Die Wurzeln des Terrors

“Horror im Paradies” titelte die BILD nach den Bombenanschlägen von Bali. Doch die Zustände in Indonesien sind alles andere als paradiesisch: Westliche Regierungen und Konzerne haben der Bevölkerung das Leben zur Hölle gemacht. Das ist der Nährboden für Terror, den die BILD verschweigt.

Als Folge der Finanzkrise1997 leben über 100 Millionen Indonesier unterhalb der Armutsgrenze – viermal so viele wie 1996. Dabei werden steigende Lebensmittelpreise, Hungersnot und Unterernährung von Kindern zu einer wachsenden Bedrohung. Unterdessen brechen Kinder in noch nie dagewesener Zahl die Schule ab. Nach Quellen der indonesischen Regierung sind bis zu 1,6 Millionen Schüler jährlich dazu gezwungen , den Schulbesuch einzustellen.

Viele Menschen in Indonesien haben gute Gründe, die westlichen Regierungen und Konzerne zu hassen. Es ist tragisch, dass einige von ihnen ihre Wut nun auf grausame Weise an völlig unschuldigen Urlaubern ausgelassen haben.
Indonesien ist das Land mit der viertgrößten Bevölkerung auf der Welt und erstreckt sich über Tausende von Inseln.

Das Land leidet noch immer an den Folgen der schweren Wirtschaftkrise 1997-98. Damals ist die Wirtschaft mehrerer asiatischer Länder zusammengebrochen. Das Exportland Indonesien wurde besonders hart getroffen. Anfang 1998 waren 80 Prozent der Unternehmen bankrott. Die Währung stürzte ab.

Das Eingreifen des Internationalen Währungsfonds IWF verwandelte die Krise in eine Katastrophe. Im IWF haben die Vertreter westlicher Banken und Regierungen das Sagen. Sie entwarfen ein Programm, welches die Wirtschaft auf Kosten der Bevölkerung sanieren sollte.

Auf Anweisung des IWF schloss der regierende Diktator Suharto Betriebe, steigerte die Preise und strich Subventionen für Grundnahrungsmittel. Zwei Millionen Arbeiter wurden pro Monat entlassen, der Preis für Reis stieg um 38 Prozent, für Hühnerfleisch um 86 Prozent, für Strom und Wasser um 60 Prozent.

Innerhalb von Monaten fielen 100 Millionen Indonesier unter die Armutsgrenze. Ein Bericht der Wohlfahrfahrtsorganisation OXFAM zeigt das Ausmaß der sozialen Krise: „Auf Zentral Java steigt die Kinderprostitution. Mädchen, die nicht älter als 10 Jahre sind., prostituieren sich im verzweifelten Versuch, sich und ihre Familie zu ernähren“.

Massendemonstrationen folgten. Durch eine Besetzung des Parlaments und nach Zusammenstößen mit dem Militär wurde Indonesiens Diktator, General Suharto, nach 33 Jahren aus dem Amt getrieben.

Suharto war ein enger Freund des Westens gewesen. 1965 hatte er sich an die Macht geputscht und die Kommunistische Partei Indonesiens (PKI) vernichtet. Die PKI war die drittstärkste kommunistische Partei weltweit gewesen.

Bei dem Massaker der Armee starben mindestens 500.000 Menschen. Allein auf Bali mit einer Bevölkerung von 1,8 Millionen gab es zwischen 70.000 und 100.000 Tote. In kleinen Dörfer wurde durchschnittlich ein Drittel der Bevölkerung ausgerottet.

Die US-Regierung unterstützte den Putsch. Suhartos Vorgänger Sukarno hatte Anlagen von amerikanischen Ölkonzernen verstaatlicht und sich so den Hass der US-Regierung zugezogen.

Ein Sprecher des US-Außenministeriums zog 1966 in der New York Times Bilanz: „Jetzt steht also dieser weitgestreckte und strategisch bedeutungsvolle Archipel nicht mehr unter der Kontrolle eines Mannes, der vom Amerikahass beherrscht wird.“

Der amerikanische Vizepräsident Hubert Humphrey hatte direkte Kontakte zu den Putschisten, wie sein Sprecher offen zugab: „Der Vizepräsident spielte eine bisher heimliche aber wichtige Rolle, als es galt, die demokratischen Kräfte in Indonesien zu ermuntern“.

Suharto regierte mit eiserner Faust und westlicher Unterstützung. 1975 besetzte die indonesische Armee den Ostteil der Insel Timor. In den nächsten 20 Jahren tötete sie dort 200.000 Menschen.

Am Tag vor der Invasion waren Präsident Ford und Außenminister Kissinger in der indonesischen Hauptstadt Jakarta gewesen und hatten grünes Licht gegeben. 90 Prozent der Waffen, die das indonesische Militär bei der Invasion einsetzte, waren von der USA zur Verfügung gestellt worden.

„Wir werden aufgrund der guten amerikanisch-indonesischen Beziehungen den Übergriff gegen Osttimor mehr oder weniger billigen. Wir betrachten Indonesien als ein freundlich gesonnenes neutrales Land – ein Land, mit dem wir gute Geschäfte machen“, kommentierte ein Vertreter des US-Außenministeriums die Invasion.

Neben den USA war Deutschland ein enger Verbündeter der Suharto-Dikatur. Von 1986 bis 1996 hat die deutsche Regierung insgesamt 680 Genehmigungen für Rüstungsexporte erteilt.

Die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Indonesien und Deutschland ist so eng, dass das indonesische Wirtschaftsmagazin Pilar von einer „Germanisierung der indonesischen Wirtschaft“ sprach.

Als Suharto 1998 stürzte, herrschte kurzeitig Besorgnis im Westen, ob die unter der Diktatur aufgebauten Geschäftsbeziehungen überdauern.

Die Sorgen erwiesen sich als unberechtigt. Die neue Regierung nahm sofort Verhandlungen mit dem IWF über die weitere Umsetzung der Sparprogramme auf. Weiterhin arbeiten Hunderttausende meist minderjährige Indonesierinnen unter schlimmen Bedingungen in Sweatshops, um für Konzerne wie Nike Schuhe zu nähen.

Fortgeführt wird auch die Politik der brutalen Bekämpfung von Unabhängigbestrebungen in einzelnen Teilen des Inselreichs, wie jene in der ölreichen Provinz Aceh. George Bushs „Krieg gegen den Terror“ hat der indonesischen Regierung den geeigneten Vorwand für Militäraktionen gegeben.

Die prowestliche Politik der momentanen Präsidentin Megawatti Sukarnoputri bietet der um ihr tägliches Überleben kämpfenden Bevölkerung keine Perspektive. Aus diesem Grund haben radikale islamische Gruppen Zulauf.

Der Islam ist die Religion der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung.

Anfang des 16 Jahrhunderts landeten portugiesische Eroberer auf der größten Insel des Archipels, Java. Die Eroberer beuteten die Reichtümer Indonesiens aus und versuchten, die Bevölkerung mit “Feuer und Schwert” zum Katholizismus zu bekehren. Zehntausende Indonesier wurden regelrecht abgeschlachtet.

Der Widerstand gegen die Portugiesen wurde von islamischen Geistlichen organisiert, die zum “Heiligen Krieg” gegen die Unterdrücker riefen. Der Islam verbreitete sich in Windeseile über das Inselreich, “Allah ist groߔ wurde zum Schlachtruf des Kampfes gegen die fremden Herren. Auch im Kampf gegen die Holländer, die die Portugiesen als Kolonialherren ablösten, spielten islamische Gruppen eine wichtige Rolle.

Nach der Unabhängigkeit Indonesiens 1949 wurden islamische paramilitärische Gruppen vom indonesischen Militär und vom Westen gezielt gefördert und bewaffnet. Sie sollten ein Gegengewicht zu den Kommunisten bilden.

Der Plan ging auf – bei den Massakern 1965 mordeten islamische Paramilitärs Seite an Seite mit der Armee.

Jetzt arbeiten viele der islamischen Organisationen mit der Regierung zusammen und unterstützen die Politik des IWF. Indonesiens Vizepräsident ist der Vorsitzende einer der größten islamischen Parteien des Landes.

Aber einige islamistische Gruppen haben auf die Armut, die Millionen in Indonesien quält, reagiert, indem sie gewaltsam zuschlugen – meistens gegen Menschen, die keinerlei Verantwortung für das Leiden der normalen Menschen haben.

In einigen Gebieten haben die Islamisten zum Beispiel Christen zur Zielscheibe erklärt. Andere könnten hinter den Attentaten von letzter Woche stecken.

George W: Bush hat angekündigt, den „Krieg gegen den Terror“ verstärkt nach Südostasien auszuweiten. Unterstützt wird er dabei vom konservativen Premierminister Australiens, John Howard.

Australiens große Konzerne spielen Schlüsselrollen bei der Kontrolle der Öl- und Mineralstoffreserven der Region. Howard droht nun mit „Aktion” und verstärkt seine Unterstützung für George Bushs ”Krieg gegen den Terror”.

Damit wird nur eines mit Sicherheit erreicht. Die Armut in der Region und die Verbitterung über die westlichen Mächte werden zunehmen. Und einiges von diesem Zorn wird die Form neuer terroristischer Anschläge annehmen.

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