Wie stehen SozialistInnen zu Pornographie?

Der Kapitalismus vermarktet sämtliche Lebensbereiche und macht auch vor der menschlichen Sexualität und ihrer Darstellung nicht halt. In Form von Prostitution, Call-Boys, meist männliche Nacktputzer, Pornovideos oder Erotikmagazine können Sex und sexuelle Stimulierung gekauft werden. Der Deutsche Markt für Sexartikel hat einen Jahresumsatz von 3 Mrd. DM. Der Beate Uhse Konzern konnte im Jahr 1999 seinen Gewinn verdoppeln. Der Umsatz stieg von 168 auf 220 Mio DM an.

Fast die Hälfte der Frauen und zwei Drittel der Männer gaben in einer Untersuchung des Münchner Markt und Meinungsforschungsinstitutes an im Zeitraum eines Jahres Pornographie konsumiert zu haben. Laut Forbes bezieht sich jede fünfte Suche im Internet auf Erotik.


Welche Funktion hat Pornographie in der kapitalistischen Gesellschaft? Stimmt es, daß Pornographie eine Verknüpfung von Lust auf Sex mit Lust auf Frauenunterdrückung und Gewalt ist? Führt Pornographie zu sexistischen Verhalten? Wie stehen SozialistInnen zu Pornographie?



Der weitverbreitete Konsum weist darauf hin, daß Pornographie für die meisten KonsumentInnen ein reales Defizit, wenn auch schlecht, füllt. Männern, Frauen oder auch Paare benutzen Pornographie meistens als Anreiz für ihre Phantasie, als Ersatz für mangelhafte sexuelle Beziehungen oder zu sexuellen Aufklärung. Diese Gesellschaft kennt keine freie Information über Sexualität und keinen freien Umgang mit ihr – sie zwängt sie in das Korsett bürgerlicher Moral und Familie.


Menschen werden in einer Gesellschaft, die auf Ausbeutung basiert, von der Kontrolle über ihr natürlichen Fähigkeiten, ihr eigenes Leben und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen beraubt. Marx nannte dieses Phänomen Entfremdung.


Der tagtägliche Verkauf ihrer Arbeitskraft und die Belastung der Reproduktion durch Hausarbeit, Fürsorge und Erziehung wirken sich für die Mehrheit der Frauen und Männer einschränkend auf das Aufbauen neuer sozialer Beziehungen, ihr Lustempfinden sowie ihre sexuelle Experimentierfreudigkeit aus.


Das Kaufen von sexueller Stimulation erscheint für viele der einzige Ausweg aus der Misere, auch wenn er in den meisten Fällen kein besonders befriedigender ist.


 

Scheinwelt

In Pornos wird Sex auf den sexuellen Akt reduziert. Hier gibt es keine Alltagsprobleme, keinen Streit oder Krankheit. Sie hat mit den real zwischen Menschen ablaufenden Prozessen und Problemen nichts zu tun.


Die in der Pornographie konstruierte sexuelle Scheinwelt spiegelt die Unterdrückung und die Rolle der Frau in der Gesellschaft wieder: Der Psychologe Ertl fand heraus, daß Frauen in 75% der Pornos als eher passiv dargestellt sind und zumeist keine eigenen Ansprüche anmelden. Insofern sind sie eine "realistische" Widerspiegelung tatsächlicher gesellschaftlicher Ungleichheit.


 

Gewalt?

Pornos sind aber kein Instrument zur sexuellen Unterdrückung der Frau in den Händen der Männer.


Im Gegensatz zum weit verbreiteten feministischen Vorurteil ist der Großteil der Pornographie nicht gewalttätig. Anteil von sexuell aggressiven Pornos liegt bei unter 10 Prozent.


Pornokonsum produziert auch nicht sexistische Einstellungen. Viele PornokonsumentInnen sind sich dem Unterschied zwischen Realität und Pornowelt durchaus bewusst: "für 39% der Männer und für 38% der Frauen, die gelegentlichen Konsum (vier bis zwölf Filme pro Jahr) betreiben hat die Pornographie nichts mit der Realität zu tun. Nur 19% der Männer wollten das Gesehene uneingeschränkt in die Tat umsetzen, aber der Teil der dies auch wirklich tat, war noch geringer. 0,5% der Befragten gab an, durch Pornographie hervorgerufene Vergewaltigungswünsche in die Tat umgesetzt zu haben."


Genauso wie Soap-Operas und Heimatfilme und bürgerliche Familienideologie festigt Pornographie Rollenklischees und Menschenbilder. Die materielle Basis für sexistische Ideologie in allen Ausprägungen liegt im Kapitalismus selbst. Er schafft im kapitalistischen Alltag Rollenbilder, unterdrückerisches Verhalten und Gewalt. Pornographie ist lediglich ein Ausdruck dieser Ideologie.


 


SozialistInnen kritisieren Pornos, die eine Frauen herabwürdigende und entfremdete Form der Sexualität zeigt. Die Wurzel des Problems ist eine Gesellschaft, die menschliches Zusammenleben und Sexualität dem zerstörerischen Einfluß von Entfremdung, Unterdrückung und Konkurrenz aussetzt. Es hilft jedoch nicht weiter, Porno-KonsumentInnen als sexistisch oder sexuell verkümmert in die Ecke zu stellen. Unbefriedigte Bedürfnisse können nicht über Verbote oder das Unterlassen des Konsum gestillt werden.


Erst durch die Revolutionierung der sozialen Verhältnisse können wir die Grundlage für eine Welt erkämpfen, in der sexuelle Beziehungen von den materiellen Zwängen und der Entfremdung des Kapitalismus befreit sind.

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