Bahnchef Mehdorn will acht von achtzehn Instandhaltungswerken schließen. 3.000 Bahnarbeiter demonstrierten am Donnerstag, den 18. Juli, gegen die Vernichtung von 6.000 Arbeitsstellen. Die Stimmung war geladen.
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„Unsere erste Reaktion auf die Nachricht war ein Schock.“, erzählt ein junger Arbeiter, der gerade seine Lehre begonnen hat.
Das Bahnmanagement behauptet, die Schließungen wären notwendig, weil die Werke nicht ausgelastet seien.
„Wir sind angeblich unrentabel. Wir wissen aber, dass wir rentabel sind.“, verrät Dieter Friedrich aus dem Instandhaltungswerk bei Köln. „Die Wahrheit ist, dass die Bahn unser Grundstück verspekuliert.“
Dasselbe weiß Ernst Rebele aus Nürnberg zu erzählen. „Das ist erstunken und erlogen. Der wahre Grund ist, dass das Grundstück verkauft werden soll. Unser Werk steht auf dem größten Bahngelände Deutschlands, das einen Grundstückswerk von 800 Millionen hat.“
Die Arbeiterinnen und Arbeiter handelten prompt. Am 26. Juni streikten die Beschäftigten im Werk Leverkusen-Opladen für zwei Stunden. Am Tag darauf fand ein gemeinsamer Aktionstag in allen Werken statt, auch denjenigen, die nicht geschlossen werden sollen. Über 11.000 Beschäftigte legten für einige Stunden die Arbeit nieder und gingen auf die Straße. 200 Beschäftigte des Neustrelitzer Werkes besetzten für eine Stunde die Schienen der Strecke Berlin-Rostock, obwohl die Polizei versuchte, die Gleisblockaden zu verhindern.
Hintergrund der Schließungen ist der Plan der rot-grünen Regierung den Börsengang der Bahn-AG 2004 vorzubereiten. Ein Gewinn von 1,66 Milliarden letztes Jahr reicht der Regierung dafür nicht. Nach den gemeinsamen Vorstellungen Schröders und Mehdorns ist die Bahn erst dann börsenfähig, wenn sie einen Gewinn von 4,3 Milliarden erwirtschaftet.
Dafür wollen sie in den nächsten vier Jahren 51.000 Arbeitsplätze vernichten. Der Plan von Schröder und Mehdorn sieht vor, dass sich die Bahn auf rund 10.000 Kilometer des Streckennetzes konzentriert, das die Ballungszentren miteinander verbindet. Der Regionalverkehr, den rund 90 Prozent der Fahrgäste nutzen, soll entweder stillgelegt oder von den Kommunen übernommen werden.
Darin wird die Bahn vom Staat massiv unterstützt. Der Konzern zweckentfremdet die Zuschüsse, die ihm die Bundesländer für den Erhalt des Nahverkehrs zahlen. Über höhere Preise im Regionalverkehr legt er einen großen Teil der 13 Milliarden Mark pro Jahr auf den Fernverkehr um.
Zusätzlich will der Bund bis zum Jahr 2003 etwa neun Milliarden Mark jährlich ins Streckennetz für den Fernverkehr und den Güterverkehr investieren.
„Die Privatisierung bedeutet, dass wir mit unseren Steuergeldern die Wegrationalisierung unserer eigenen Arbeitsplätze bezahlen.“, regt sich ein Arbeiter aus dem Instandhaltungswerk Opladen auf.
Otmar Mois, ein Kollege aus Nürnberg, beschreibt seine Gefühle: „Von Rot-Grün fühle ich mich beschissen. Ich hatte von Rot-Grün erwartet, dass sie mehr für die Menschen, und weniger für die Industrie tun. Die Privatisierung aber bedeutet, dass wenige viel Geld verdienen, und viele schlechter dastehen.“
Die Privatisierung vernichtet Arbeitsplätze. Das ist die Erfahrung der Bahnarbeiter seit 1994. Von den ehemaligen 325.000 Arbeitsplätzen gingen bisher 130.000 verloren.
Auch die Umwelt hat unter der Privatisierungsoffensive zu leiden. „Die wenigen, die viel verdienen,“ fährt Mois fort,“ scheißen sich nichts um die Umwelt. Für unsere Generation bleibt die Umwelt vielleicht stabil, aber was ist mit der nächsten Generation?“
Die Angst ist berechtigt, denn die Fahrpreiserhöhungen für die Kunden im Nahverkehr und die Stillegungspläne ganzer Trassen werden noch mehr Menschen zwingen, mit dem Auto zu fahren. Das wird den Treibhauseffekt weiter anheizen. Verspätungen und überfüllte Züge werden diesen Trend noch verstärken.