Der Linkspartei-Wahlkampf und Rot-Rot in Berlin

SPD und Grüne erschienen im Wahlkampf teilweise linker als die Linkspartei. Die Wahlplakate und der Wahlkampf der Linkspartei.PDS haben die Wut vieler Menschen über Sozialabbau, Lohnraub, wachsende Existenzunsicherheit nicht oder nur schwach ausgedrückt. Es gab zum Beispiel keine flächendeckende Kampagne gegen Hartz IV. Auch eine Gegenkampagne zu den Wahlkamplügen der SPD fehlte. Die Offensive gegen Kirchhoff und Merkel / Westerwelle wurde weitgehend der SPD überlassen. Vor allem deshalb konnte die SPD in den letzten Wochen des Wahlkampfs sich aus ihrem Tief von unter 30 Prozent erholen.

Umgekehrt: SPD und Grüne besaßen die Frechheit, die Linkspartei als „heuchlerisch“ anzugreifen: zum Beispiel Joschka Fischer in Frankfurt vor fast 10.000 Menschen. Zwischenrufern aus der Linkspartei warf er vor, diese sei in Berlin für die Streichung von 14.000 Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst mitverantwortlich. „Ist das die Vorbereitung des Sozialismus?“, fragte er.

Fischer hat jeden Sozialabbau von Schröder mitgetragen. Er heuchelt also. Trotzdem hat er einen wunden Punkt getroffen: Denn die Berliner Koalition von SPD und Linkspartei war und ist ein Klotz am Bein des Widerstandes gegen Sozialabbau und Massenarbeitslosigkeit.

„Ein Grundproblem linker Regierungspolitik, so zeigen auch Erfahrungen in Brasilien und Südafrika, ist die Gefahr der Demobilisierung der linken, sozial- und demokratieorientierten Zivilgesellschaft“, so Michael Brie, Leiter des Bereiches Politikanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Zehntausende gingen in Berlin gegen die Kürzungen des Senats auf die Straße: Eltern, Studierende, Gewerkschafter. Berlin ist pleite. Für die Linke stellt sich die Frage, ob sie Armutsverwaltung betreiben oder Widerstand gegen Neoliberalismus aufbauen will. Ein „weiter so“ mit der Regierungsbeteiligung in Berlin gefährdet das gesamte Projekt. Die Linke ist unglaubwürdig, wenn sie gegen Sozialabbau auf Bundesebene mobilisiert und gleichzeitig auf Landesebene Sozialabbau gegen die Protestbewegungen durchsetzt und rechtfertigt.

Von daher ist eine öffentliche Debatte über die Auswirkungen der Regierungsbeteiligung von fundamentalem Interesse für die Berliner Bevölkerung und die gesamte Linke.

Es besteht die Gefahr, dass die Linkspartei-Fraktion im Bundestag mit Rücksicht auf ihre Regierungsbeteiligungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern außerparlamentarische Kämpfe gegen Lohnraub und Sozialabbau nur halbherzig unterstützen wird – und in den genannten Bundesländern überhaupt nicht.

Wir fordern die Linkspartei deshalb zu einem Kurswechsel auf. Die angekündigten Maßnahmen in Berlin gegen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst (noch einmal weitere 4000 Stellen stehen auf dem Spiel) und die Kürzungen im Jugendbereich von 40 Millionen Euro müssen zurückgezogen werden. Sie belasten im Übrigen auch den Vereinigungsprozess mit der WASG.

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