Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern

Große Koalition abgewatscht – CDU verliert, SPD bricht ein

Die Landtagswahlen galten als Test für die Große Koalition. Klar ist: Es geht weiter bergab für Merkel und Münte. Kurt Beck’s (SPD) Äußerungen am Wahlabend, dass es für die SPD „eine gute Stimmung“ gäbe ist fernab der Realität. Die Unzufriedenheit mit den Parteien der Großen Koalition ist groß, insbesondere mit der SPD. Beide großen Parteien verloren in absoluten Zahlen massiv an Stimmen. In Mecklenburg -Vorpommern verlor die CDU 69.000 und die SPD 147.000 Stimmen. Die SPD verliert dort in allen Altersgruppen stark. Bei den Wählern zwischen 30 und 59 Jahren fallen die Verluste sogar zweistellig aus. In Berlin verlor die CDU 90.000 und die SPD 58.000 Stimmen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat auf das schlechte Abschneiden der Union in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ähnlich reagiert wie ihr Vorgänger Gerhard Schröder bei vergleichbaren Hiobsbotschaften: Auf die Frage, welche Konsequenzen sie aus den Wahlen ziehe, sagte Merkel, sie werde den Sozialabbau weiter fortsetzen. Doch genau dieser lässt immer mehr Menschen unzufriedener werden. Ein Hinweis darauf die geringe Wahlbeteiligung. Bei den Landtagswahlen lag die Wahlbeteiligung mit 59 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern und 51 Prozent in Berlin auf einem erneuten Tiefstand.
Fazit: Die Politik der Großen Koalition ist unbeliebt und führt zur fortschreitenden Erosion von CDU und SPD – eine Öffnung die die neue Linke nutzen sollte und auch muss, wie die anwachsende Nazibedrohung zeigt.

Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das Kroch

Schon die Umfragen vor der Wahl haben klar gemacht, dass die Nazis von dem Unmut über den anhaltenden Sozialabbau und die hohe Arbeitslosigkeit profitieren können. In Mecklenburg-Vorpommern zieht die NPD jetzt mit 5 Kandidaten in den Landtag ein. Die NPD kommt dort insgesamt auf 60.000 Stimmen (7,3%). Die Nazis gewinnen 12.000 Stimmen von der CDU, 11.000 aus den Nichtwählern und 7000 von der SPD. Besonders stark ist die NPD in ländlichen Regionen. In Dörfern bekam sie durchschnittlich 9,2 Prozent. In mindestens sieben Dörfern Mecklenburgs wurde die NPD sogar stärkste Partei. Sie heißen Postlow (NPD-Anteil 38,2%), Blesewitz (32,2%), Bargischow (31,6%), Neuenkirchen (30,15), Groß Krams (26,3%), Wilhelmsburg (27,4%) oder Pulow (21,5%). Der Wahlerfolg der NPD in Mecklenburg-Vorpommern hat eine Debatte über den Kampf gegen Nazis entfacht. Toralf Straud meint im ARD Interview:
„Durch 40 Jahre DDR wurde bei vielen Leuten eine Empfänglichkeit für kollektivistische Gesellschaftsmodelle geschaffen. Ein Slogan „Alles für das Wohl des Volkes“, wie ihn die SED über 40 Jahre vorgebracht hat, kann von der NPD leicht umgedeutet genutzt werden – für autoritäre Gesellschaftsmodelle (…).“ Das es im Osten an demokratische Traditionen fehle und deswegen die Nazis so stark sind ist Grund falsch. Die Revolution von 1989 war eine Massenbewegung von unten, unter anderem für mehr Demokratie. Millionen haben an dieser Bewegung teilgenommen. Auch die Demonstrationen gegen die Hartz IV Gesetze waren „von unten“ organisiert, ohne die Unterstützung der Großen Parteien und der Gewerkschaftsspitzen. Das „DDR Argument“ verschleiert auch, dass der Aufstieg von faschistischen Parteien ein europaweites Phänomen ist.
In Belgien, den Niederladen, Frankreich und zu letzt in Dänemark. Hauptgrund für den Aufstieg der Nazis ist die anhaltende soziale Misere. Die NPD konnte dort gewinnen, wo die Arbeitslosigkeit besonders hoch war. Der vorpommersche Landkreis Uecker-Randow hat mit 26,6 Prozent die höchste Arbeitslosenquote in ganz Deutschland. Dort hat die NPD mit die meisten Stimmen bekommen. Die soziale Frage stand im Mittelpunkt der Wahlen. Die Arbeitslosigkeit ist für 88 Prozent der Befragten in Mecklenburg-Vorpommern und 62 Prozent der Befragten in Berlin das wichtigste Problem. Aber nur knapp 20 Prozent der Menschen glauben, dass wichtige Entscheidungen in der Landespolitik getroffen werden. Von der Bundespolitik sind jedoch viele enttäuscht. Laut ARD-Analyse vom Wahlabend haben 83 Prozent der NPD-Wähler die Nazis gewählt, weil sie „von den anderen Parteien enttäuscht sind“. 61 Prozent der NPD-Wähler betrachten sich als „Verlierer der gesellschaftlichen Entwicklung“. Mehr als die Hälfte aller NPD-Wähler erwartet gar nicht, dass ihre Partei etwas bewegen und bewirken kann, wählen sie aber trotzdem.Der simple Grund: Die NPD sage wenigstens, was Sache ist. Bei jungen Männern – die Betonung liegt auf „jung“ – holten die Nationaldemokraten besonders viele Stimmen. Das wichtigste Wahlmotiv: Es gehe nicht gerecht zu in Deutschland. Die Nazis können zurückgedrängt werden, wenn gegen sie Widerstand geleistet wird. Das zeigt die Erfahrungen am 8. Mai 2005 als Zehnttausende den NPD-Aufmarsch in Berlin stoppten und die NPD in eine Krise stürtzen. Solange jedoch die soziale Mißere weiter anhält können sich die Nazis von solchen Dämpfern wieder erholen. Der Wahlerfolg der Nazis macht deutlich wie dringend in Deutschland eine neue vereinte antineoliberale Linke braucht.

Berlin: Linkspartei.PDS verliert 180.000 Stimmen – Regierungsbeteiligung schadet der Linken

Die Wahl brachte der Linkspartei in Berlin einen beispiellosen Absturz. Sie verlor 180.000 Stimmen. In den Hochburgen der LP.PDS Lichtenberg verlor minus 17 Prozent und Marzahn minus 20 Prozent. Die Politik der Haushaltskonsolidierung in der Berliner Rot-Roten Koalition hat der Linkspartei.PDS massiv geschadet. 42 Prozent derjenigen, die 2001 noch PDS gewählt hatten, gaben „soziale Gerechtigkeit“ als ihr wichtigstes Anliegen an. Der Linkspartei-Wirtschaftssenator und Spitzenkandidat Harald Wolf räumte indirekt ein das die Sparpolitik des roten-roten Senats ursächlich für den Absturz der Linkspartei waren: „Wir hatten schwierige Entscheidungen zu treffen, die keine Begeisterungsstürme bei unseren Anhängern ausgelöst haben.“
Andere Linkspartei-Politiker, wie Fraktionschef Stefan Liebig, schieben die Schuld am Wahldebakel der eigenständig angetretenen Berliner WASG in die Schuhe. Das geben die Wählerwanderungszahlen aber nicht her. Zwar hat die Linkspartei 17.000 Stimmen an die WASG verloren, das Gro der Verluste, nämlich 64.000 ging aber aufs Konto der Nichtwähler. Linkspartei-Wähler sind enttäuscht zu Hause geblieben, nicht in Scharen zur WASG übergelaufen.
Damit war der eigenständige Antritt der WASG in Berlin, gemessen an den eigenen Ansprüchen, mit 2,9 Prozent ein Fehlschlag. Die Berliner WASG-Führung hatte argumentiert, das die Enttäuschung über die Kürzungspolitik des rot-roten Senats in Berlin Raum für eine Linke links von der Berliner Linkspartei öffnet. Diese Einschätzung hat sich durch den Absturz der Linkspartei bestätigt. Falsch war jedoch der Glaube, das ein linke Konkurrenzkandidatur, die ihr Feuer fast auschließlich auf die LP.PDS richtet und nicht auf die Parteien der Großen Koalition, dieses Potential erreicht. Die Menschen haben lieber gar nicht gewählt, als die Spaltung der Linken zu honorieren ­ und auf Bundesebene war der Flurschaden durch den eigenständigen Antritt immens.
Trotzdem sind 40.000 Stimmen und der Einzug in sieben Bezirksversammlungen durch die WASG, angesichts der mageren finanziellen und personellen Ressourcen der Berliner WASG ein weiterer Beleg für die tiefgreifenden Frustration, die die Linkspartei durch ihre Politik in ihrer Anhängerschaft gesät hat.
Die NPD-Nazis zogen in Berlin in vier Bezirksversammlungen ein ­ eine Warnung für die Linke: Wenn sie die Enttäuschten nicht an sich bindet und ihnen eine soziale Perspektive gibt oder wie im Berliner Fall sogar selber Enttäuschung produziert, dann stehen die Rechten bereit, diese Lücke zu füllen.
Das es auch im Rahmen der Linkspartei anders geht, zeigte der Wahlkampf und das Ergebnis von Nabil Rachid im Wahlkreis Neukölln I. Mit einem Wahlkampf gegen die Große Koalition holte Nabil 1,751 Stimmen (10,6 Prozent) eines der höchsten Ergebnisse im Westen.
Noch am Wahlabend verwies der Berliner Linkspartei-Vorsitzende Klaus Lederer auf die prozentualen Zugewinne der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern um zu argumentieren, „das die Linkspartei aus der Regierung heraus auch dazugewonnen kann“. Deshalb sei eine Grundsatzdiskussion um Regierungsbeteiligungen unangebracht.
Richtig ist, das die Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern um 0,4 Prozent zugelegt hat. Falsch ist jedoch die Behauptung, sie hätte „dazugewonnen“ tatsächlich hat die Linkspartei Stimmen verloren. Einem Zugewinn von 9.000 stimmen von SPD und CDU steht ein Verlust von 28.000 Stimmen gegenüber ­ davon 4.000 an die NPD und 22.000 an die Nichtwähler. Die Linkspartei war weder in der Lage den Marsch vieler Menschen in die politische Frustration zu stoppen, noch den Aufstieg der Nazis zu bremsen.
Das der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern trotz Regierungsbeteiligung keinen Zusammenbruch a la LP.PDS Berlin erlebte, hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. Zum einen hat die LP-Führung in Mecklenburg-Vorpommern, anders als ihre Berliner Kollegen, die Unterstützung für de Kürzungskurs der SPD nicht wie eine Auszeichnung vor sich hergetragen. Ihr Spitzenkandidat Mehling hat mehrfach betont, das er die Linkspartei sowohl als Regierungs- als auch als Protestpartei sieht. Die Beteiligung der LP.PDS an den Hartz I-Protesten und auch an den Aktionen gegen den Bush-Besuch haben dieser Aussage Glaubwürdigkeit gegeben – vor allem weil dies fast die einzigen größeren Bewegungen waren, die in Mecklenburg-Vorpommern stattgefunden haben.
In Berlin hingegen gab es ein ganze Kette von Protesten gegen den rot-roten Senat ­ allein im Wahlkampf einen Schülerstreik und einen Streik des Pflegepersonals bei der Universitätsklinik Charite, dem größten Arbeitgeber der Stadt. Bei diesen Protesten musste die Linkspartei in Berlin Farbe bekennen und bezog gegen die Streikenden Stellung. Die weitgehende Abwesenheit solcher Proteste hat es der LP.Meck-Pom einfacher gemacht, ein soziales Image beizubehalten. Das hat , vor allem in Hinblick auf den Absturz der SPD, die Verluste der LP begrenzt ­ was aber angesichts des formulierten Anspruch der Linken, eine starke neue Kraft links von der SPD aufzubauen, die in der Lage ist, den Enttäuschten eine soziale Perspektive zu geben, eine sehr dürftige Bilanz ist.

Das Fazit aus den Wahlen

a) Die Politik der Großen Koalition ist unbeliebt und führt zur fortschreitenden Erosion von CDU und SPD – eine Öffnung die die neue Linke nutzen sollte und auch muss, wie die anwachsende Nazibedrohung zeigt.
b) Dabei ist die Politik der Regierungsbeteiligung zu den Bedingungen der SPD ein Irrweg, der die Linke, auch bundesweit, schwächt, nicht stärkt. Die rot-roten Koalitionen sollten sowohl in Berlin, als auch in Mecklenburg-Vorpommern beendet werden.
c)Auch die Spaltung durch die eigenständige Kandidatur hat sich als falscher Weg erwiesen – eine stärkere Linke ist und konnte daraus nicht erwachsen. Wenn jetzt die Linkspartei die Koalition mit der SPD verlassen sollte, dann ist das nicht einem Erfolg der WASG geschuldet, sondern zuvörderst den katastrophalen Folgen der eigenen Politik.
d) Die Linke ist in der Pflicht, gegen die um sich greifende Perspektivlosigkeit breiter Schichten anzugehen. Zentral dafür ist die Mobilisierung zu den gewerkschaftlichen Protesten gegen die Große Koalition am 21. Oktober und der zügige Abschluss der Parteibildung einer neuen Linken mit einem klaren Profil gegen Sozialabbau – in Theorie wie in Praxis.

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