Liedermacher Konstantin Wecker sprach mit Linksruck über Globalisierung, Superstars und die Aktualität sozialistischer Ideen.
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Konstantin, du bist eins von 13.000 Mitgliedern des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. Was kritisiert ein Liedermacher an der Globalisierung?
Globalisierung kann ja was sehr Gutes haben. Globalisierung bedeutet für mich, dass ich einen tollen Zugriff auf die Musik anderer Kulturen habe, was mir früher nicht so gelungen ist. Globalisierung heißt für mich auch, dass wir Nationalismus überwinden könnten. Aber das neoliberale Wirtschaftssystem sollten wir Künstler meines Erachtens bekämpfen.
Woran spüren denn Künstler diesen Neoliberalismus?
Diese ganze Superstargeschichte ist ein Beweis dafür, wie die Industrie versucht, das Heft wieder in die Hand zu nehmen. Das erinnert mich an die 60er Jahre. Damals hat die Industrie Titel schreiben lassen und sich dann Sänger gesucht, die singen mussten, was ihnen vorgegeben wurde. In den 70ern begannen dann mehr Bands und Liedermacher ihre Texte selbst zu machen. Das ging ganz gut. Mittlerweile ist es so, dass du am Ende einer Castingshow belohnt wirst, indem du ein Lied von Dieter Bohlen singen darfst. Das ist eine wirkliche Strafe. Ein paar Leute setzen sich zusammen und suchen Marionetten, die vollführen, was andere sich aus rein wirtschaftlichen Interessen überlegt haben.
Ist "Deutschland sucht den Superstar" eine Geld-Druckmaschine?
Das Ganze hat noch eine politische Botschaft: diese Lüge "vom Tellerwäscher zum Millionär". Das ist ein Trick, damit sich der kleine Mann mit dem einen Prozent der Aller-Reichsten identifiziert. Es geht in Europa um 500 Konzerne, die das Sagen haben. Wieso sollten wir uns mit denen identifizieren? Das funktioniert unter anderem mit Hilfe dieser verlogenen Story.
Aber Musik kann auch andere Botschaften transportieren.
Ja, man sollte die Musik wieder mehr als etwas betrachten, das die Möglichkeit hat, eine Erkenntnis auf nicht-rationale Weise in die Herzen der Menschen zu setzen. Musiker sind nicht nur bekannte Menschen, die auch ihren Mund aufmachen können, sondern die Musik an sich ist schon ein Politikum. Allerdings nur, wenn sie sich nicht vereinnahmen lässt von Konzernen, die mit den Mitteln der Musik einzig und allein Geld verdienen wollen.
Während du in Deutschland auf Tour bist, diskutieren Zehntausende auf dem Europäischen Sozialforum in Paris und bauen eine Alternative zur Globalisierung der Konzerne auf.
Ich wollte da gern dran teilnehmen, aber es ging nicht wegen der Tournee. Ich denke, dass das eine der wenigen Möglichkeiten ist, Politik von unten zu betreiben. Eine Auswirkung der neoliberalen Globalisierung ist deutlich zu sehen im Verenden der Sozialdemokratie. Wir müssen wieder offen über Kapitalismus zu reden. Ich hab das Gefühl, der Sozialismus wird derzeit noch mehr verteufelt als im Kalten Krieg.
Verbirgt sich hinter dem Slogan "eine andere Welt ist möglich" nicht die Hoffnung, dass irgendetwas anderes als Kapitalismus geht?
Ja, und ich meine, wir müssen einfach mal zugestehen, dass unter den sozialistischen Ideen hervorragende Gedanken waren. Vor allem die sozialistische Kritik am Kapitalismus gilt nach wie vor. Und ich wehre mich dagegen, dass jeder, der zurzeit etwas kritisiert, auch gleichzeitig eine perfekte Weltlösung in der Tasche haben soll.Die Fragen stellte Jan Maas.