Wie weiter für die Linke?

Die Linke sollte ihren Wahlerfolg jetzt nutzen, um den Widerstand gegen Sozialabbau in und außerhalb des Parlaments aufzubauen.

Die Mehrheit „links“ vom liberal-konservativen Bürgerblock ist eine Sensation. Denn noch bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen (NRW) vor wenigen Monaten feierte dieser Block einen triumphalen Sieg.

Dass dem so ist, ist ein Erfolg der Linkspartei und speziell der WASG sowie natürlich der Protestbewegungen der letzten Jahre, die die WASG hoch und die PDS ein wenig in Wallung gebracht haben. Die Bildung der WASG war Ausdruck der Krise der SPD. Sie verlor vor allem in den Gewerkschaften an Einfluss. Ohne diese Entwicklung und die relativ erfolgreiche Kandidatur der WASG in NRW hätte Schröder nicht das Handtuch geschmissen, hätte Lafontaine nicht den Sprung aus der SPD gewagt und wäre es nicht zu dem beachtlichen Ergebnis der Linkspartei gekommen. Das dynamische Element war also letztlich die WASG, die die politische Landschaft nach links verschoben hat, SPD und Grünen einen linken Wahlkampf aufgezwungen und so die Pläne von Merkel und Westerwelle vereitelt hat.

Jetzt geht es darum, diese Abstimmung gegen den Sozialabbau in reale Bewegungen umzusetzen, denn die zukünftige Regierung wird weiter kürzen – egal in welcher Kombination sie aufgestellt sein wird.

Rot-Rot-Grün hat eine parlamentarische Mehrheit und kann theoretisch Merkel verhindern. Der IG Metall-Vorsitzende Peters sympathisiert mit so einem Bündnis, der Grünen-Linke Christian Ströbele ebenso. Wie sollte die Linkspartei mit dieser Situation umgehen?

Sie sollte drei Dinge tun: Gegen eine Regierungsbeteiligung argumentieren, einen Politikwechsel von der SPD fordern und Kräfte für den Widerstand außerhalb des Parlaments sammeln.

1. Gegen eine Regierungsbeteiligung: Keine Regierung wird linke Politik ausgehend vom Parlament durchsetzen können. Die Programmatik der Linkspartei und sogar die Positionen im SPD-Wahlmanifest widersprechen allem, was die deutschen und ausländischen Unternehmen wollen und die neoliberalen Medien propagieren. Sie werden alles tun, um die neue Regierung zu einem Kurswechsel zu zwingen oder aus dem Amt zu pressen.

Ihre Möglichkeiten sind vielfältig: Hetzkampagnen in der Presse, ein Investitionsboykott, aufeinander abgestimmte Massenentlassungen und Standortverlagerungen, Spekulation gegen deutsche Staatsanleihen. Lafontaine selbst hat 1999 nach einer solchen Kampagne gegen ihn aufgegeben. Es gibt kein einziges historisches Beispiel, wo eine Regierung diesem Druck standgehalten hätte.

Auch die Regierungsbeteiligungen der PDS in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern bestätigen diese Erfahrungen. Unter dem Druck des großen Partners SPD hat sie den Sozialabbau mitorganisiert und damit die Glaubwürdigkeit der PDS als soziale Kraft dort beschädigt.

Eine linke Regierung kann wirkliche Verbesserungen nur unter einer Bedingung durchsetzen: Wenn die Bosse wegen einer starken Bewegung von unten, Massendemonstrationen und Generalstreiks, fürchten müssen, ihre Macht in den Betrieben zu verlieren. Diese Situation haben wir in Deutschland nicht.

2. Einen Politikwechsel fordern: Die SPD hat mit der „Agenda 2010“ die größte Sozialdemontage in der Geschichte der Bundesrepublik durchgeführt. Im Wahlkampf hat die SPD das Gegenteil versprochen, nämlich soziale Gerechtigkeit.

Jetzt behauptet Schröder, das Wahlergebnis wäre eine Bestätigung seiner Agenda-Politik. Er sagte, er wolle „Kanzler bleiben, um die Reformpolitik weiter durchzusetzen“.

Damit tritt Schröder die Erwartungen vieler SPD-Wähler, die sich wegen des Wahlkampfs einen Politikwechsel erhoffen, mit Füßen.

Die Linkspartei sollte diesen Widerspruch zwischen Worten und Taten nutzen. Sie sollte sagen: Wir wollen einen Bruch mit der Politik des Sozialabbaus. Wir wollen einen gemeinsamen Kampf mit allen, die auch für diesen Bruch sind. Wenn also Sozialdemokraten bereit wären, eine Minderheitsregierung zu stellen und die Millionärssteuer und die Rücknahme von Hartz IV zu unterstützen, dann würden wir diese Politik in den Abstimmungen unterstützen.

So kann die Linkspartei in die Offensive gehen und klipp und klar benennen, an welchen Punkten sie eine rot-grüne Minderheitenregierung unterstützen würde:

  1. Sofortige Rücknahme der Verschlechterungen durch Hartz IV, Wiedereinführung der unbefristeten Arbeitslosenhilfe
  2. Ein öffentliches Investitionsprogramm in Höhe von 40 Milliarden Euro für Arbeitplätze in den Bereichen Soziales, Bildung und Umwelt. Dieses Programm kann finanziert werden durch
  3. Die Wiedereinführung von Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer für große Vermögen und Anhebung der Spitzensteuersätze.
  4. Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 1500 Euro.
  5. Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan bis Ende 2005, Stopp der Überflugsrechte für US-Kriegsflugzeuge auf dem Weg nach Irak. Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr, Kriegseinsätze unter der Flagge der EU sowie keine Unterstützung von Kriegseinsätzen der USA und anderer Länder in Irak und anderswo.

So müsste Rot-Grün Farbe bekennen, wie ernst sie es mit einer Linkswende meinen. Wenn Rot-Grün nicht darauf eingeht, hat das Linksbündnis mit der Forderung nach einem Politikwechsel deutlich gemacht, dass die Verantwortung für eine konservative Regierung bei der SPD-Führung liegt.

3. Widerstand aufbauen: Das Wahlergebnis war ein Rückschlag für die deutschen Unternehmer. Doch die Angriffe werden nicht aufhören, wie Siemens mit der Ankündigung von Entlassungen zeigt.

Deshalb bleibt die zentrale Aufgabe der Aufbau einer außerparlamentarischen Bewegung gegen Sozialabbau.

Um den Widerstand bundesweit zu koordinieren, ist für den 19. und 20. November eine Aktions- und Strategiekonferenz einberufen worden, organisiert von Vertretern außerparlamentarischer Organisationen. Dort wollen Aktivisten Schritte zur Abwehr von Angriffen der neuen Regierung auf Sozialstaat und Gewerkschaften beschließen.

Viele der Gewerkschafter, Attac-Mitglieder und anderen Aktivisten haben sich schon an den großen Demonstrationen gegen Sozialabbau am 1. November 2003 in Berlin und am 3. April 2004 in Berlin, Köln und Stuttgart beteiligt. Auf einem Vorbereitungstreffen der Konferenz waren sich die Teilnehmer einig, dass die außerparlamentarischen Bewegungen sich auf eine gemeinsame Kampagne einigen müssen. Diese soll sich gegen eine Maßnahme der neuen Regierung richten, die viele Menschen ablehnen. Um Erfolg zu haben, sollen unter anderem große Demonstrationen mobilisiert werden. Diesen Kongress sollte jeder besuchen, der ein Ende des Sozialbbaus will. Mehr Infos auf der Linksruck-Homepage. Der Kongress ist vor allem für Mitglieder von WASG und Linkspartei wichtig. Denn außerparlamentarische Proteste werden auch für die Abgeordneten im Parlament zentral sein. Bei allen Vorschlägen, die die Linkspartei in Bund und Ländern einbringen will, wird sie dies berücksichtigen müssen, weil nur so das gesellschaftliche Kräfteverhältnis zu Gunsten der Arbeitnehmer und der kleinen Leute verschoben werden kann. Um das zu erreichen, sollten WASG und Linkspartei unter anderem die Proteste und Streiks gegen Lohnsenkungen an den Unikliniken in Baden-Württemberg, gegen die Privatisierung der Uni-Kliniken in Hessen, gegen Massenentlassungen bei Siemens und gegen Kürzungen im Jugendbereich in Berlin unterstützen.

Die entstehende neue Linke muss ein Teil der außerparlamentarischen Bewegungen sein und sich mit ihren Ideen und Forderungen auseinandersetzen. Das heißt, auch im Parlament eine andere Art von Arbeit zu machen als bisher üblich. Es muss eine Arbeit sein, die Sozialabbau verhindert, statt vergeblich zu versuchen, ihn sozialer zu gestalten. Wir sollten das Parlament nutzen, um Alternativen zu verbreiten und so Menschen zu helfen, selbst aktiv zu werden. Dazu sollte eine neue Linke in außerparlamentarischen Bündnissen arbeiten und gemeinsam mit den Bewegungen Proteste organisieren und mobilisieren. Sie sollte Strukturen aufbauen, die linke Ideen in die breite Bevölkerung kommunizieren. Eine solche Linke kann Menschen aktivieren und befähigen für ihre eigenen Interessen einzustehen. Damit die neue Linke weiter in das sozialdemokratisch-gewerkschaftliche Lager ausgreifen kann, muss die WASG gestärkt werden. Deshalb fordern wir alle, die das neue Projekt erfolgreich machen wollen, auf, sich in der WASG für eine neue Linke zu engagieren. So kann eine Linke entstehen, die mehr ist als die alte PDS + die alte WASG.

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