Griff nach Afrika

Mit einer Afrika-Kampagne will die Merkel-Regierung wirtschaftlichen und politischen Einfluss auf dem Kontinent gewinnen.

Bundespräsident Köhler hat schon bei seinem Amtsantritt eine Initiative „Partnerschaft mit Afrika“ gegründet, in der hochrangige Politiker und regierungsnahe Wissenschaftler an Strategien im Umgang mit den Ländern Afrikas arbeiten. Im Dezember findet ein EU-Afrika-Gipfel statt. Einer der Schwerpunkte wird die Energiepolitik sein. Denn außerhalb der Förderstaaten am Persischen Golf wächst vor allem die Bedeutung afrikanischer Staaten bei der Versorgung mit Energieträgern.

Im Umgang mit Afrika fordert ein Mitglied des Beirates der Köhler-Initiative, Stefan Mair von der Stiftung Wissenschaft und Politik „Weniger Altruismus, mehr Engagement“. Grundlage jeder Partnerschaft müsse sein, dass beide Partner ihre Interessen offen vertreten und Nutzen aus der Verbindung ziehen: „Einer rein nutzorientierten Sicht der Partnerschaft wird häufig entgegengehalten, es gäbe doch auch so etwas wie Verantwortung und Solidarität als konstituierende Elemente einer Beziehung. Eine historische Verantwortung Europas für die Folgen von Sklavenhandel und Kolonialismus… in Afrika ist sicherlich vorhanden. Aber lässt sich auf historischer Schuld eine Partnerschaft aufbauen?“

„Der Anstieg der Preise für Öl und andere Rohstoffe hat erneut der Diskussion Nahrung gegeben, wie wichtig Afrika gegenwärtig und zukünftig als Rohstofflieferant ist“, schreibt Mair weiter. Deutschland strebe eine „gewichtigere Rolle in der Welt“ an, „zumindest auf gleicher Augenhöhe mit Frankreich und Großbritannien.“ Dazu gehört im Verständnis der Regierung ein offensiveres Auftreten auf der internationalen Bühne.

Die Regierung will den deutschen Einfluss in Afrika ausbauen. Nigeria, einer der größten Ölexporteure Afrikas, liefert fast ausschließlich an die USA. Großbritannien und Frankreich unterhalten ebenso wie die Vereinigten Staaten Militärbasen auf dem Kontinent und bilden örtliche Armeen und Diktatoren aus. Wie schon vor 100 Jahren droht Deutschland, außen vor zu bleiben. Damals forderte das Kaiserreich einen „Platz an der Sonne“ und wollte an der Aufteilung der Welt beteiligt werden.

Noch sind deutsche Konzerne bei der Durchsetzung ihrer Interessen weitgehend auf andere Staaten und deren Wohlwollen angewiesen. Das soll sich ändern. Mit der Fertigstellung der ersten EU-Battle Group hat die Bundesregierung einen wichtigen Schritt in Richtung höherer militärischer Schlagkraft getan. Die Einheit ist für den Einsatz in Afrika vorgesehen und soll binnen weniger Tage in Einsatzgebiete geschickt werden können, die sich in bis zu 6000 Kilometer Entfernung befinden.

Köhler reiste im Januar zum wiederholten Mal nach Ghana. In dessen Hauptstadt Accra ist mit deutscher Hilfe ein Trainingszentrum für Militäreinsätze errichtet worden, an dem westafrikanische Soldaten auf die Entsendung in Kriegs- und Bürgerkriegsgebiete vorbereitet werden. Deutschland ist an der Finanzierung und Ausbildung der Afrikanischen Union beteiligt, die auf deutschen Wunsch hin Truppen in den Sudan und nach Somalia schicken soll. In Nordafrika bemüht sich der deutsche Energiekonzern E.on um die Kontrolle über die unterseeischen Pipelines, über die algerisches Erdgas nach Südeuropa transportiert wird. Außerdem ist der Aufbau großer Sonnenenergiekollektoren in Nordafrika geplant. Deren Betrieb und die Vermarktung des so entstehenden Stromes wollen deutsche Unternehmen leiten.

Hinter der Afrika-Kampagne der Bundesregierung steht unter anderem die so genannte „Südliches Afrika-Initiative der Deutschen Wirtschaft“ (SAFRI), die 1996 von Helmut Kohl ins Leben gerufen wurde und vom ehemaligen Daimler-Manager Jürgen Schrempp geleitet wird.

Schrempp argumentiert: „Bis zum Jahr 2030 wird der Energieverbrauch weltweit um über 50 Prozent steigen. Zwei Drittel davon werden allein die explodierenden Volkswirtschaften China und Indien beanspruchen. Kein Wunder, dass der Kampf um die Ressourcen Erdöl und Gas auf dem afrikanischen Kontinent längst in vollem Gange ist. Schon jetzt ist Europa dabei, ins Hintertreffen zu geraten. Zu Unrecht – denn neben den Vereinigten Staaten von Amerika ist die Europäische Union der größte Geber von Entwicklungshilfe vielfältiger Art an die Staaten Schwarzafrikas. Es kommt jetzt darauf an, dass die Probleme des südlichen Afrika gemeinsam angegangen werden. Bei Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ist dieses Anliegen in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende des Europäischen Rates und der Gemeinschaft der führenden Industrienationen (G8) in diesem Jahr in guten Händen.“

Die Afrika-Freundlichkeit entpuppt sich also als Heuchelei: Vielmehr als humanitäre Ziele stehen wirtschaftliche und geopolitische Ziele im Mittelpunkt.

Beim G8-Gipfel 2005 versuchte die britische Regierung, sich als Schutzmacht Afrikas aufzuspielen, und kündigte einen großzügigen Schuldenerlass für besonders arme Länder an. Auch diese Kampagne war eine Mogelpackung – nur ein geringer Teil der Schulden wurde erlassen. Die Weltbank hat sich darüber hinaus einen Teil des Erlasses aus den Entwicklungshilfeetats der Industrieländer zurückzahlen lassen. In Kenia, wo dieses Jahr das Weltsozialforum stattfand, fressen die Schuldenrückzahlungen 22 Prozent des Staatshaushaltes auf. Die Hälfte der Bevölkerung lebt von weniger als 1 Dollar am Tag.

Die britische Kampagne haben sich Werbestrategen der Bundesregierung zum Vorbild genommen. Merkels Vorstöße werden den Menschen in Afrika nicht helfen. Worum es Schwarz-Rot vielmehr geht, ist, Deutschlands Konzernen wieder einen Platz an der Sonne zu sichern.

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