.
    So reagieren Iran und Nordkorea mit eigener Rüstung. Konfliktforscher befürchten bis 2020 bis zu 25 Atomwaffenstaaten.
    Ein deutscher Beitrag, das Bedrohungspotenzial zu mindern, wäre der Ausstieg aus dem globalen Krieg gegen Terror, zum Beispiel der Abzug aus Afghanistan. Wir brauchen Initiativen für die Einrichtung atomwaffenfreier Zonen, zum Beispiel im Nahen Osten. Außerdem müssen wir Druck auf die Atommächte machen, damit sie ihre Verpflichtung zur Abrüstung einhalten, statt weiter zu rüsten.

    Das Interview führte Paul Grasse

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