Nach dem SPD-Parteitag: Streiken wie im Osten

54 Prozent unterstützen die Gewerkschaften gegen Schröders Sozialabbau. Die ostdeutschen Metallarbeiter zeigen mit ihren Streiks, wie wir gegen die "Agenda 2010" kämpfen könnten.Kanzler Schröder hat sich in der SPD durchgesetzt. Über 80 Prozent der Delegierten auf dem Sonderparteitag stimmten für die "Agenda 2010" und damit für Sozialabbau.
Das Parteivorstandsmitglied Ottmar Schreiner und die anderen SPD-Linken haben zwar gegen die Kürzungen gekämpft. Doch mit einer beispiellosen Hetzkampagne und der Drohung, mögliche linke Delegierte von Posten und Wahllisten zu entfernen, hat es die Parteiführung geschafft, dass die Linken auf dem Parteitag weit unterrepräsentiert waren.
Doch die beschlossenen Angriffe auf den Sozialstaat werden gegen den Willen der Menschen in Deutschland geführt. Denn 54 Prozent unterstützen den Widerstand der Gewerkschaften gegen Sozialabbau, nur 37 Prozent stehen hinter Schröder.
Auch jede einzelne Maßnahme der "Agenda", ob Kürzung der Arbeitslosenhilfe, Lockerung des Kündigungsschutzes oder höhere Zuzahlungen für Kranke, lehnen die meisten ab. Drei Viertel glauben Schröder nicht, dass durch die Agenda neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Wenn wir es schaffen, diese Unzufriedenheit mit Schröders Sozialabbau auf die Straße zu bringen, können wir die "Agenda" noch aufhalten. Die Metallarbeiter in Ostdeutschland zeigen, wie für soziale Gerechtigkeit gekämpft werden muss. Dreizehn Jahre nach der Wende haben sie genug davon, für den gleichen Lohn jede Woche drei Stunden mehr zu arbeiten, als ihre Kollegen im Westen. Der Streik für die 35-Stunden-Woche ist seit Jahren der erste Kampf der Gewerkschaft IG Metall für Arbeitszeitverkürzung. 51 Prozent der Ostdeutschen unterstützen den Streik.
Auch in Frankreich organisieren die meisten Gewerkschaften ab 3. Juni erneut einen Generalstreik gegen die Rentenkürzungen der Regierung (siehe Seite 7). Zudem sind in Evian bei Genf über 100.000 Globalisierungskritiker aus ganz Europa gegen die G8, die mächtigsten Industriestaaten, auf die Straße gegangen.
Doch der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Sommer nimmt sich die Kollegen in Ostdeutschland und Frankreich leider nicht zum Vorbild. Außer mit Schröder zu sprechen und kleinere Proteste zu organisieren hat Sommer nichts gegen die "Agenda" unternommen. Kurz vor dem Parteitag behauptete der Gewerkschafts-Chef gar, die Proteste der Gewerkschaften seien "wirkungsvoll gewesen" und "die gröbsten Klötze aus der Agenda 2010 sind raus".
In Wirklichkeit gibt es in der auf dem Parteitag beschlossenen Fassung nur minimale und unbedeutende Änderungen gegenüber dem ersten Entwurf. Sommer will mit seiner Behauptung nur die Passivität der Gewerkschaftsführung verdecken. Der DGB-Chef kündigte jetzt eine "Protestpause" bis Herbst an.
Dadurch hat Schröder es leichter, die "Agenda" im Parlament beschließen zu lassen. Denn schon am 8. Juli will die Regierung einen Teil der "Agenda" zusammen mit weiteren Kürzungen im Gesundheitswesen beschließen lassen. Mitte September wollen sie den Rest verabschieden.
In den nächsten Monaten können wir über lokale Proteste und Veranstaltungen ein Netzwerk von Aktivisten in- und außerhalb der Gewerkschaften aufbauen. Damit wäre es möglich, größere Proteste zu organisieren und Druck auf die Führung der Gewerkschaften zu machen, gegen die "Agenda" aktiv zu werden.
In Berlin haben am 1. Juni 2.000 Menschen beim Parteitag gegen Schröders unsoziale Kürzungen demonstriert (siehe Seite 5). Organisiert hat den Protest ein Berliner Netzwerk aus Gegnern der "Agenda". Das ist der erste Schritt zu einer schlagkräftigen Opposition gegen Schröders Sozialabbau.
Die Zeit drängt, denn nicht nur die CDU profitiert von der gewaltigen Enttäuschung über gebrochene rot-grüne Wahlversprechen. Bei den Bremer Landtagswahlen bekamen die rechtsradikale DVU und die Schill-Partei in Bremerhaven zusammen 12 Prozent der Stimmen. In der Stadt sind 22 Prozent arbeitslos. Schröders "Agenda" wird noch mehr Menschen in Armut und Arbeitslosigkeit stürzen und den Rechten weiter Zulauf bescheren – wenn wir den Kanzler nicht daran hindern.

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