Ursula von der Leyen und die Frauenbefreiung

Familienministerin Ursula von der Leyen will die Zahl der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren bis 2013 auf rund 750.000 verdreifachen. Dann könnten bundesweit etwa 35 Prozent dieser Mädchen und Jungen in Krippen oder von Tagesmüttern betreut werden – das würde Deutschland auf den EU-Schnitt bringen. Die Zusatzkosten beziffert von der Leyen auf jährlich drei Milliarden Euro.

Von der Leyens Vorschlag wird innerhalb der Konservativen vor allem von der CSU angegriffen. CSU-Politiker sagen von der Leyen wärme familienpolitische Konzepte der DDR auf. Es müsse deutlich werden, das die Konservativen die Erziehung in der Familie nicht benachteiligen und Frauen Wahlfreiheit gewähren.

Die CSU-Argumentation ist verlogen: Wo es kein Betreuungsangebot gibt, und das wäre selbst bei Umsetzung der Pläne von Von der Leyen bei 65 Prozent der Fall, da gibt es auch keine Wahlfreiheit: Ein Elternteil, und das heißt aufgrund des andauernden Lohngefälles, zumeist die Frau, muss für 3 Jahre zu Hause bleiben. Auch das Kind, was in der Familie bleiben muss, startet mit einer Hypothek. Die verschiedenen Bildungsstudien seit PISA kommen alle zum Schluss, das Kinder, die nicht die Möglichkeit haben, in frühkindlichen Betreuungseinrichten soziale Interaktion in der Gruppe zu üben, oder, ganz zentral für Migranten, Deutsch zu lernen, später in der Schule abgehängt werden. Deshalb ist es richtig, wenn die Linke den Vorschlag von Von der Leyen unterstützt und fordert, das die Gelder dafür von den Reichen und Konzernen genommen werden.

Die CSU hält das alte konservative Familienideal hoch, nach dem die Frau, natürlich unentgeldlich, im Haushalt die Reproduktionsarbeit übernimmt und damit dem Kapital zum Nulltarif eine neue Generation von Arbeitern heranzieht und die bestehende, männliche, Generation von Arbeitern für den nächsten Arbeitstag wieder herstellt. Diese Ideologie beißt sich mit den Realitäten. Zum einen sind Frauen heute ein integraler Bestandteil der Arbeiterklasse und zu Recht nicht bereit, zurück an den Herd und damit in die ökonomische Abhängigkeit vom Mann zu gehen. Zum anderen hat die Massenarbeitslosigkeit und ständiger Druck auf die Löhne das Modell vom Alleinverdiener bei Normalverdienenden zum Armutsmodell gemacht. Und schließlich könnte das Kapital ohne die Erwerbsarbeit von Frauen gar keine Profite realisieren. Von daher hat auch das Frauenideologie der Herrschenden eine Modernisierung erfahren. Frauen sollen heute sowohl im Beruf, als auch im Haushalt produktiv sein: Diese Doppelbelastung durch Produktions- und Reproduktionstätigkeiten ist der Kern der Frauenunterdrückung im heutigen Kapitalismus.

Auch wenn Ursula von der Leyen in Opposition zur CSU steht – eine Vorkämpferin für Frauenbefreiung ist sie und der hinter ihr stehende Flügel der CDU nicht. Wenn sie, wie auch die Unternehmen selber, fordert, Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern und gleichzeitig den Abbau von Kündigungsschutz und die Flexibilisierung von Arbeitszeiten fordert, dann geht es ihr um das, was Karl Marx die „Mobilisierung der industriellen Reservearmee“ nannte: Das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen soll ausgenutzt werden, um Frauen als Lohndrücker einzusetzen, wie Jahrzehnte zuvor die migrantischen Arbeiter. Gerade im Niedriglohnsektor wird so ein gigantischer Verdrängungswettbewerb angeheizt.

Die sozialistische Antwort darauf heißt nicht, Frauen den Zutritt zum Arbeitsmarkt zu verwehren, ebensowenig wie wir die Forderung nach einer Begrenzung von Arbeitsmigranten richtig finden, obwohl sie vom Kapital als Lohndrücker eingesetzt werden. Das Kapital wird immer versuchen, verschiedene Teile der Arbeiterklasse gegeneinander auszuspielen: Westdeutsche und Ostdeutsche, Frauen und Männer, deutsche und Nicht-Deutsche. Die Antwort darauf ist der gemeinsame Kampf um bessere und gleiche Bedingungen: Für gleichen Lohn von Männern und Frauen, für einen Mindestlohn der den ruinösen Wettlauf nach unten im Niedriglohnbereich stoppt, für einen weitgehenden Ausbau der staatlichen Möglichkeiten, qualifizierte Reproduktionsaufgaben zu übernehmen und so Frauen wie Männern eine freiere Lebensplanung zu ermöglichen.

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