Kein Berufsverbot für Frauen!

Linksruck sprach mit jungen Frauen über die Folgen eines Kopftuchverbots an Schulen und im öffentlichen Dienst.


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Zum Interview:
Josefine macht gerade ihr Fachabitur in Berlin. Pinar studiert Politikwissenschaften an der FU-Berlin und hofft, sich nach dem Studium als Diplomatin für mehr Völkerverständigung einsetzen zu können. Yasemin studiert Erziehungswissenschaften an der FU-Berlin und will später in der sozialen Jugendhilfe arbeiten.

Demo gegen das Kopftuchverbot am 17. Januar 2004 in Berlin
Was bedeutet ein Kopftuchverbot für berufstätige muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen?
Pinar: Ich bin selbst nicht direkt betroffen, aber viele unserer Freundinnen, die Lehramt studieren. Sie werden nicht als Lehrerinnen arbeiten dürfen.
Yasemin: Ich habe Angst, dass es so weit kommt wie in Frankreich, dass auch Schülerinnen und Studentinnen verboten wird, mit Kopftuch zum Unterricht zu kommen. Mädchen mit Kopftuch würden dann keine Ausbildung mehr bekommen!
Josefine: Eigentlich will ich ja in Zwickau Holzgestaltung studieren. Aber ich würde mir das Kopftuch nicht verbieten lassen. Ich gehe einfach ins Ausland und lerne Tischlerin. Ich kann das machen, weil ich keine Familie versorgen muss. Bei vielen arabischen und türkischen Schwestern und Brüdern sieht es schon anders aus. Sie können nicht so einfach abhauen. Dabei sind sie in der Hoffnung auf den Schutz demokratischer Rechte nach Deutschland gekommen. Ein Kopftuchverbot würde Frauen zurück an den Herd oder in die Heimarbeit drängen.

Würde ein Kopftuchverbot muslimischen Frauen helfen, sich zu emanzipieren?
Josefine: Ich trage das Kopftuch als Ausdruck meines Glaubens. Politiker, die behaupten, Frauen würden sich nicht aus freien Stücken für das Kopftuch entscheiden, drücken mir einen "Ich bin blöd"-Stempel auf.
Pinar: Ein Kopftuchverbot hilft auch den Frauen nicht, die wirklich von ihren Familien dazu gezwungen werden. Das sind meistens Hausfrauen. Frauen können sich nur selbst verwirklichen, wenn sie arbeiten dürfen und wirtschaftlich unabhängig von ihren Familien sind. Das Kopftuchverbot will ihnen aber gerade das verbieten.
Yasemin: Fragt sich denn niemand, wie lange Mädchen und Frauen, die eine Ausbildung haben, sich das Kopftuch tatsächlich aufzwingen lassen würden?

Viele Politiker argumentieren, das Kopftuch sei ein politisches Symbol, das an Schulen nichts verloren habe.
Josefine: Ich fühle mich missbraucht für Wahlkämpfe und reißerische Meinungsmache. Jeder Mensch kann extrem sein. Das sieht man den meisten nicht an ihrem Äußeren an. Das eigentliche Problem des Bildungssystems in Deutschland ist, dass es so schlecht, engstirnig und weltfremd ist. Aber das liegt nicht daran, dass Muslime unterrichten oder zur Schule gehen! Ein Kopftuchverbot treibt einen Keil zwischen Muslime und Nicht-Muslime. In Tunesien wurde ein Kopftuchverbot eingeführt und versprochen, dass der Kapitalismus alles bringt, was der Mensch braucht. Das war natürlich Quatsch.

Die Länderparlamente sollen über das Kopftuchverbot entscheiden. Vertritt dort jemand eure Position?
Yasemin: Ich fühle mich von keiner Partei mehr vertreten. Sogar in der PDS sind viele für ein Kopftuchverbot. Ich will mich wirklich integrieren, aber die Politiker wollen gar nicht, dass sich jemand integriert. Dabei würde jedes Kind, das eine Lehrerin mit Kopftuch hat, lernen, Frauen mit Kopftuch als normal anzusehen. Das ist wie bei Ausländerfeindlichkeit. Statistiken zeigen ja, dass die in Gegenden, wo wenige Ausländer leben, meist viel höher ist.
Pinar: Eine Freundin von mir ist CDU-Mitglied. Wir waren zu sechst auf dem Neujahrsempfang der CDU, um dort Fragen zu beantworten. Es war schrecklich. Einer zischte: ‚Wie können Sie sich trauen, hier aufzutauchen?’ Wir wurden gefragt: ‚Möchtet ihr euch denn gar nicht integrieren?!’. Eine Freundin antwortete: ‚Was heißt denn das? Ich träume deutsch, spreche deutsch, bin in Deutschland geboren. Ich bin typisch deutsch. Und auch ohne Kopftuch wurde ich immer als ‚Ausländerin’ bezeichnet’. Die Antwort darauf war so krass, dass wir verschwanden: ‚Typisch deutsch ist all das, was du nicht bist’!

Bekommt ihr Unterstützung von Nicht-Muslimen?
Yasemin: Direkte Unterstützung haben wir bisher noch kaum bekommen, aber wir haben das Kopftuchverbot bisher auch nicht direkt angesprochen. Die meisten Kommilitonen können sich wohl gar nicht vorstellen, was es für uns bedeutet.
Josefine: Die wenigsten kennen selbst Muslime. In der Schule und durch die Medien wird nicht über die Geschichte und Kultur des Islam aufgeklärt. Seit dem 11. September kommt in den Nachrichten nur ein Extrembeispiel nach dem anderen. Der Aktionstag gegen das Kopftuchverbot am 17. Januar war so großartig. Wir waren viele und nicht nur in Berlin, sondern auch in Paris, London, und vielen anderen Städten. Darüber haben sie nichts gebracht. Ich hoffe nur, dass die Kopftuch-Debatte auch eine gute Seite hat, dass sich mehr mit dem Thema auseinandersetzen und mit uns reden statt immer nur über uns!
Pinar: Deshalb wollen wir bei der nächsten Vollversammlung an der FU eine Unterschriftenliste gegen das Kopftuchverbot vorstellen und dazu aufrufen, dass wir uns nicht in Muslime und Nicht-Muslime spalten lassen dürfen. Ich hoffe, dass das klappt.

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