Online in den Crash?

Die letzte Woche war eine schlechte für jeden, der vom endlosen Rummel um das Internet zu Tode gelangweilt ist. Die begeisterten Anhänger des E-Commerce (Handel im Internet) waren allerdings ganz aus dem Häuschen vor Freude das Medienimperium Time Warner fusioniert mit dem größten Internet-Anbieter America Online (AOL).

Die Schlagzeile des Guardians war typisch: 350-Milliarden-Dollar-Fusion kündigt eine Internetrevolution an. Die Zeitung zitierte die Behauptung der Manager von AOL und Time-Warner, daß sie den weltweit ersten integrierten Medien- und Kommunikationskonzern des Internetjahrhunderts schaffen würden.

Es wird das Bild einer Welt heraufbeschworen, wie in der Fernsehwerbungen von AOL, Yahoo oder anderen Internet-Firmen: Sechs Milliarden Menschen sind drin im Netz.

Überall leben glückliche, wohlhabende, amerikanisierte Konsumenten, die die meiste Zeit ihres Lebens im Internet verbringen. Dieses Bild paßt mit der Euphorie zusammen, die den lang anhaltenden Wirtschaftsboom in den Vereinigten Staaten umgibt.

Boom

Die US-Wirtschaft wurde hauptsächlich durch einen langen Börsenboom gestützt. Die Haushalte der Mittelklasse, deren Aktienpakete im Wert stark gestiegen sind, fühlen sich reicher und geben deshalb mehr aus was gut für das Wirtschaftswachstum ist.

Solche Börsenbooms sind in der Geschichte des Kapitalismus häufig vorgekommen. Die Finanzmärkte können zeitweilig viel schneller wachsen, als die tatsächliche Produktion.

Aber wenn die Börse einbricht, können die Auswirkungen auf die reale Ökonomie katastrophal sein. Der klassische Fall ist der Wall-Street-Crash vom Oktober 1929, der die Große Depression der 1930er Jahre einleitete.

Japan muß sich noch immer vom Platzen der Spekulationsblase von 1990 erholen. Tatsächlich sind die meisten Aktienkurse an der Wall Street während des letzten Jahres gefallen.

Einzig wegen eines außerordentlichen Anstieges der Aktienpreise der high-tech Unternehmen, besonders derer, die mit Datenverarbeitung und dem Internet verbunden sind, ging die Euphorie weiter.

Die Aktienpreise dieser Unternehmen haben sich weit von ihren Gewinnen entfernt. In der letzten Woche wurden die Aktien der US-high-tech-Konzerne mit dem 200-fachen ihrer Einnahmen bewertet.

Übernahme

Die Internetblase hat nicht nur die Bosse der high-tech-Unternehmen persönlich bereichert. Sie hat auch ihre Finanzkraft im Vergleich zu älteren Firmen vergrößert.

Diese sind häufig viel größer in Bezug auf ihre realen Werte oder die Anzahl von Arbeitern, aber ihre Aktienkurse sind nicht so schnell gestiegen. Die Fusion von AOL und Time Warner illustriert, was das bedeutet.

AOL ist der Seniorpartner, es hält 55% der Anteile des neuen Unternehmens. Time Warner ist effektiv übernommen worden, obwohl es 85% zum Umsatz und 80% der Einnahmen beitrug.

Nur die massive Überbewertung der AOL-Aktien hat diese Kapitulation eines größeren vor einem kleineren Unternehmen möglich gemacht.

AOL mußte den Aktionären von Time Warner eigene Aktien im Tausch gegen ihre Aktien anbieten, um den Konzern übernehmen zu können. Aber warum wurde dabei jede Aktie von Time Warner 69% über ihrem derzeitigen Kurs bewertet?

Viele befürchten, daß die Hightech-Blase platzen wird was die Aktienkurse unter anderem von AOL abstürzen lassen würde. AOL bot den Time-Warner-Aktionären einen Ausgleich für dieses Risiko an.

Wie die Financial Times kommentierte: Bei diesem sogenannten „Merger of Equals“ ist jeder Dollar der Marktkapitalisierung von AOL weniger wert als ¾ Dollar von Time Warner. Internetgeld … ist nicht dasselbe wie das Geld der „realen Wirtschaft“.

Wie zerbrechlich das Vertrauen in die Internetrevolution ist, hat sich einen Tag nach der Ankündigung des Geschäfts gezeigt: Ein allgemeiner Fall der Internet- und Medienkurse vernichtete 60 Milliarden DM des gemeinsamen Aktienwertes von AOL und Time Warner.

Diese Fusion hat in Wirklichkeit nichts mit dem Internetjahrhundert zu tun. Sie ist nur ein weiteres Symptom der Spekulationsblase, die die globalen Finanzmärkte, und sogar die Weltwirtschaft, über Wasser hält.

Es gibt eine wirtschaftliche Basis für das Geschäft. Massenhafter Zugang zu PCs und in das Internet bieten einen neuen Weg an, die Bilder und andere Informationen, die von Time Warner produziert werden, zu verbreiten.

Aber technologische Veränderung garantiert keine wirtschaftliche Expansion. Der Crash von 1929 fand in einer Zeit statt, als Innovationen wie das Telephon, das Radio und das Auto anfingen, zur Massenware zu werden.

Es ist unmöglich vorherzusagen, wann genau die Blase an der Wall Street platzen wird. Aber wenn das passiert, werden die ganzen Internet-Aktienfanatiker ziemlich dämlich dastehen.

Dieser Beitrag wurde unter Börse, Marktwahnsinn veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.