Was passiert in der Weltwirtschaft?

Noch im Januar 2001 hatte die Bundesregierung für Deutschland noch 2,7 % Wirtschaftswachstum erwartet. Schröder fieberte seinem Ziel die Arbeitslosigkeit auf 3,5 Millionen zu senken entgegen und verkündete „seinen Aufschwung“. Inzwischen hat ihn die Realität eingeholt.

Wirtschaftsminister Müller hält für das zweite Quartal sogar ein Nullwachstum für möglich. Schröders Aufschwung kommt damit zu einem jähen Ende – und mit ihm auch die Versprechungen für den Arbeitsmarkt.


Weltweit sieht es nicht besser aus. Während in Japan im ersten Quartal 2001 die Wirtschaft schon wieder schrumpfte, spitzt sich die Lage in den USA zu. Die Schuldenaufnahme der privaten Haushalte ist inzwischen größer als die Haushaltseinkommen. Das Außenhandelsdefizit ist seit längerem größer als 4 % des Bruttoinlandsprodukt. Folglich sind die USA gewaltig im Ausland verschuldet und laufend auf neue Kredite aus dem Ausland angewiesen. In dieser Lage schlägt jetzt die Flaute zu. Die Industrieproduktion setzte ihren nunmehr achtmonatigen Abwärtstrend auch im Mai fort. Die Zahl der Anträge auf Arbeitslosenunterstützung liegt auf einem neunjährigen Höchststand. Gewinnwarnungen und Rekordverlustmeldungen prägen die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse. So verkündete der kanadische Telekommunikationsausrüster Nortel ein Quartalsminus von 19 Mrd. $, dies ist der größte jemals von einem Unternehmen gemeldete Quartalsverlust.


Woher kommt die Krise?

Im Boom akkumulieren die Kapitalisten wie wild Kapital: In Deutschland erhöhte sich das investierte Kapital je Beschäftigten zwischen 1991 und 1998 um 24 %, in der Industrie sogar um 40 %. Die Beschäftigten müssten also immer länger arbeiten, sollte der Gewinn den sie erwirtschaften mit dem rasanten Anstieg der Investitionen mithalten. Das stößt auf Grenzen, die Profite bleiben hinter dem Kapitalwachstum zurück, die Profitraten fallen. Dies zeigt sich z. B. darin, dass in den USA 1991 zu Beginn des dortigen Aufschwungs ein Aktienkapital von 100 Dollar eine Dividende von 4 Dollar abwarf. Jetzt im Jahr 2000 am Ende des Aufschwungs ist es nur noch 1 Dollar. Diese Tendenz muss zur Krise führen.


Sinken die Profitraten, kommt es zum "Anlagenotstand". Kapital wird nicht investiert. Die im Kapitalismus notwendige ständige erweiterte Produktion (Kauf von Maschinen, Bau von Gebäuden, Einstellung von Arbeitern, mehr Konsum, Kauf von Maschinen…) findet nicht mehr statt – Überkapazitäten entstehen. In den USA befindet sich z.B. die Kapazitätsauslastung mit rund 77 % auf dem niedrigsten Stand seit acht Jahren.


Das nicht investierte Kapital sucht nach Anlagemöglichkeiten, z.B. auf den Börsen oder im Immobilienmarkt. So ist der riesen Börsenkursanstieg der "New economy" zu erklären: Die "New economy" war tatsächlich ein boomender Bereich der Wirtschaft. Internetanschlüsse, Handys und Computer wurden tatsächlich verkauft und Internetseiten eingerichtet. Der enorme Anstieg der Börsenwerte, also der Investition in diesem Bereich, entsprach aber keinesfalls dem realen Wachstum der "new economy"- Dienstleister und Produzenten. Irgendwann brach die Realität der verkauften Güter und getätigten Geschäfte gegenüber den riesen Börsennotierungen durch und die Spekulationsblase platzte.


Lange wurde die Spekulationsblase durch enorme Verschuldung der amerikanischen Haushalte aufrechterhalten. Sie steckten auf Pump immer neue Gelder an die Börse – solange die Kurse stiegen war das ja auch unbedenklich. In den USA machte der Konsum 70 Prozent der Wirschaftsleistung aus. Jetzt ist der Konsum abgesackt und reißt die Industrie in die Krise. In Deutschland sieht es noch schlechter aus. Hier hatte der Konsum nur 57 Prozent der Wirschaftsleistung ausgemacht. Anders als es oft behauptet wurde hatten die Deutschen in den letzten Jahren niedrige Löhne hingenommen. Das rächt sich nun. Denn der Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre wurde fast ausschließlich von der Exportindustrie getragen, die allein letztes Jahr um 12,9 Prozent zulegte. Mit dem Abschwung in den USA, dem zweitgrößten Exportmarkt Deutschlands, fällt der Export als Zugpferd aus – dank niedriger Lohnabschlüsse und Eichels Sparpolitik kann der Konsum diese Rolle nicht übernehmen.


Stagflation

Jetzt droht Stagflation – die Kombination aus Stagnation und Schrumpfung der Wirtschaft mit Inflation – dem Anstieg der Preise. Zuletzt stiegen die im Mai um 3,5 %. Neben "Sonderfaktoren" wie dem Anstieg der Ölpreise und dem Anstieg der Fleischpreise wegen der MKS/BSE-Krise, ist der Abschwung der Wirtschaft selbst für die Inflation verantwortlich. Mit schlechterer Auslastung der Anlagen und der damit verbundenen Verschlechterung der Arbeitsorganisation verschlechtert sich die Produktivität der Unternehmen. Die Unternehmen versuchen dann ihre höheren Kosten in steigende Preise umzusetzten. So entsteht – unabhängig von den "Sonderfaktoren" – Inflation.


Stagflation stellt Regierungen und ihre Zentralbanken vor ein Dilemma. Einerseits würden sie gerne die Zinsen senken oder senken lassen, um Geld für Unternehmen und Anleger leichter verfügbar zu machen, andererseits bedeuten niedrigere Zinsen aber eine Zunahme der Inflationsgefahr – was wiederum die Stabilität der Wirtschaft in Frage stellt.


Eins steht für Regierungen in Europa, Japan und den USA allerdings fest. Sie wollen Arbeitnehmer, Arbeitslose und Alle die auf einen funktionierenden Sozialstaat angewiesen sind zahlen lassen. So hat Hans Eichel bereits angekündigt die Steuerausfälle durch Kürzungen auszugleichen und die Arbeitgeber wollen mit allen Mitteln verhindern, dass die Gewerkschaften mit hohen Tarifforderungen auf die Inflation reagieren.

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