Karriere: Die neue Waffe der Frau?

In den letzten Wochen und Monaten ist eine ganze Welle von Büchern erschienen, die mit dem 70er Jahre Feminismus abrechnen und für einen Neuen Feminismus argumentieren. Tenor dieser neuen Publikationen ist: Wer nicht vorwärts kommt, ist selbst schuld.
In einem kürzlich im Spiegel erschienenen Aufsatz Die neuen Waffen der Frau fordern zwei Vertreterinnen dieses Neuen Feminismus, Susanne Weingarten und Marianne Wellershoff, die Frauen sollten endlich aufhören zu jammern und sich an die Schalthebel der Macht begeben.

Die drei Autoren des kürzlich in der Edition Aurora erschienenen Buches Marxismus und Frauenbefreiung, Christine Behrens, Michael Ferschke und Katrin Schierbach, setzen sich mit diesen Positionen auseinander.Die Argumentation von Weingarten und Wellershoff enthält einen wahren Kern. Das Bild und Selbstbild von Frauen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten fundamental verändert. Die Integration von Frauen in den Arbeitsprozeß über die letzten Jahrzehnte hat zu einer Veränderung ihrer Rolle in der Gesellschaft geführt. Heute sind 61,8% der Frauen im erwerbsfähigen Alter berufstätig. Sie haben eine viel größere Kontrolle über ihre Sexualität als noch vor 30 Jahren. Kaum eine gibt sich mit der Rolle als Nur-Hausfrau zufrieden.

Aber ist der Griff nach Gleichberechtigung und Macht nur eine Frage des Willens und eine realistische Möglichkeit für alle Frauen?

Offensichtlich nicht: Lediglich 3,7% der Frauen arbeiten in Spitzenpositionen. Die meisten haben andere Sorgen. Sie jonglieren mit wenig Geld in der Tasche zwischen Berufstätigkeit, Haushalt und der Kindererziehung.

Was hindert die Mehrheit der Frauen daran, diesen Weg an die Spitze zu beschreiten?

Alltag


Manu, Altenpflegerin und alleinerziehende Mutter aus Hamburg, berichtet:

24 Stunden am Tag dreht sich alles um einen Gedanken: Wohin mit dem Kind? Ich muß einen Monat im voraus planen. Wann habe ich Dienst, wer kann mir hier helfen, wer da. Das belastet meine Freundschaften ziemlich. Wenn ich Freunde anrufe, geht es oft nur darum, wer kann wann helfen… Das macht soziale Kontakte schwer.

Von wegen, jeder seines Glückes Schmied. Warum muß ich das alles allein bewältigen? Ich zahle Krankenversicherung, Rentenversicherung und Steuern, was bekomme ich dafür? 250,- Kindergeld sind viel zu wenig. Man hat nur Anspruch auf einen Kindergartenplatz für einen halben Tag. Um Kuren muß man betteln, für Arznei draufzahlen. Wohin verschwindet all das Geld, das ich erarbeitet habe?


Familie


Das größte Problem vor dem Frauen stehen, ist die Doppelbelastung. Insgesamt stellen die Arbeiten, die unentgeltlich in der Familie verrichtet werden, eine massive finanzielle Entlastung für die Bosse dar: 1992 betrug der Wert dieser unbezahlten Arbeit, vorausgesetzt sie würde nach Durchnittslohn bezahlt, 2,8 Billionen Mark.

Die Bosse sind darauf angewiesen, daß die Arbeitskraft der Arbeiter reproduziert wird. Das heißt, daß die Arbeiterfamilie ausreichend versorgt und die nächste Generation großgezogen wird. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und verschärfter wirtschaftlicher Konkurrenz sind die Kapitalisten immer weniger bereit, Reproduktionsarbeiten gesellschaftlich zu finanzieren.

Daher kommt der Sachzwang der Sozialkürzungen . Rot-grün zieht mit dem Sparpaket die Schraube weiter an. Dazu kommt die ideologische Begleitmusik des Dritten Weges. Er prangert die Abhängigkeit vom Sozialstaat an und fordert mehr Eigenverantwortung. Das heißt: Kinderbetreuung und die Pflege der Alten und Kranken sollen die Frauen in Eigenverantwortung in der Familie bewältigen. Bereits 1996 wurden 1 Millionen Pflegebedürftige in privaten Haushalten versorgt.

Die Kürzungen im Pflege- und Sozialbereich treffen mich doppelt, als Arbeiterin und als Mutter, sagt Manu. Sie drücken den Lohn und erhöhen Streß auf der Arbeit. Das wirkt sich natürlich auf unser Familienleben aus. Wenn ich mal wieder fix und fertig bin, sagt meine Chefin: bleib doch Zuhause und leb“ von Sozialhilfe. Aber das würde eine noch größere gesellschaftliche Isolation für mich bedeuten.


Gemeinsam


Die Fußfessel, die Frauen hindert ihrer Benachteiligung zu entkommen, liegt also in der Funktion der Familie im Kapitalismus.

Die Arbeiterklasse als ganzes profitiert nicht von der Frauenunterdrückung. Ein Arbeiter zieht keinen Vorteil daraus, daß Frauen für die gleiche Arbeit immer noch geringer bezahlt und damit auch ihre Löhne gedrückt werden. Auch für den Mann nimmt der Streß in der Familie zu, wenn Abtreibung erschwert und Kindergartenplätze gestrichen werden.

Deswegen brauchen wir einen gemeinsamen Kampf gegen die Angriffe der Bosse und Sozialkürzungen, sowie für Frauenrechte.

Die Solidarität des neuen Feminismus gilt nicht den Frauen aus der Arbeiterklasse. Oft stehen die Powerfrauen sogar auf der anderen Seite, so die von Weingarten und Wellershoff gelobte Sozialkahlschlägerin Margaret Thatcher.

Um Frauenbefreiung zu erreichen, muß der Familie die Last der Reproduktionsarbeit abgenommen werden. Aufgaben, wie Ganztagsbetreuung von Kindern, kostenlose Versorgung durch öffentliche Kantinen, Reinigungsarbeiten durch bezahlte Putzkräfte und Wäschereien, müßten vom Staat bereitgestellt werden. Da der Kapitalismus krisenhaft ist, ist das in seinem Rahmen nicht dauerhaft möglich. Deswegen brauchen wir eine Gesellschaft, die nicht nach seinen Gesetzen funktioniert.

Macht


Als Arbeiter haben Frauen und Männer die potentielle Macht, die Klassenherrschaft zu überwinden, indem sie als überwältigende Mehrheit die Produktionsmittel unter ihre Kontrolle bringen.

So könnte die Möglichkeit entstehen, die Ressourcen, die diese Gesellschaft hat, auch dafür zu nutzen, die Reproduktionsarbeit zu vergesellschaften. In einer Gesellschaft, in der die menschlichen Bedürfnisse und nicht die Profitmaximierung Priorität ist, würde eine Rund-um-Kinderbetreuung genauso wie gemeinschaftliche Kantinen im Interesse aller sein.

Frauen haben heute mehr als jemals zuvor die Chance, das System der Doppelbelastung zu zerschlagen. Denn ihre Stellung in der heutigen Gesellschaft, als Teil der kollektiven Arbeiterklasse, bedeutet, daß sie als Arbeitskraft unentbehrlich sind. Das gibt ihnen eine Position der Stärke.

Im Kampf gegen Kürzungen, für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn bilden sie eine gemeinsame Front mit ihren männlichen Kollegen, die ihre Unterdrückung als Frau genauso infrage stellen kann wie den Rassismus.

Manu: Um unsere Situation zu verbessern, brauchen wir Solidarität und nicht den Ellbogen. Ich habe mehr Power, als die Karrierefrauen glauben, sonst könnte ich das alles bestimmt nicht durchhalten, ohne mit gesenktem Kopf durch die Gegend zu laufen.

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